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Fiona Kxrnblume
Unter ihrem Pseudonym Kxrnblume (@kxrnblume) hat sich Fiona mit ihren 22 Jahren bereits als Model in der Tattooszene einen Namen gemacht. Eigentlich hatte sie gar nicht auf eine Karriere als „Tattoomodel“ gesetzt, denn als Masterstudentin der Human- und Molekularbiologie hat sie andere Pläne! So wird sie nach Abschluss ihres Studiums in die Tattoometropole Berlin umziehen, um dort ihren Doktor zu machen.
Um zu erfahren, wie Fionos Leben zwischen Vervollständigung ihres Bodysuits, Studium und Modelkarriere abläuft, haben wir sie mit einigen Fragen gelöchert. Dabei erzählt sie uns auch von ihren Erfahrungen als junge, stark tätowierte Frau und weshalb sie mit der Darstellung tätowierter Menschen in den Medien ziemlich unzufrieden ist.
Hey Fiona, mit deinen 22 Jahren bist du bereits sehr großflächig tätowiert. Wie fing es für dich mit dem Thema Tattoos an? Was hat dein Interesse geweckt und welches war dein erstes Tattoo?
Es war schon immer mein Wunsch mich direkt mit 18 tätowieren zu lassen und ich hatte jegliches Taschengeld und Nebenjobgeld gespart, damit ich direkt mit 18 loslegen konnte. Für mich war das erste Motiv sofort klar: meine beiden Rosen, da ich mich durch die Tattoos selbst ausdrücken wollte. Ich bin damals an meinem Geburtstag ins Tattoostudio und hab einen Termin vereinbart. Ein paar Monate später und ich bin immer noch wahnsinnig happy damit, obwohl es eigentlich nicht so wirklich zum Bodysuit passt, aber das bin einfach ich und das macht es wundervoll.
Welches Konzept verfolgst du bei deinen Tätowierungen und wonach suchst du dir deine Artists aus?
Mein Konzept ist Selbstverwirklichung, würde ich mal sagen. Es muss sich einfach richtig anfühlen. Ganz wichtig für mich ist meine strickte Trennung der Stile: Backpiece in Fineline/Abstract, Arme mit Realismus, Frontpiece aus Lettering. Die Artistst verfolge ich eigentlich eh schon ewig auf Instagram. Dort kam man dann eh schon in Kontakt oder ich frage einfach ganz normal an, wenn ich denk „Hey, das und das will ich gern von dem und dem verwirklicht haben“. Ich lasse jedem Artist komplett freie Hand bei seinem Design und gebe lediglich die Idee vor. Ich mag es, die verschiedenen Stile, und irgendwo auch Persönlichkeiten, auf mir zu tragen und mittlerweile eine Sammlung so vieler Nationen zu haben ist auch echt cool.
Manches ergibt sich auch spontan: Fatkush hat mich zum Beispiel angefragt, als er bei mir in der Nähe zu Gast war. Da war ich dann natürlich direkt dabei! Oder bei Cay Miles war ich eigentlich nur für nen Schriftzug an den Hüften und er feierte meine Idee für die Brüste so sehr, dass er’s unbedingt direkt umsetzen wollte. Deshalb haben wir an seinem freien Tag dann auch tätowiert :D.
Es war auf jeden Fall bisher eine wahnsinnig interessante Reise und ich hoffe, das wird es auch weiterhin sein. Geld und Entfernung sind mir dafür egal. Jessica Svartvit bin ich zum Beispiel in jede einzelne Stadt hinterhergefahren. Wenn ich das Zeug feier und die Sympathie stimmt, nehm‘ ich definitiv jede Hürde auf mich! Denn hey, das Zeug bleibt für immer auf meiner Haut.
Hieraus ergibt sich für mich auch, dass ich definitiv niemals Azubis an meine Haut ranlassen würde. Ich bin ein krasser Perfektionist und da muss dann halt echt alles stimmen. Ich hatte zum Beispiel mal ne Beziehung mit einem Tattoo-Azubi und die ging kaputt, weil ich mich nicht von ihm tätowieren lassen wollte. Er stellte es so dar, als würde ich ihn nicht unterstützen, aber das war es nicht. Alles auf meinem Körper war so gut überlegt und genau geplant, da möchte ich definitiv keine Gurke riskieren, haha.
