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Apprentice: Hans Eisen
Hans Eisen ist 33 Jahre alt und aktuell Lehrling im Essener Tattoostudio „Greyhound Tattoo“. Dort arbeitet er gemeinsam mit seinem Mentor Pete Görlitz und Tätowierer Cedric Weber. Hans ist bereits seit der Eröffnung des Studios Mitte 2016 Teil des Teams, arbeitete jedoch neben der Ausbildung stets noch regulär. In den ersten Jahren seiner Ausbildung zum Tätowierer war Hans noch in der Flüchtlingshilfe tätig, aktuell ist er Vertretungslehrer an einer Förderschule. Wie er es schafft, das Berufsleben mit seiner Lehre zum Tätowierer zu vereinbaren, erzählt er euch im Folgenden. Außerdem erfahrt ihr noch etwas über seine Leidenschaft für Tattoo Flash, den Ablauf seiner Ausbildung und warum Tattoos für ihn nicht zur Kunst gehören.
Hey, Hans! Erzähl doch erstmal, wie es für dich anfing: Was war dein erstes Tattoo?
Mein erstes Tattoo habe ich mir kurz nach meinem 18. Geburtstag machen lassen. Es war ein brennendes Herz mit einer Banderole, auf der „Skate“ stand. Ich habe es mir damals auf den rechten Unterarm machen lassen. Der Typ war jetzt nicht gerade der Überflieger, was das Tätowieren anging, aber das habe ich erst später gecheckt. Naja, das brennende Herz war auf jeden Fall nicht so der Hammer, sodass mir mein jetziger Chef Pete Görlitz das mal vor Jahren gecovert hat.
Schön, dass du das Ganze anständig covern lassen konntest. Was würdest du denn Tattoo-Neulingen als Tipp ans Herz legen?
Vertraut euren Tätowierern und hört auf ihre Ratschläge. Viele Ideen sehen als Zeichnung oder als Bild bestimmt toll aus, würden als Tätowierung aber vielleicht nicht funktionieren. Hiermit meine ich natürlich nicht, dass irgendein Tätowierer sich zu fein ist etwas zu tätowieren, sondern Dinge, die handwerklich und unter dem Aspekt der Haltbarkeit nicht gut umzusetzen sind. Sei es, dass das Motiv zu klein ist und in einigen Jahren nur noch ein zusammengelaufener schwarzer Fleck ist oder auch, dass sich das Motiv nicht für die gewünschte Körperstelle eignet.
War es denn schon immer dein Plan Tätowierer zu werden?
Ich hatte bis Anfang 20 gar keinen Plan, wo es für mich hingehen sollte. Ich hab dann ne Ausbildung im sozialen Bereich gemacht und fühlte mich da auch recht wohl. Für Tattoos habe ich mich aber auch schon immer interessiert. Irgendwann habe ich dann beschlossen, dass ich einfach alles über das Tätowieren lernen will und dass ich auch selber tätowieren möchte. Von diesem Moment an hat es aber noch lange gedauert, bis ich in die Lehre gegangen bin.
Gab es einen besonderen Grund für deinen Entschluss das Tätowieren zu lernen?
Puh, gute Frage. Ich glaube, das kann ich gar nicht rational begründen. Mich fasziniert einfach das Tätowieren und alles, was damit zusammenhängt. Vom Zeichnen bis hin zum handwerklichen Aspekt des Tätowierens selber. Ich setze mich auch einfach gerne mit Tätowiergeschichte auseinander. Mir macht es Spaß Designs, die schon längst in Vergessenheit geraten sind, auszugraben und neu zu interpretieren.
Klingt ja nach einer guten Voraussetzung. Wie kamst du denn dann zu deinem Ausbildungsplatz?
Eigentlich wollte ich nur von einer Person ausgebildet werden und das war Pete. Ich kannte Pete schon lange und schätzte ihn sowohl als Mensch wie auch als Tätowierer. Der gab mir aber ein klares nein, als ich ihn fragte. Er wollte damals niemanden ausbilden.
Ich habe dann trotzdem weiter gezeichnet und Flashs gemalt und Pete hat sich ab und an Zeit genommen, um sich meine Sachen anzuschauen und mir ein paar Tipps zu geben. Als Pete und Cedric 2016 dann Greyhound Tattoo aufgemacht haben, hat Pete mir angeboten, dass er mich ausbildet. Er wusste, dass ich mich nicht von meinem Plan abbringen lassen würde und wollte, dass ich wenigstens alles vernünftig von Grund auf lerne.
Und wie lief deine Ausbildung bisher ab?
