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Dominique Niehoff
Dominique Niehoff (@dmnqn) ist Jahrgang 1992, lebt in Berlin und hat Fotodesign studiert. Ihr erstes Tattoo hat sie sich mit 19 Jahren stechen lassen und leider mit dem damaligen Tätowierer einen Fehlgriff gemacht. Obwohl ihre erste Tätowierung nicht perfekt war, kamen mit der Zeit noch zahlreiche hinzu. Gerade wegen des eher mäßigen Einstiegs in die Tattoo-Szene hat sie sich sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt und ist bei der Wahl ihrer Tätowierer deutlich skeptischer geworden. Heute berichtet sie uns unter anderem von ihren Tattoo-Erfahrungen, Diskussionen mit Copycats und äußert sich zu gängigen Vorurteilen.
Hey, Dominique! Erzähl doch mal, wie die ganze Tattoo-Geschichte bei dir angefangen hat!
Mein erstes Tattoo habe ich mir mit 19 stechen lassen. Davor fand ich Tattoos jahrelang ziemlich doof. Ich konnte nicht verstehen, wieso man etwas sein ganzes Leben lang auf dem Körper tragen will. Aber genau der Gedanke hat sich dann vom Negativen ins Positive gewandelt. Das ist eben etwas, das einem niemand nehmen kann und eine besondere Form sich auszudrücken.
Ich habe mir damals einen Anker auf den Unterarm stechen lassen. Das geschah ziemlich spontan, während ich zu Besuch in Berlin war, in einem sehr schlechten Studio. Der im Laden rauchende Tätowierer, der zudem dreckige Klamotten trug, und die schmutzige Liege haben mich leider nicht abgeschreckt. Und Überraschung: Das Tattoo war auch noch sehr schlecht gestochen. Ich war sogar ein paar Wochen später nochmal für ein zweites Tattoo da (eher ein Spaßtattoo an meiner Ferse). Gegen einen Anker als Motiv habe ich an sich nichts, aber ich würde heute bei so einem dreckigen Studio natürlich direkt auf dem Absatz kehrt machen.
Oh je, das klingt ja nicht unbedingt nach einem optimalen Start. Was würdest du deinem 19-jährigen Ich denn heute für Tipps mitgeben, damit das erste Tattoo eine angenehmere Erfahrung wird?
Lass dir Zeit bei der Auswahl des Tätowierers. Ein Tattoo rennt nicht weg. Man muss es nicht zwingend sofort haben. Ich lasse mir zwar auch jetzt noch manchmal eher spontan etwas stechen, aber mittlerweile weiß ich immerhin, zu wem ich da ohne Bedenken gehen kann.
Und ganz wichtig: Entspann dich. Sowohl was die Schmerzen angeht, als auch Kommentare anderer Menschen bezüglich deiner Tattoopläne. Du entscheidest selbst über deinen Körper und wie du ihn gestalten möchtest. Zieh es einfach durch, wenn es genau das ist, was du willst. Und an den Schmerzen ist noch niemand gestorben. Wenn es einfach nicht mehr geht, kann man immer abbrechen und eine zweite Sitzung vereinbaren. Das ist auch keine Schande!
Entspannen ist wohl tatsächlich der ultimative Tipp. Wie verlief denn dein Tattootermin damals? Warst du sehr aufgeregt?
Wie mein allererster Termin verlief, habe ich ja schon ein bisschen beschrieben. Ich hatte circa fünf Freunde dabei (macht das bitte nicht nach), die aber nach und nach alle gegangen sind, noch ehe wir angefangen haben zu tätowieren. Bevor die Nadel angesetzt hat, war ich wirklich extrem aufgeregt, weil ich mir den Schmerz überhaupt nicht vorstellen konnte und weil ich generell einfach Angst vor Nadeln habe. Aber dann war ich positiv überrascht, dass es sich gar nicht so schlimm angefühlt hat. Und das obwohl der Tätowierer sogar zu tief gestochen hat!