Gibt es ein bestimmtes Motiv, das du dir noch stechen lassen willst? Oder einen Artist, von dem du dir noch unbedingt ein Tattoo abholen möchtest?
Ohje, jede Menge. Leider geht mir nur so langsam der Platz aus, haha. Gaaanz wichtig und ewigst überlegt ist mein Kopftattoo, wofür ich im März nach Italien fliegen werde, um eine Collab von Yao Atf und Marcolino Montenegro abzustauben. Das hat sich auch eher ergeben, weil Yao meinte, ich kann ihn gern jederzeit in Italien besuchen kommen. Und da ich eh das Zeug von ihm und Marcelino übel feier – perfekt!
Es werden zwei riesige Chrysanthemen links und rechts, die über den Haaransatz hinausgehen und in der Mitte vom Kopf das Wort sleepwalking, welches noch auf die Stirn ragen wird. Das erste Tattoo, bei dem ich tatsächlich mal nervös bin, aber noch mehr voller Vorfreude. Wer aber auch noch fehlt ist natürlich Anjris Straume und er steht definitiv auf meiner To-Do-List!
Hast du ein Lieblingstattoo an dir? Welches ist es und warum?
Eindeutig mein Backpiece, denn es steht für meinen Glauben an die große Liebe und drückt damit meine Emotionalität aus. Quasi meinen Schwan finden, haha. Denn Schwäne haben ja ihr Leben lang nur einen Partner und können vor Trauer sterben, wenn dieser nicht mehr ist. Obwohl ich so hart und taff aussehe, bin ich doch sehr emotional und gefühlvoll und deshalb ist das Backpiece definitiv am Wichtigsten für mich. Jessi hatte die Idee damals von mir gehört, als sie meinen Hinterkopf tätowiert hat. Sie wollte es unbedingt umsetzen und so taten wir das dann auch. Es waren definitiv die allerschlimmsten Schmerzen auf Erden, aber das war’s 100 % wert. Der Rücken ist meiner Meinung nach auch die beste Stelle zum Tätowieren, weil man dort so viel Fläche hat. Deshalb sollte man sich wirklich gut überlegen, was man dahin macht. Jessi den Platz anzuvertrauen war definitiv die richtige Entscheidung.
Welches war das schönste Erlebnis, das du aufgrund deiner Tattoos gemacht hast?
Dass Leute mich anschreiben und mich tätowieren wollen, mir einfach so Entwürfe machen und wertschätzen, dass ich ein Tattoocollector bin. Ich nehme nichts davon für selbstverständlich und es erfüllt mich so krass. Dass ich einfach wirklich 100 % in der Tattooszene drin bin und mich eigentlich jeder, der sich mit Tattoos beschäftigt, schon mal auf irgendwelchen Bildern gesehen hat. Das verdanke ich natürlich hauptsächlich der krassen Reichweite meiner Artists.
Aber auch die komplette Zusammensetzung von ausschließlich großartigen Artists macht’s, denke ich. Tattoos sind mein Leben und dafür wertgeschätzt zu werden ist das wundervollste der Welt für mich. Wenn ich auf Conventions gehe, werde ich zigmal angesprochen und viele wollen Fotos. Das flasht mich jedes Mal so krass und ich bin da so dankbar für.
Wurde eines deiner Tattoos mal kopiert? Wie hast du reagiert und wie fühlst du dich deswegen?
JAAA! Horror ey, zwei sogar. Aber richtig krass und eins zu eins wurde die Monsterhand mit dem Vogel von Felix Seele kopiert. Ich trage sie ja eingearbeitet in mein Frontpiece an der Seite am Bauch bzw. an der Hüfte. Das Mädel hat sich dann die Monsterhand mit Vogel auf’s Schienbein stechen lassen. Die Dreistigkeit pur war, dass sie Felix‘ Design einfach schon tätowiert hatte, bevor mein Termin bei Felix war – haha.
Diese Dreistigkeit der Leute ist echt verblüffend. Ein Design, das noch nicht mal unter der Haut ist zu klauen, ist schon ne harte Nummer. Mich hatte das Mädel damals direkt aus Scham blockiert, aber anscheinend hat sie anderen gegenüber ihren Fehler eingesehen. Ich fand es einfach so traurig, dass jemand sich das Recht rausnimmt ein Motiv aus einem Gesamtbild rauszureißen und sich einzuverleiben. Die Monsterhand ist bei mir ja im Friedhof eingebunden, also mit Kontext und hat ne mega Bedeutung. Und sie lässt es sich einfach ohne Kontext stechen, weil’s ja so cool aussieht.
