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Vanessa Vobker ist 21 Jahre alt und aktuell Apprentice im Recklinghauser Tattoostudio “Signed & Sealed”. Dort arbeitet sie gemeinsam mit ihren Ausbilder*innen Kija Brink, Danny Brink und Deno Kormoran, der ebenfalls seine Ausbildung zum Tätowierer dort macht.
Hey, Vanessa! Erzähl doch erstmal, wie es für dich anfing: Wie kamst du zu deinem ersten Tattoo?
Tattoos wollte ich schon haben, seitdem ich denken kann. Woher das kam, weiß ich gar nicht, weil ich niemanden in meinem Umfeld hatte, der tätowiert war. Was mit Klebetattoos aus Kaugummiverpackungen und Bemalungen mit Glitzerstiften als kleines Kind anfing, wurde immer konkreter zu Ideen, was ich mir tätowieren lassen würde. Damals wollte ich allerdings noch alles bunt haben. Mittlerweile finde ich das nur noch bei anderen schön und ich persönlich stehe bei mir nur auf schwarz/graue Tattoos.
Mein erstes Tattoo habe ich mir quasi direkt zum 18. auf einer Convention stechen lassen. Das Motiv, ein Sichelmond aus Blüten mit Kristallen, hatte ich damals selbst gezeichnet. Ich mag es immer noch gerne, aber da es auf dem Schulterblatt sitzt, wird es bei einem großen Backpiece sehr wahrscheinlich stören und deshalb gecovert werden müssen. Außerdem würde ich mir nichts mehr stechen lassen, was ich selbst gezeichnet habe! Die kreative Umsetzung überlasse ich voll und ganz den Tätowierern, für die ich mich entscheide.
So wie deine Kunden die Umsetzung jetzt auch dir überlassen. Du bist momentan auf den letzten Schritten zur Tätowiererin, war das schon immer dein Traumjob?
Ja, der Wunsch zu tätowieren schwirrte bereits länger in meinem Kopf herum. Ich habe schon immer viel gezeichnet und für mich war klar, dass ich etwas machen möchte, bei dem ich kreativ sein kann. Das kann ich in diesem Beruf auf jeden Fall und ich liebe es mit den Ideen meiner Kunden zu arbeiten und etwas Eigenes daraus zu entwerfen. Man stellt sich immer wieder neuen Herausforderungen und trifft auf so viele unterschiedliche Menschen. Ich freue mich auch immer wenn ich merke, dass ich jemanden mit meiner Arbeit glücklich machen konnte. Das gibt einem wirklich super viel zurück.
Das glauben wir gern. Du kümmerst dich ja auch während der Sitzung schon prima um deine Kund*innen!
Ich habe mich selbst einmal bei einem Termin die ganze Zeit super unwohl gefühlt. Das möchte ich meinen Kunden unbedingt ersparen und versuche es ihnen so angenehm wie möglich zu machen! Da frage ich lieber einmal zu oft nach, ob alles in Ordnung ist oder sie noch etwas brauchen. Man verbringt immerhin mehrere Stunden miteinander und der Kunde hat Schmerzen. So eine Sitzung hat deswegen oft etwas sehr Persönliches.
War Tätowiererin zu werden eigentlich dein einziger Plan oder gab es noch Alternativen?
Tätowieren zu werden war wirklich mein Plan A und zum Glück hat er funktioniert. Ich war 18 und in der Abiklasse, aber hätte das Jahr wiederholen müssen. Zu der Zeit kam dann die Zusage von Kija und Danny, also habe ich mich dazu entschieden die Ausbildung zu machen statt mein Abitur. Das war sehr riskant und ein Beispiel sollte man sich daran vielleicht nicht nehmen, aber ich bin froh über diese Entscheidung. Etwas Besseres hätte mir nicht passieren können und ich wüsste auch nicht, was ich sonst machen würde.
Wie kamst du denn eigentlich auf Kija und Danny?
Über mehrere Ecken habe ich den Aufruf der beiden gesehen, dass sie einen Azubi suchen. Ich fand die Arbeiten von ihnen gut und habe mich dann einfach mal mit meinen Zeichnungen beworben. Dass es direkt beim ersten Versuch klappt, hätte ich damals absolut nicht gedacht. Ich habe mich vorher aber auch intensiver mit dem Thema Tattoos beschäftigt und so ziemlich jeden Tag gezeichnet. Ganz so einfach in den Schoß gefallen, wie das auf Anhieb vielleicht klingt, ist mir der Platz also auch nicht.
Cool. Und wann ging’s dann los?
Mein erstes Tattoo habe ich auf mir selbst gestochen, das war am 10. Mai 2017. Weil es für mich so anstrengend war, auch erstmal nur Lines. Danach habe ich noch ein paar mal auf mir geübt, das Tattoo erweitert und ein zweites gestochen. Kunstwerke sind das jetzt nicht unbedingt, aber immerhin muss niemand anders damit rumlaufen und es gibt definitiv auch Schlimmeres. Ungefähr zwei Wochen später habe ich dann meinen damaligen Partner tätowiert.
Meine erste richtige Kundin durfte ich dann im Juni 2017 tätowieren. Sie war vorher eine langjährige Stammkundin von Kija und hat sich dann zum Üben angeboten.
Wie fanden deine Eltern eigentlich die Idee Tätowiererin zu werden?
Ich bin mega dankbar dafür, dass meine Eltern mich bei meinem Traum zu tätowieren unterstützt haben. Sie haben gemerkt, dass es das ist, was mich glücklich macht. Ich durfte sogar auf den beiden üben, obwohl sie vorher keine Tattoos hatten. Sonst hätten sie sich wahrscheinlich nie tätowieren lassen.