Ich würde sagen, dass meine Ausbildung recht klassisch war bzw. ist. Ich habe den Laden geputzt, Arbeitsplätze auf- und abgebaut, das Lager kontrolliert und aufgefüllt und Kundengespräche geführt. Währenddessen habe ich von Pete immer wieder Zeichenaufgaben bekommen. Ich musste mich mit den verschiedensten Themen zeichnerisch auseinandersetzen. Von Blumen über Schmetterlinge bis hin zu Tribals. Pete hat sich dann immer meine Ergebnisse angeschaut und mir Rückmeldung dazu gegeben, was gut und was schlecht war.
Gleiches gilt für meine Flash-Bögen, die ich nach einiger Zeit des Zeichnens dann anfertigen sollte. Nach anderthalb Jahren durfte ich dann mein erstes Tattoo auf einem Freund stechen. Von da an hab ich regelmäßig auf Freunden und Bekannten geübt, bis die ersten Kunden hinzukamen. Seit Ende letzten Jahres haben wir einen Shop Guy im Laden, sodass ich inzwischen nur noch tätowiere und mich nicht mehr um die restlichen Aufgaben kümmern muss.
In den letzten Jahren kam immer mal wieder die Diskussion um eine staatliche Ausbildung zum Tätowierer auf. Hältst du eine solche für sinnvoll?
Nein, ich glaube nicht daran, dass das Tätowieren mehr Regulation benötigt. Auch wenn es natürlich hart ist, dass man um zu tätowieren einfach nur einen Gewerbeschein braucht. Ich glaube, dass diejenigen, denen das Tätowieren wichtig ist, sich auch ein Studio suchen, das sie vernünftig ausbildet. Diejenigen, die aber nur cool ihre Freunde tätowieren wollen oder denken, sie werden durchs Tätowieren irgendwelche Pseudoberühmtheiten, werden sich so oder so das China-Tattoo-Kit bestellen und zuhause am Kacheltisch tätowieren.
Harte Worte, aber da ist wohl was Wahres dran. Zurück zu dir: Wie schaffst du es eigentlich deine Ausbildung mit deinem regulären Job zu kombinieren?
Gute Frage, haha. Also ich würde mir schon wünschen, dass ein Tag so zwölf Stunden mehr hätte. Das wäre sehr hilfreich. Im Endeffekt muss man halt einfach relativ gut strukturiert sein und seine Zeit möglichst effektiv nutzen. 50 bis 60 Stundenwochen waren eine Zeit lang keine Seltenheit bei mir. Wenn man dann noch die Familie unterbringen möchte, ist so ein Tag auch schon gut strukturiert.
Ich versuche halt einfach mein Bestes, alles gut unter einen Hut zu bekommen und meine Zeit möglichst produktiv zu nutzen. Das klappt natürlich mal besser und mal schlechter. An dieser Stelle auch nochmal ein riesiges Dankeschön an meine Frau, die diesen Wahnsinn ja inzwischen schon eine ganze Weile mitmacht.
Wenn man durch dein Instagram-Profil scrollt sieht man neben Custom Designs und Wannados auch eine Menge Flash Sheets. Kannst du vielleicht einmal den Unterschied zwischen Flash und anderen Motiven erklären?
Klar, gerne. Tattoo Flash sind Vorlagebögen, die gemalt werden, um in Tattoostudios an der Wand zu hängen. Kunden können sich dann Motive davon aussuchen, oder sich von den Flash-Bögen für ein eigenes Design inspirieren lassen. Wichtig ist, dass die Motive so oft tätowiert werden, wie sie nachgefragt werden. Allerdings nur von den Tätowierern, die auch diese Bögen besitzen. Sprich, wenn ich Drucke von meinen Flash-Bögen an ein anderes Studio verkaufe, dann dürfen die auch mit meinen Bögen arbeiten. Ansonsten aber nicht. Da ich bisher nur Drucke an Privatpersonen weitergegeben habe, bekommt man mein Flash auch nur bei mir.
Wannados hingegen sind in der Regel nur Linienzeichnungen eines Motivs, welches der Tätowierer gerne stechen würde und deswegen in einer Mappe oder auf Instagram ausstellt. Wannados werden grundsätzlich nur einmal gestochen. Custom Designs sind das, was die meisten kennen werden. Man hat eine Idee und bespricht diese mit seinem Tätowierer, der daraufhin ein Design entwirft, was den Wünschen des Kunden entspricht und dann natürlich auch nur diesem Kunden gestochen wird.
Und was fasziniert dich gerade so an Flash?
Was genau die Faszination ausmacht, kann ich schlecht sagen. Das Malen von Flash hat halt einfach Tradition im Tätowieren. Alle Tätowierer, zu denen ich von Anfang an aufgeschaut habe, haben auch gemalt. Ob jetzt klassische Flash-Bögen oder einzelne Bilder. Das Malen gehörte für mich schon immer auch zum Tätowieren dazu.
