Jule Marie

Jule Marie

Dein Support für Feelfarbig 🖤Hi! Schön, dass dir unsere Arbeit gefällt. Unsere Recherchen und Beiträge sind stets unabhängig und für dich kostenlos. Damit das auch so bleiben kann, freuen wir uns über deine Unterstützung. Vielen Dank! ✌️

Die liebe Jule Marie (@incredible_julk), Jahrgang 1993, hat Germanistik und Soziologie studiert. Zur Zeit arbeitet sie als Social Media Redakteurin in Berlin. Wir haben uns mit ihr über ihre Erfahrungen als Kunstsammlerin und Tattoos im Alltag unterhalten.

Jule Marie
Foto: Rob Walbers für talesinink.com

Hey Jule, vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast. Wir fangen wie immer vorne an: Wann fing deine Karriere als Kunstsammlerin an?

Mein erstes Tattoo habe ich tatsächlich kurz vor meinem 21. Geburtstag bekommen. Ich habe zwar schon mit 13/14 beschlossen, dass ich später mal mindestens Beine und Arme komplett tätowiert haben möchte, allerdings ist das mit dem lieben Geld ja immer so eine Sache. Mit 18 war es mir wichtiger den Führerschein zu machen, da ich mit meinen Eltern in einer Kleinstadt mitten im Nichts gewohnt habe. Also ist das erste gesparte Geld dafür draufgegangen. Mühsam hatte ich mir wieder ein paar Hunderter zusammen gespart, da dachte sich mein Auto: „Hallo, ich hätte richtig Lust auf so einen Motorschaden.“ Nunja. Mit Ende 20 habe ich es dann aber doch endlich geschafft mir mein Wunschmotiv tätowieren zu lassen.

Jule Marie
Die Porzelanpuppe war Jules erstes Tattoo

Also hast du dich schon sehr früh für Tattoos interessiert. Warum?

Ich fand Tattoos und tätowierte Menschen schon immer wunderschön und habe schon sehr früh beschlossen: „Wenn ich groß bin, will ich auch ganz viele davon haben!“. Schon mit 11/12 habe ich zu meinem Onkel gesagt: „Ich liebe Tattoos und am besten find ich die von den alten Seemännern“! Oldschool, Traditional, Neotraditional. Je dicker die Outlines, desto besser!

Mein erstes Tattoo musste aber unbedingt eine Porzellanpuppe sein, als Andenken an meine Oma, die eben diese gesammelt hat. Allerdings habe ich den Fehler gemacht und habe nicht ausreichend nach guten Künstlern recherchiert. Die Tätowiererin war zwar unglaublich nett und hat mir alles in Ruhe erklärt – außerdem war mein bester Freund noch dabei. Es konnte also gar nichts schiefgehen! Aber heute würde ich mich zwar für das gleiche Motiv und den selben Stil entscheiden, aber wahrscheinlich würde ich zu einer/einem anderen Künstler*in gehen. Deswegen auch eine kleine Warnung an „Tattoo-Anfänger“: Lasst euch Zeit! Ihr braucht nicht SOFORT ein Tattoo. Schaut euch die Künstler*innen genau an!

Jule Marie


Ja, nicht jeder Tätowierer ist immer die beste Wahl. Ist dir sonst mal etwas negatives in einem Studio passiert?

Ich hatte mal eine doofe Auseinandersetzung mit einem Tätowierer und habe mich danach trotzdem noch von ihm tätowieren lassen. Das war eine ziemlich dumme Idee. Es tat unglaublich weh, weil mein Ellenbogen tätowiert wurde und er hat mir immer mal wieder dabei ein paar doofe Sprüche gedrückt. Ich habe nach dem bezahlen weinend den Laden verlassen und auch erst aufgehört zu heulen, als ich zuhause ankam.

Aber glücklicherweise ist es mittlerweile komplett anders: Bei mir und meinen befreundeten Tätoweierer*innen ist das tatsächlich so, dass das Tätowieren irgendwann in den Hintergrund rückt und wir mehr Zeit damit verbringen gemeinsam zu essen. Gerne auch vor und nach dem tätowieren.

Davon abgesehen wurde ich auch schon mehrmals auf Conventions tätowiert. Finde es aber in Shops wesentlich angenehmer, weil ich nicht so darauf stehe, dass ständig Leute vorbeikommen und dich anglotzen. Einmal wurde ich auch auf einem ganz kleinen Tattoo „Event“ tätowiert, welches eine Freundin von mir organisiert hat. Da es so klein war, gab es nicht genügend Liegen und so haben wir das Tattoo gestochen, während ich auf einem Holzstuhl saß und mein Bein ganz umständlich auf einen normalen Tisch gelegt habe.

Jule Marie

Haha, ja für ein gutes Tattoo muss man manchmal initiative Zeigen. Gibt es denn auch Dinge, die du dir niemals tätowieren lassen würdest?

