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Atopische Dermatitis, auch als atopisches Ekzem oder Neurodermitis bekannt, ist eine chronische Hauterkrankung. Einer Hochrechnung der Techniker Krankenkasse zufolge sind in Deutschland 8,4 % der Kinder und Jugendlichen bis 20 Jahre und 3,3 % der Erwachsenen davon betroffen. Nun gibt es auch Menschen mit atopischer Dermatitis, die sich gerne tätowieren lassen würden. Tatsächlich ist die Krankheit kein Ausschlusskriterium. Doch worauf man dabei achten sollte, erfährst du hier.
Was ist atopische Dermatitis?
Bei atopischer Dermatitis handelt es sich um eine nicht-ansteckende Hauterkrankung, die schubweise auftritt. Das Erscheinungsbild kann zwar variieren, doch die häufigsten Symptome sind rote, schuppende und manchmal nässende Ekzeme, also Entzündungen der Haut. Meist geht das Ganze mit einem starken Juckreiz einher.
Auch wenn diese Krankheit bis heute als nicht heilbar gilt, ist sie behandelbar. Die therapeutischen Maßnahmen können hier dem Schweregrad und den individuellen Symptomen angepasst werden. Beispiele für eine Behandlung sind eine reichhaltige Hautpflege oder die Anwendung entzündungshemmender Wirkstoffe.
Die Fachgespräche vorab
Bei der Planung eines Tattoos sollte auch ein Beratungsgespräch mit dem behandelnden medizinischen Fachpersonal eingeplant werden. Hierbei sollte die persönliche Krankengeschichte als Faktor zur Abwägung der eventuellen Risiken herangezogen werden. Auch die Vereinbarkeit mit aktuellen therapeutischen Maßnahmen und die Nachsorge des Tattoos können hier besprochen werden.
Außerdem solltest du auch deinen Tattoo Artist bei der Terminvereinbarung auf deine Hauterkrankung hinweisen. So kann er*sie sich nochmal entsprechend informieren und vorbereiten, um dir alle Fragen beantworten zu können und dir die bestmöglichen Tipps zur Nachsorge mitzugeben.
Da auch Allergien das Krankheitsbild negativ beeinflussen, solltest du potentielle Allergene vorab sowohl medizinisch als auch deinem Tattoo Artist abklären lassen. Hierbei sind sowohl Produkte, die während des Tätowierens verwendet werden, als auch die Produkte zur Nachsorge von Bedeutung.
Worauf du beim Tätowieren achten solltest
Zunächst einmal kann der Tattoo-Termin nur stattfinden, wenn die zu tätowierende Stelle und das direkt umliegende Areal nicht von einem Schub betroffen sind. Auch das ist ein Grund, weshalb du deinen Tattoo Artist vorab über deine atopische Dermatitis informieren solltest. So kann er*sie mit einer spontaneren Terminverschiebung besser umgehen.
Aktuell gibt es keine Studien oder veröffentlichte Einzelfallberichte, welche von Komplikationen beim Tätowieren mit atopischer Dermatitis berichten. Dennoch sind ein paar Risiken bekannt.
Risiken beim Tätowieren
Eines der Risiken ist die erhöhte Gefahr einer bakteriellen Infektion. Dies liegt daran, dass die Haut von Patienten mit atopischer Dermatitis häufig eine stärkere Besiedelung mit bestimmten Bakterien aufweist.
Ein weiterer Risikofaktor ist die generelle Empfindlichkeit gegenüber Produkten, die auf der Haut angewendet werden. Hier kann die Haut stärker auf Irritationen reagieren als bei gesunder Haut.
Empfehlungen
Zunächst möchten wir nochmal betonen, dass atopische Dermatitis kein Ausschlusskriterium für ein Tattoo ist. Beim Tattoo-Termin sollten deine Ekzeme inaktiv sein und die Haut an der zu tätowierenden Stelle muss komplett verheilt sein. Bis dies der Fall ist, sollte der Tattoo-Termin verschoben werden.
Sollte deine atopische Dermatitis aktuell systemisch behandelt werden, ist vom Tätowieren eher abzuraten. Bestimmte Medikamente, wie zum Beispiel Immunsuppressiva und Antibiotika, können sich negativ auf das Tätowieren oder den Heilungsprozess auswirken sowie das Risiko für Infektionen erhöhen. Besprich das unbedingt im Vorfeld mit deinem behandelnden Arzt* oder deiner behandelnden Ärzt*in.
Ansonsten sollte die Haut vor dem Tattoo-Termin besonders gut mit Feuchtigkeit versorgt werden. Daher sollte man bereits einige Wochen zuvor auf eine gute Hautpflegeroutine achten. Weitere Tipps zur Vorbereitung auf einen Tattoo-Termin findest du hier.
Wie wirken sich Tattoos auf atopische Dermatitis aus?