Ach wie lieb. Super Eltern! Was sagte dein restliches Umfeld?
Wenn ich Leute kennenlerne, sage ich ungern direkt, was ich beruflich mache. Man wird oft leider sofort auf das reduziert, was man beruflich macht. Sprich aufs Thema angesprochen, was das ganze kosten soll und so weiter, obwohl die Leute sich vorher nicht mal meine Arbeiten angeschaut haben und es so wahrscheinlich sowieso nicht zu einem Termin kommen würde. Ein anderes Thema zu finden, scheint da manchmal unmöglich. Ich liebe meinen Job, aber ab und zu haben auch Tätowierer mal frei.
Häufig gibt’s ja im Umfeld das leidige Thema des “Freundschaftspreises”. Wurdest du damit auch schon genervt?
Die meisten Freunde interessieren sich entweder nicht für Tattoos oder tätowieren auch. Deswegen kam das Thema da einfach nie auf. Wenn, fragen das eher Leute, die man vor Ewigkeiten mal flüchtig kennengelernt hat und mit denen man sonst gar nichts mehr am Hut hat. Oder Bekannte von Freunden, die sich dadurch, dass sie jemanden kennen, der tätowiert, einen Rabatt erhoffen. Vorher haben sie dann am besten auch kein einziges meiner Tattoos angeschaut. Dabei ist ein Tattoo wirklich nichts, bei dem man nach dem Preis gehen sollte.
Absolut. Qualität hat nun mal immer ihren Preis. Auch bei der Tätowierkunst!
Ja. Tätowieren ist die perfekte Mischung aus und Kunst und Handwerk. Kunsthandwerk also. Man muss dazu sagen, dass Tätowierer nicht gleich Tätowierer ist. Da gibt es schon gewaltige Qualitätsunterschiede, aber da habt ihr ja selbst ein gutes Auge für!
Also sind Tätowierer in deinen Augen eher Künstler*innen oder Dienstleister*innen?
Bei einigen Tattoos würde ich schon sagen, dass es das auf jeden Fall Kunst ist. Jeder hat schon eine eigene Linie, die sich durchzieht, seinen eigenen Stil also. Das haben Künstler in der Regel auch. Und ob man jetzt mit Haut arbeitet oder mit Farben auf Leinwand/Ton/Holz/was auch immer, ist da doch ziemlich gleich. Dem Medium muss man sich immer anpassen.
Trotzdem sind wir eben auch Dienstleister und passen uns manchmal – mehr oder weniger – den Wünschen der Kunden an. Nicht jeder Kunde gibt einem vollkommen freie Hand, sondern hat eventuell spezielle Wünsche, was wiederum eine schöne Herausforderung sein kann!
Manche sparen sich ja solche Herausforderungen und klauen ihre Motive einfach von anderen Tätowierer*innen. Ist dir das auch schon passiert?
Bis jetzt habe ich da nichts von mitbekommen. Tattooklau ist aber ganz klar uncool! Man kann sich immer inspirieren lassen, aber dann etwas Neues in seinem Stil zeichnen. Ich finde es einfach unfair gegenüber dem Tätowierer, der sich eventuell stundenlang Gedanken zu dem Motiv gemacht und es gezeichnet hat. Und auch dem Kunden gegenüber, für den das Motiv entworfen wurde bzw. der es auf der Haut trägt.
Apropos uncool! Hast du mal negative Erfahrungen aufgrund deiner Tattoos machen müssen?
Bis auf meine Beine bin ich noch nicht so stark tätowiert, weil ich mir damit etwas Zeit lasse. Auf den ersten Blick sehe ich also nicht danach aus, als hätte ich mehr als nur ein Tattoo am Arm. Deswegen gab es da auch noch keine Situation. Ich werde bloß oft blöd angeguckt oder es kommt ein blöder Spruch, wenn ich etwas trage, bei dem man meine Beine sieht. Das blende ich aber mittlerweile einfach aus. Manchmal wird man aber tatsächlich auch unfreundlicher behandelt.
Gemeine Frage zum Schluss, aber manchmal entlockt sie eine schöne Geschichte: Hast du ein Lieblingstattoo an dir?
Keins meiner Tattoos hat einen besonderen Hintergrund oder Bedeutung. Ich lasse mir Zeit und suche mir auch ganz genau aus, von wem ich etwas haben möchte. Das sind dann Künstler, deren Arbeiten ich mag, die eventuell Inspirationen für mich sind und die ich menschlich sympathisch finde. Deswegen gibt es kein Tattoo, von dem ich sagen kann es ist DAS Tattoo. Wenn, dann könnte ich mich auf fünf beschränken, die ich alle auf ihre eigene Art gern hab. Mein bisher größtes hat mir Lorena Morato aus Köln gestochen. Ich habe ihr ganz grob meinen Wunschmotiv genannt und das hat sie mega schön umgesetzt.
Mein mittlerweile zwei Jahre altes Häschen von Danny liebe ich auch aber sehr. Es ist damals ganz spontan entstanden, weil er auf einer Convention noch Zeit hatte. Das war das erste Tattoom was ich von einem meiner beiden Ausbilder bekommen habe.
Beides wunderschöne Werke. Vielen Dank für deine Zeit und alles liebe weiterhin für deinen Weg als Tätowierin!
Danke auch!
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Titelfoto: Jessi Bader – instagram.com/jessi.bader.fotografie
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