Bereust du denn dein erstes oder ein anderes Tattoo?
Bereut habe ich bisher noch kein Tattoo, nicht mal die allererste Gurke. Ich bin da recht entspannt und es ist immerhin eine ganz nette Geschichte dabei raus gekommen. Ich habe mir auch schon selbst Tattoos gestochen und bereue auch das nicht, obwohl die teilweise nicht besonders gut geworden sind.
Ist ja schon mal ne gesunde Einstellung! Gibt es denn generell Motive oder Stellen, die für ein Tattoo bei dir nicht in Frage kommen?
Ich würde mir keine religiösen Symbole tätowieren lassen, weil ich einfach nicht religiös bin. Auch Realistic finde ich persönlich nicht so ansprechend, würde mir also auch nicht auf den Körper kommen – genau wie Watercolor. Ich mag einfach dicke, klare Linien. Von der Platzierung her habe ich eigentlich keine Einschränkungen. Mitten auf der Stirn wird bei mir wohl nie ein Tattoo landen, aber wenn jemand Tattoos an der Seite des Gesichts hat, finde ich das immer ganz hübsch. Mittlerweile habe ich auch recht sichtbare Tattoos auf den Fingern, also ist wohl sowieso schon Hopfen und Malz verloren, wie meine Oma sagen würde.
Was hältst du davon, wie Tattoos in den deutschen Medien dargestellt werden?
Das ist meiner Meinung nach ein sehr niedriges Niveau – gerade im Fernsehen. Wirklich gute Tätowierer werden selten repräsentiert und man sieht auch nur selten gute Tattoos oder verschiedene Stile.
Ich beschäftige mich kaum noch damit, aber meinem Eindruck nach liegt der Fokus in den deutschen Medien sehr stark auf realistischen Tätowierungen. Das finde ich wirklich schade, weil es doch so viel mehr gibt. Wer sich gut vermarktet und sich in so vielen Sendungen wie möglich angemeldet hat, wird immer wieder zu Rate gezogen und so gibt es einfach keine Abwechslung und keinen Blick für Neues.
Das kommt uns auf jeden Fall ähnlich vor – gerade was die geringe Diversität an Stilen und Tätowierern angeht. Hast du aufgrund deiner offensichtlichen Tätowierungen denn auch schon mal negative Erfahrungen machen müssen?
Man wird öfter mal ungefragt angefasst und das ist schon extrem unangenehm. Das schlimmste war, nachdem ich mir mein Chestpiece tätowieren lassen habe. Das hat eine Person, die ich seit Jahren kannte, wohl als Einladung verstanden, meine Brust anzufassen, mir in der Öffentlichkeit mein Top runter zu ziehen und mir generell den ganzen Abend über viel zu nahe zu kommen. Das hat mir die Freude an dem Tattoo für einige Zeit wirklich genommen und ich habe mich sehr zurückgezogen und lange unwohl gefühlt.
Unschön war auch, als mir jemand eine Kopie eines meiner Tattoos zugesendet hat. Es war eins zu eins das gleiche, nur schlechter gestochen, wie es bei Copycats wohl üblich ist. Ich habe den Träger des Tattoos daraufhin angeschrieben. Erst war er sich keiner Schuld bewusst, aber nachdem ich ihm meine Gefühlslage geschildert habe, konnte er es doch nachvollziehen. Er hat sogar meinem Tätowierer eine lange Entschuldigung geschrieben.
Beides echt unschön… Hast du denn auch den Tätowierer, der die Kopie gestochen hat, darauf angesprochen?