Namen finde ich immer schwierig. Ist einfach nicht mein Ding. Und realistische Sachen. Die passen einfach nicht zu mir. Außerdem hab ich mir mal ein Wasserfarben Vogel tätowieren lassen. Ich hab es gewonnen und umsonst bekommen. Aber auch für umsonst hätte ich es nicht machen sollen. Ist jetzt auch gecovert… :D

Partnertattoos finde ich aber zum Beispiel völlig in Ordnung. Ich würde allerdings nur Motive wählen und keine Sätze oder – wie gesagt – Namen oder ähnliches. Und wenn es ein Motiv ist, welches ihr beide vielleicht mit einer schönen Zeit in eurem Leben verbindet und dieses Tattoo euch daran erinnert, selbst wenn ihr keinen Kontakt mehr habt ist das doch ziemlich schön. Wenn es sich ergeben würde, würde ich mir schon ein Partnertattoo mit meinem Freund machen lassen. Und mit Freund*innen eh!

Gutes Thema! Was sagt denn dein Umfeld generell zu deinen gesammelten Werken?

In meinem alten Freundeskreis war ich schon die Ausnahme und ich glaube viele konnten das nicht verstehen, dass es so plötzlich so schnell ging. Mittlerweile sind glaub ich alle meine engen Freunde tätowiert. Selbst meine Mutter, die immer anti Tattoos war, hat irgendwann angefangen meine Tattoos zu fotografieren und in der Familie stolz rumzuzeigen.

Ansonsten habe ich in meinem Umfeld auch schlechte Erfahrungen machen müssen. Das werden wahrscheinlich alle tätowierten Menschen kennen. Dieses ständige angefasst werden nervt mich tierisch. Als ich früher noch im Einzelhandel gearbeitet habe, kamen ständig fremde Leute, die meinen Arm angetatscht oder gestreichelt haben und auf dem letzten größeren Festival auf dem ich war, konnten Reihenweise Männer nicht darauf verzichten ungefragt meine Oberschenkel und Knie anzufassen. Das geht gar nicht! Tattoos sind keine Einladung zum angetatscht werden.

Jule Marie


Da hast du allerdings Recht! Ein van Gogh Gemälde darf man ja auch nicht anfassen :). Aber wo wir beim Thema sind: Welche Vorurteile stören dich denn am meisten?

Am meisten nervt mich, dass Menschen immer denken du hast die Tattoos, um im Mittelpunkt zu stehen. Für die meisten Leute ist das dann auch völlig ok, dich einfach anzutatschten und vollzulabern. Finde ich natürlich wundervoll, weil ich gern im Mittelpunkt stehe und Smalltalk liebe…nicht! Ich glaube aber das ist eher ein gesamtgesellschaftliches Problem. Menschen müssen einfach lernen, Grenzen von anderen Menschen zu akzeptieren und diese nicht ständig ungefragt zu überschreiten.

Auch dieses „Tätowierte Menschen sind prinzipiell kriminell“-Vorurteil ist superätzend. Habe das tatsächlich schon öfter erlebt, dass mir Security Menschen auch für längere Zeit durch den Laden gefolgt sind. Als ich das letzte mal beim Arzt war, dachte die Sprechstundenhilfe, dass ich Obdachlos sei und kam immer wieder darauf zurück egal wie oft ich ihr gesagt habe, dass ich eine Wohnung und einen Job habe… In der Situation war ich etwas überfordert aber im Nachhinein ist es schon irgendwie witzig. Für meine Untersuchung habe ich bis heute nichts bezahlt!

Ohje, dass ist ja absurd. Aber viele Leben halt leider noch ziemlich weit hinterm Mond…

Ja, aber nicht nur die. Auch in der Tattooszene gilt das für einige. Schau doch mal in aktuelle Tattoomagazine am Kiosk! Super einseitig und langweilig. Und wie sexistisch die meisten sind, muss ich glaube ich gar nicht mehr erwähnen. Ich meine, wenn Tattoo Models nach der Größe ihrer Brüste ausgewählt werden und danach wie „sexy“ (In Anführungszeichen, weil das natürlich immer Ansichtssache ist) sie sind, anstatt mal darauf zu achten, wie gut ihre Tätowierungen gestochen worden sind, dann läuft bei dem Tattoo Magazin meiner Meinung nach so einiges falsch!

Auch stört mich, dass total oft nur möglichst realistische Tätowierungen als gut dargestellt werden. Viele Menschen checken oft gar nicht, dass es auch andere Stile gibt. Da wurden mir und Freund*innen auch schon sehr merkwürdige Fragen gestellt á la „Wäre das realistisch Tätowiert worden, wäre es bestimmt weitaus teurer gewesen, oder?“

Jule Marie

Ja, die Kunst dahinter erkennen manche leider immer noch nicht.

Ja, leider. Aber Tattoos sind halt eindeutig Kunst – zumindest wenn man zu den richtigen Artists geht. Deswegen habe ich auch Tattoos von vielen verschiedenen Künstler*innen, weil ich so viel Kunst wie möglich auf meinem Körper tragen möchte. Oft gebe ich den Artists auch nur eine grobe Rahmen Idee von dem, was ich mir vorstelle. Ich finde es schön wenn sie sich dann kreativ ausleben können und auch selber Bock darauf haben das Motiv zu tätowieren.

Definitiv! Welche Künstler fehlen dir denn noch?

Ich möchte auf jeden Fall noch mehr von Jody Dawber haben und brauch auf jeden Fall noch noch einen Termin bei Grim Antihero.

Perfekt. Danke für deine Zeit Jule!

Kein Problem! Euer Projekt supporte ich sehr gerne.

Jule Marie trägt unter anderem Kunstwerke von Sandy Kempkens, Marvin Diekmännken und Rita Humbug.

Das könnte dir auch gefallen