Im Vorfeld hast du uns verraten, dass du aktuell Masterstudentin der Human- und Molekularbiologie bist. Inwiefern haben sich deine Tattoos bisher auf dein Studium oder deine Karriere ausgewirkt? Hast du diesbezüglich irgendwelche Bedenken, was deine Zukunft angeht?
Haha, wie oft ich diese Frage kriege! Ich denke mir immer, wer mich wegen meinen Tattoos nicht will, hat erstens ein Problem mit sich selbst, welches er an anderen auslassen muss und zweitens hätte derjenige sicher auch irgendeinen anderen Makel an mir gefunden. Von daher ich bin wahnsinnig reflektiert und überdenke auch alles x-mal, aber ich lasse mich durch meinen Job definitiv nicht in meiner Selbstentfaltung und -verwirklichung einschränken.
Ich weiß, dass ich da auch für viele ein Vorbild bin und das bin ich echt gern, denn endlich mal mit Klischees brechen wäre echt wundervoll. Tattoos und Doktortitel – wieso sollte das nicht gehen? Ich werd’ einfach alle Konservativen überzeugen, haha. Unitechnisch habe ich eigentlich nie wirklich Gegenwind bekommen. Ein älterer Professor war mal mega überrascht, dass ich besser in einer Klausur war als meine „normal“ aussehende Laborpartnerin. Da dachte ich mir „Lol, okay. Ich bin also dumm, weil ich Tattoos hab.“ Ich kann über sowas halt echt nur lachen, aber an sich ist es schon erschreckend, wie tief Vorurteile bei manchen Menschen sitzen.
Gegenwind von der Gesellschaft kommt eher bei der Wohnungssuche. Da merkt man schon, dass viele Vermieter von stark tätowierten Menschen abgeschreckt sind. Das Krasseste, was ich da zu hören bekommen hab war „Ja so jemanden wollen wir nicht in unserem Haus wohnen haben.“ Aber im Endeffekt hatte sich rausgestellt, dass dieser Vermieter homophob und ausländerfeindlich war. Von daher überraschten mich seine Vorurteile nicht mehr und ich war im Nachhinein froh nicht in sein Haus gezogen zu sein.
Also wirst du aufgrund deiner Tattoos auch oft falsch eingeschätzt? Welche Vorurteile musstest du denn sonst noch so erfahren und was nervt dich am meisten?
OH JAAA! Ganz viele halten mich für total eiskalt, arrogant und bitch-like, obwohl ich eigentlich ein fluffiges Einhorn bin. Ich seh‘ zwar hart aus, aber hab nen total weichen und emotionalen Kern. Dass viele irgendwie vergessen, dass auch ich trotz hartem Aussehen natürlich Gefühle habe, ist manchmal echt sad, aber ich mach mir da nichts mehr draus. Viele, die mich in echt kennenlernen sind auch überrascht, wie normal ich bin.
Im Generellen werde ich total falsch eingeschätzt. Erstmal traut mir niemand ein wissenschaftliches Studium zu, sondern es wird immer auf Erzieher oder etwas anderes Soziales getippt. Da denk ich mir nur: Hallo, Vorurteile! Dann sind ebenso alle überrascht, wenn ich erzähle, dass ich an die große Liebe glaub und total das Granny-Leben führe, haha. Ich hasse es zum Beispiel feiern zu gehen und bleib viel lieber daheim mit Netflix und Tee.
Mich nervt auch, dass der Mensch für viele hinter den Tattoos verloren geht. Es heißt immer nur „Ach, krass. Die, die von XY tätowiert ist“ und das verletzt mich echt. Vor allem weil dafür auch niemand Verständnis hat und es immer heißt, dass ich das doch so gewollt habe – was schlichtweg falsch ist. Ich möchte nicht über irgendjemand anderes definiert werden, sondern über mich selbst. Ich bringe mich selbst zum Ausdruck durch die Tattoo-Collection und möchte nicht nur durch deren Artitsts definiert werden.