Interessanterweise berichten einige Tätowierer*innen davon, dass die tätowierten Hautareale ihrer von atopischer Dermatitis betroffenen Kund*innen keine Ekzeme mehr entwickeln würden.
Auch, wenn es sich bei diesen Erzählungen um anekdotische Evidenz oder “Hörensagen” handelt, scheint dieses Phänomen nicht unbekannt zu sein. Der auf Tätowierungen spezialisierte und selbst großflächig tätowierte Dermatologe Dr. Nicolas Kluger erklärt, dass es tatsächlich vorkommt, dass Hautkrankheiten solche Stellen auslassen, die eine Verletzung erlebt haben. Als Beispiele hierfür nennt er Narben, Verbrennungen oder Bereiche, die mit einer Strahlentherapie behandelt wurden. Etwas Ähnliches könnte er sich auch bei tätowierten Hautbereichen vorstellen.
Einen solchen Fall hat Dr. Kluger bereits selbst gesehen: “Was das Thema atopische Dermatitis betrifft, habe ich tatsächlich eine Patientin gehabt, bei der es so aussah, als ob die tätowierten Bereiche verschont blieben, als sie einen Schub hatte. Das Ekzem trat nur um die Tattoos herum auf. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob die Patientin das selbst auch so bemerkt hat.” Dass nicht jede betroffene Person dieses Phänomen selbst bemerkt oder direkt eine dermatologische Untersuchung wahrnimmt, ist mit einer der Gründe, weshalb die Datenlage auf diesem Gebiet gering ist.
Sind tätowierte Stellen weniger von Krankheiten betroffen?
Neben atopischer Dermatitis, hat Dr. Kluger etwas Ähnliches auch bei Hautausschlägen beobachtet und berichtet von weiteren Beispielen aus der Literatur. So gibt es auch Berichte von Menschen mit Vaskulitis, Psoriasis oder chronischer Urtikaria (Nesselsucht), bei denen die tätowierten Hautbereiche verschont blieben oder weniger stark ausgeprägte Symptome aufwiesen.
Hierbei betont Dr. Kluger nochmals, dass die jeweilige Krankheit in diesem Bereich wahrscheinlich nicht vollständig verschwindet. Es scheint lediglich so zu sein, dass der Ausschlag das Tattoo entweder vollständig oder teilweise im Vergleich zum Rest des Körpers verschont.
Tattoos sind kein Heilmittel für atopische Dermatitis
Auch wenn dieses Phänomen noch nicht umfassend aufgeschlüsselt wurde, hat Dr. Kluger eine Vermutung: “Die Erklärung liegt höchstwahrscheinlich darin, dass das Immunsystem in dem tätowierten Bereich wie eingefroren ist bzw. es mit dem Tattoo beschäftigt ist und daher nicht auf etwas anderes reagiert. Aber nochmal: dies ist ein Phänomen, das nicht spezifisch für Tattoos ist, sondern auch bei anderen Verletzungen der Haut oder Narben bekannt ist.”
Doch Tätowierungen haben nicht zwingend einen positiven Effekt: “Es gibt viele Kriterien zu berücksichtigen, aber das Phänomen tritt wahrscheinlich seltener auf als das Gegenteil. Nämlich, dass man einen Hautausschlag auf einem Tattoo hat.”
So ist auch Dr. Klugers abschließender Rat nicht überraschend: “Natürlich würde ich niemandem empfehlen, sich tätowieren zu lassen, um eine Krankheit verschwinden zu lassen.”
Dementsprechend ist also nicht davon auszugehen, dass ein Tattoo deine atopische Dermatitis heilt. Dennoch kann ein Tattoo dir das Gefühl von Kontrolle über den eigenen Körper stückweise wiedergeben und dir mehr Selbstbewusstsein bringen. So erging es zumindest einigen Betroffenen von Psoriasis, über die wir hier berichtet haben.
Weitere wissenschaftliche und medizinische Einblicke zum Thema Tätowierungen von Dr. Nicolas Kluger findet ihr zum Beispiel auf seinen Instagram-Accounts @tattoo_health oder @the_tattooed_derm.
- Augustin M, Glaeske G, Hagenström K (2023). Neurodermitisreport. Prävention, Versorgung und Innovation. Neurodermitisreport. Ergebnisse von Routinedaten-Analysen der Techniker Krankenkasse aus den Jahren 2016 bis 2019. [pdf-Datei, zuletzt aufgerufen am 14.08.24]
- Kluger N, De Cuyper C. (2018) A Practical Guide About Tattooing in Patients with Chronic Skin Disorders and Other Medical Conditions. Am J Clin Dermatol. 2018;19(2):167-180. doi:10.1007/s40257-017-0326-5
- Nelson, S. (2022) Can You Get a Tattoo If You Have Eczema? National Eczema Association. Novato, CA, USA. Published Jul 2, 2021. Last updated on May 11, 2022. [Zuletzt aufgerufen: 22.08.2024]
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