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Barrierefreiheit umfasst viele Dimensionen – von Zugänglichkeit für Menschen mit Rollstuhl bis hin zu Angeboten für neurodivergente Personen. Dieser Artikel konzentriert sich auf die bauliche Zugänglichkeit für Rollstuhlnutzer*innen.
Bei räumlicher Barrierefreiheit geht es um mehr als eine Rampe: Sie entscheidet darüber, ob Menschen im Rollstuhl problemlos ins Studio gelangen können. Und damit auch darüber, ob sie ein Tattoo bekommen können.
Denn auch Menschen im Rollstuhl möchten sich selbstverständlich tätowieren lassen. Fehlende Rampen, enge Türen oder nicht höhenverstellbare Liegen machen den Besuch jedoch zur Herausforderung oder gar zur Unmöglichkeit.
Studio-Betreiber*innen stehen hier vor mehreren Problemen. Gewerbeimmobilien sind oft nicht rollstuhlgerecht. Umbauten wie Rampen oder breitere Türen dürfen in Mietobjekten nicht ohne Zustimmung der Eigentümer*innen erfolgen. Hinzu kommt, dass ein kompletter Umbau gerade für kleine Studios finanziell oft nicht machbar ist.
Spencer Blomquist, der seit 14 Jahren einen Rollstuhl nutzt, berichtet: „Mein Freund, der Tätowierer ist, hatte ein Studio, aber weil der Ort nicht zugänglich war, musste ich durch den Hintereingang reinkommen. Drinnen war aber auch keiner der Räume für mich zu erreichen.“ Als Lösung ließ sein Tätowierer ihn dann sonntags zum Shop kommen, damit sie nur zu zweit da sind. Sein Tätowierer richtete für ihn die Station im Eingangsbereich ein, sodass Spencer dort tätowiert werden konnte.
Zugänglichkeit bedeutet auch, transparent zu sein. Studios, die nicht rollstuhlgerecht sind, sollten das klar kommunizieren – auf der Website, auf Google oder auf Social Media. Sollte der Eingang zum Beispiel nur mit Hilfe passierbar sein, ist auch diese Angabe sinnvoll.
Klare Kommunikation im Vorfeld ist hier entscheidend, da nur so eine realistische Planung für alle Beteiligten möglich ist. Im besten Fall gilt dies für das Studio beziehungsweise die Künstler*innen, als auch für Kund*innen.
Sylvia Longmire beschreibt ihren Besuch bei „Blue Flame Tattoo“ in Raleigh, North Carolina: „Ich kam mit meinem Scooter über eine Rollstuhlrampe am Seiteneingang ins Gebäude und die Lobby war sehr geräumig. Die Künstler*innen haben alle eigene Räume und ich kam ganz einfach auch mit meinem Scooter überall hin.“
Zu Beginn der Tattoo-Session konnte die Kundin in ihrem Scooter bleiben, während ihr Arm auf einer Tattoo-Armlehne lag und tätowiert wurde. Für ein Tattoo an ihrem Knöchel brauchte sie Hilfe, um auf die Liege zu kommen und sich auf die Seite zu legen. Am Ende war sie mit ihren Tattoos und ihrer Erfahrung zufrieden und ermutigt in einem Blog-Beitrag auch andere Rollstuhlnutzer*innen dazu, sich tätowieren zu lassen.
Nathan Galman aus Chicago ist selbst Rollstuhlnutzer und tätowiert seit über zehn Jahren. Statt ein passendes Studio zu suchen, das rollstuhlgerecht ist, hat er sich ein Privatstudio geschaffen. So konnte er dafür sorgen, dass sowohl seine eigenen als auch die Bedürfnisse seiner Kundschaft erfüllt werden.
Galman betont die Bedeutung offener Kommunikation zwischen Kundschaft und Tattoo Artist. Klare Absprachen sind entscheidend, damit Bedürfnisse und Einschränkungen berücksichtigt werden können.
Im Magazin „New Mobility“ wird berichtet, dass Tätowieren für Menschen mit höherliegenden Querschnittlähmungen zusätzliche Herausforderungen mit sich bringen kann. Die autonome Dysreflexie ist eine mögliche Reaktion auf Schmerz oder Reizung unterhalb der Rückenmarksverletzung. Symptome können von Gänsehaut über starkes Schwitzen bis zu Bluthochdruck reichen.
Rollstuhlnutzer Spencer Blomquist erzählt, dass er seinem Tätowierer mitteilt, wenn sich Symptome ankündigen. Dann legt er eine kurze Pause ein, um den Blutdruck wieder zu senken. Falls die Symptome nicht wieder verschwinden, sollte man die Tattoo-Sitzung lieber abbrechen, um Komplikationen zu vermeiden. Medikamente können hier im Notfall auch helfen, sollten aber nur nach Rücksprache mit Ärzt*innen erwogen werden.
Auch Tätowierer Nathan Galman kennt diese Symptome: „Autonome Dysreflexie kann einfach so während der Tattoo-Sitzung auftreten. Dann fühlt sich mein Bein an, als würde Feuer durch die Venen fließen.“ Um das zu verhindern, bleibt er beim Tätowiertwerden meist in seinem elektrischen Rollstuhl sitzen. So kann er jederzeit die Sitzlehne absenken, um seinen Blutdruck zu regulieren.
Viele Tattoo Conventions haben den Vorteil, dass buchbare Veranstaltungsorte oftmals bereits rollstuhlgerecht sind. Event Locations mit ebenerdigen Eingängen, Fahrstühlen, breiten Wegen und barrierefreien Sanitäranlagen sind im Vergleich zu Gewerbeimmobilien einfacher zu finden.
Natürlich gibt es auch auf Conventions Herausforderungen, wie etwa Gedränge oder lange Wege mit Engpässen. Doch strukturell sind dort viele Hürden leichter lösbar als in kleinen Tattoo-Studios.
Wem eine bauliche Anpassung oder ein Umzug des Studios nicht möglich ist, kann dennoch eine Besserung schaffen.
Die Tattoo-Szene hat sich in vielen Bereichen stets selbst reguliert: Hygienestandards, Fortbildungen, Qualitätssicherung. Barrierefreiheit sollte denselben Stellenwert haben.
Studios, die Barrieren abbauen, knüpfen an die Community-Werte der Szene an. Auch wenn nicht jede bauliche Veränderung möglich ist: Haltung, Transparenz und kleine Anpassungen können den entscheidenden Unterschied machen – für Kund*innen und für die Community.