Ich finde (viele) alte Flash-Bögen haben etwas Nostalgisches an sich, was sehr zu mir spricht. Ich mag es, wenn (alte) Designs etwas krude sind oder kleine Fehler haben. Das finde ich irgendwie interessant und auch menschlich. Ich mag es auch, wenn man sieht, dass mit den Bögen gearbeitet wurde, dass sie abgegriffene Ecken haben oder von der Sonneneinstrahlung verblasst sind. Wenn man halt sieht, dass sie eine Geschichte haben.
Im Endeffekt sind Flash Sheets ja auch Zeitzeugen der Tätowierkultur und verraten einem viel über die jeweilige Zeit, in der sie gemalt wurden. Generell mag ich es auch gerne mir als Kunde Motive vom Flash auszusuchen. Ich finde es cool vorher zu wissen, wie mein Tattoo aussehen wird und der Appetit kommt ja manchmal auch beim Durchlesen der Speisekarte, haha.
Dieses Nostalgische, das du beschrieben hast, klingt wirklich schön. Über sowas machen sich wahrscheinlich nur die wenigsten Kund*innen Gedanken – schade eigentlich! Gibt es denn Tätowierer*innen, die dich bezüglich Flash besonders inspirieren?
Es gibt viele Tätowierer, deren Arbeiten mich beeindrucken und inspirieren. Wenn es aber um den Aspekt Flash geht, würde ich da aus früherer Zeit auf jeden Fall Christian Warlich, Amund Dietzel, Bert Grimm und Ed Smith nennen. Von den heute noch lebenden Tätowierern finde ich vor allem die Arbeiten von Rich Hadley, Tom Wooton und Alex Graham sehr interessant und inspirierend.
Nun arbeitest du ja in Essen, wo Tattoos keine Seltenheit mehr sind. Wirst du dennoch gelegentlich mit Vorurteilen konfrontiert?
Ich komme gebürtig aus einer Kleinstadt und da kann man natürlich mit Tätowierungen, gerade wenn diese auf den Unterarmen sind, noch anecken. Wollte ich damals aber auch. Für mich war ein Grund mich tätowieren zu lassen, dass ich mich von der Mehrheitsgesellschaft abgrenzen kann.
Inzwischen muss man ja sagen, sind Tattoos so im Mainstream angekommen. Da kann man zumindest in den größeren Städten ja kaum noch mit anecken. Klar werde ich in der Sauna mal angegafft, aber das habe ich mir ja auch selber so ausgesucht. Daher kann ich mich nicht darüber beschweren. Gerade wenn du stark oder sichtbar tätowiert bist, kaufst du das ja mit ein. Das muss dir klar sein, bevor du den Schritt machst und dann musst du damit auch klar kommen.
Sind Tattoos für dich Kunst und was bedeutet Kunst für dich?
Nein. Tätowierungen sind für mich etwas Eigenständiges, was für mich aber einfach nicht in die Rubrik Kunst passt. Dafür ist das Medium Tätowieren auch viel zu unfrei in der Umsetzung. Zum einen muss man eine Tätowierung ja handwerklich und gestalterisch so anlegen, dass sie auch in einigen Jahren noch gut aussieht. Zum anderen muss man in der Regel ja die Kundenwünsche miteinbeziehen. Es gibt und gab aber durchaus Tätowierer, die auch Künstler sind bzw. waren wie zum Beispiel Thom Devita, Ed Hardy etc. Ich glaube, dass der Wunsch Tätowierungen als Kunst zu etablieren viel mit dem Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung zu tun hat, wobei das meiner Meinung nach gar nicht nötig wäre.
Kunst ist für mich eine freie Art sich ausdrücken zu können – egal ob abstrakt oder gegenständlich. Ich schaue mir gerne Kunst an, egal ob bei einer Ausstellung, in einem Buch oder auf einem Blog. Ich finde da auch ziemlich viele Sachen interessant und spannend von Gemälden bis hin zu Fotografie.
Ich denke, dass das Verständnis von Kunst als Begriff einfach sehr divers ist. Denn ein*e Künstler*in ist ja auch nur insofern frei, wie es das Medium seiner*ihrer Wahl es zulässt. Und auch Auftragsarbeiten müssen natürlich bestimmten Kundenwünschen folgen, ähnlich wie beim Tätowieren. Statt um gesellschaftliche Anerkennung geht es vielen eher um Akzeptanz oder auch Gleichberechtigung (Thema Künstlersozialkasse z.B.). Aber dein Standpunkt ist, so wie du dich erklärst, natürlich auch verständlich. Das war übrigens auch schon die letzte Frage. Danke auf jeden Fall, dass du dir die Zeit genommen hast!
Klar und danke auch an euch!
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