Auch werden ständig überall irgendwelche Bilder von mir ohne Einverständnis veröffentlicht, das nervt auch ziemlich. Die Oberhärte war hier vom Tätowiermagazin ein Paid-Artikel von einem Fotografen, der hauptsächlich mich auf seinen Fotos hatte und mein Name wurde nicht einmal erwähnt. Und das obwohl das Tätowiermagazin genau weiß, wer ich bin. Seitdem mache ich auch nur noch bezahlte Shoots, denn machste heutzutage wem ne Freude, kriegst du’s eh niemals gedankt, sonder bekommst eher noch einen dafür reingewürgt. Der Egoismus in der Tattooszene kotzt mich echt richtig an. Anstatt, dass sich alle gegenseitig pushen, versuchen sich alle gegenseitig zu behindern, denn der andere könnte ja mehr vom Kuchen abkriegen.
Wie beurteilst du die Darstellung von Tattoos und Tätowierten in den deutschen Medien? Findest du diese Darstellung realitätsnah oder entsteht ein falsches Bild? Was wünschst du dir diesbezüglich für die Zukunft?
Es entsteht ein total falsches Bild von Tattoos und Tätowierten durch die Medien – vor allem durch die meisten Tattoomagazine. Die bringen nämlich alle nur schlecht tätowierte Barbie-Püppchen raus, die auch bei Germany’s Next Topmodel passen würden. Genau der gleiche Mist bei den ganzen Miss-Wahlen und Tattoo-Wettbewerben – alles Bullshit. Da geht’s nicht um die Tattoos, sondern deine Oberweite und Figur und – ganz wichtig – lange Haare.
Anstatt die Diversität der Tattoo-Szene zu fördern, wird sie im Keim erstickt. Ich wünsche mir so sehr, dass all die anderen bekannten Magazine endlich auch mal die Macht ihrer Reichweite nutzen würden und wie ihr Tattoo-Collectoren präsentiert, um der Gesellschaft zu zeigen, dass es anders geht und es auch qualitativ hochwertige Tattoos gibt. Dadurch würden sich wahrscheinlich nicht mehr so viele Jugendliche irgendeinen Trash tätowieren lassen, wenn sie wüssten, was alles möglich ist.
Wenn man mal drauf achtet, sieht man bei vielen Kampagnen (zum Beispiel gegen Drogen) auch immer im selben Kontext Tattoos. Kein Wunder, dass hieraus Vorurteile entstehen. Das muss dringend aufhören. Ich habe zum Beispiel noch nie im Leben Drogen genommen, trinke keinen Alkohol und rauche auch nicht. Viele sind darüber total verwundert, denn Zitat: „Krass, das passt ja gar nicht zu deinem Aussehen.“ Auch die ständige Werbung mit tätowierten Mädels, die gemachte Lippen haben und zig Silikon mit sich tragen, finde ich sehr gefährlich. Dort geht es einfach nicht um den Knackpunkt der Tattoo-Szene – also Individualität – sondern meistens nur um das Aussehen bzw. den Körper der Frauen.
Es wird zwar immer gepredigt, dass man individuell sein soll – bist du’s aber, hemmt es dich eigentlich nur. Ein bekanntes Magazin wollte zum Beispiel mein Foto-Set nicht veröffentlichen – nur wegen der Glatze. Das sei nicht gesellschaftstauglich – und solche Aussagen machen mich richtig traurig. Sie zeigen, was für altmodische Gedanken in den Köpfen vieler festsitzen.
Was bedeutet Kunst für dich und würdest du Tattoos dort hinzuzählen?
Definitiv! Meine Tattoos sind für mich Kunst pur, denn sie sehen alle aus wie Bilder. Kunst ist für mich wahnsinnig wichtig und bedeutet für mich, dass sich jemand auf seine ganz eigene Art und Weise ausdrücken kann und so vielleicht auch so zum ersten Mal richtig wahrgenommen und verstanden wird. Es freut mich sehr, dass viele mit der Tattookunst ihren Weg finden sich auszudrücken und mir die Möglichkeit geben mich durch die Sammlung von Tattoos auch ausdrücken zu können.
Das war’s auch schon. :) Danke, dass du dir Zeit für uns genommen hast!
Sehr gern! 🖤
Fiona Kxrnblume trägt Kunstwerke von Jessica Svartvit, Felix Seele, Stanislav Gromov, Gabri-L, Yao Atf, Leny Tusfey, @wlk_calli, Cay Miles, @fatkush_mgt und Nadine Tischendorf.