Ja, den habe ich auch kontaktiert, um ihm zu erklären, wieso so etwas nicht in Ordnung ist. Ich habe ihm erklärt, wie ich mich dabei fühle und dass so etwas durchaus strafbar sein kann. Er hat mich ausgelacht, direkt angefangen mich zu beleidigen, hat meinen Tätowierer schlecht gemacht und auch mein Tattoo schlecht geredet. Seines sei ja viel besser (war es nicht, ganz objektiv betrachtet). Leider war das sogar ein Tätowierer, der in einem nicht unbekannten Tattoobuch gefeatured wurde. Danach habe ich noch eine Kopie des gleichen Tattoos entdeckt. Das aber zum Glück nur auf Papier. Auch dieser Person habe ich ins Gewissen geredet und später habe ich gesehen, dass sie sich etwas Ähnliches hat stechen lassen. Da waren dann aber zum Glück doch einige Änderungen dabei. Also scheint das Ganze wohl wenigstens etwas bewirkt zu haben. Die Sache hängt mir aber irgendwie immer noch nach. Ich habe danach lange Zeit meine Tattoos online nicht mehr im Ganzen gezeigt, um Kopien zu vermeiden und bin dahingehend immer noch recht paranoid. Ich will mich davon aber nicht länger einschränken lassen.
Copycats sind wirklich ein lästiges Thema. Schade, dass viele es immer noch als selbstverständlich sehen, sich bei anderen zu bedienen. Aber es gab doch sicher auch schönere Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Thema Tattoos, oder?
Klar, das schönste ist für mich, dass ich durch meine Tattoos, oder eher durch mein Interesse an dem Thema, wirklich viele Menschen kennengelernt habe. Erst nur online und dann hat man sich auch mal persönlich getroffen. Mittlerweile wohne ich sogar mit einer Freundin zusammen, die ich durch ein Forum und eine daraus entstandene Facebookgruppe zum Thema Tattoos kennengelernt habe.
Ach, wie cool! Wenn du so im Thema drin bist, dann hast du doch bestimmt auch schon Pläne für weitere Tattoos, oder?
Ich habe tatsächlich noch so einige Motive geplant und eine recht lange Liste mit allem, was ich unbedingt möchte. Die meisten geplanten Tattoos sind durch Musik, Filme oder Serien inspiriert. In letzter Zeit habe ich gerade an den Musiktattoos ziemlich gezweifelt, weil man ja von einigen Bands negative Dinge mitgekriegt hat – zum Beispiel im Zuge der #metoo Debatte. Aber die meisten Tattoos werden nicht so offensichtliche Bandmotive sein. Ich habe auch jetzt schon ein Bandtattoo auf meinen Oberschenkeln, was wohl nie jemand ohne Erklärung als Bandtattoo erkennen wird. Darum werde ich die weiteren Pläne wohl auch einfach durchziehen. Im Fall der Fälle ist es von außen dann nicht direkt erkennbar und ich muss den Hintergrund der Tattoos dann mit mir selbst ausmachen. Die meisten meiner Pläne sollen, wie alle meiner größeren Tattoos, von Ibi Rothe gestochen werden. Aber ich kann mir zum Beispiel auch die Sachen von Cedric Weber, Jeroen van Dijk oder Zilly (zillyta2) gut an mir vorstellen.
Na, das klingt doch nach nem guten Plan! Dann kommen wir auch schon zu unserer abschließenden Standardfrage: Sind Tattoos für dich Kunst?
Tattoos sind auf jeden Fall Kunst! Alleine die Zeichnungen zu entwerfen ist Kunst und dagegen, dass Zeichnen Kunst ist, kann glaube ich kaum jemand argumentieren. Auch das richtige Tätowieren zu lernen ist Kunst. Das erfordert Talent, Ausdauer und Leidenschaft. Meiner Meinung nach kann alles, was man mit seinen Händen schafft und in das man Gedanken, Gefühle, Leidenschaft etc. investiert, Kunst sein.
Sehen wir auch so! Danke, dass du dir die Zeit für unsere Fragen genommen hast und viel Erfolg noch beim Abhaken deiner Tattoopläne!
Hat mich sehr gefreut und danke auch nochmal für euer Interesse!
Dominique Niehoff trägt Kunstwerke von Ibi Rothe, Lee Jones und Sebastian Aurich.