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Jule W.

Diesmal haben wir uns mit Erzieherin Jule W. (@blackgoldhearted) über ihre Erfahrungen rund zum Thema Tattoo unterhalten. Die ehemalige Berlinerin lebt heute in Koblenz und hat einige Tätowierungen von den unterschiedlichsten Künstlern.
Hey Jule! Dann leg mal los: Wie hat es für dich mit Tattoos angefangen?
Mein erstes Tattoo habe ich zwei Monate nach meinem 18. Geburtstag bekommen. Ich habe wirklich lange überlegt, was ich mir stechen lasse und es sollte auch bei einem Tattoo bleiben – hat, wie man sieht, gut geklappt :). Ich habe mich für einen Vogel entschieden, der einen Sternenschweif hinter sich herzieht (ja Sterne waren damals total angesagt!). Das Tattoo soll symbolisieren, dass Freiheit immer nur ein Traum bleibt und man letztendlich immer durch irgendwas, seien es Pflichten oder Gesetze, im Leben eingeschränkt ist. Der Vogel ist außerdem das Bandlogo meiner damaligen L ieblingsband Tragedy. Ich bereue es bis heute nicht und wurde vom Tätowierer auch soweit gut aufgeklärt. Allerdings habe ich mein zweites Tattoo auch dort stechen lassen und war überhaupt nicht zufrieden – das wurde derweil von Felix Seele gecovert! Und das lieb‘ ich natürlich jetzt sehr. Also kleiner Tipp an alle Neulinge: Wählt den Künstler gut aus und informiert euch vorab gründlich. Und geht nicht einfach zum nächstbesten Studio, wie ich damals.
Guter Tipp, gerade aus diesem Grund wurde Feelfarbig auch ins Leben gerufen! Wie lief denn dein erster Tattootermin so ab?
Bei meinem ersten Termin war ich total aufgeregt. Da es ein kleines Tattoo ist, war es schnell vorbei und der Schmerz war damals auch nicht so schlimm wie angenommen. Zur Unterstützung hatte ich eine Freundin dabei, die neben mir tausend Tode gestorben ist. Das war so lustig, dass ich den Schmerz für einige Augenblicke vergessen konnte. :)
Haha, ja die Zuschauer leiden tatsächlich immer sehr schön mit. Und deine anderen Terminen? Waren die auch so entspannt?
Bei einigen weiteren Terminen gab es mehrfach Situationen, in denen ich mich sehr unwohl gefühlt habe. Einmal wurde ich in einem so kleinen Raum tätowiert, dass man sich nicht mal um die eigene Achse drehen konnte und der Tätowierer mir viel zu nah kam. Außerdem nutzte er ohne meines Wissens Lidocain (Betäubungsmittel), welches ich offensichtlich nicht so gut vertrug und mich übergeben musste. Da ich damals noch in Berlin wohnte, musste ich spät am Abend dann noch mit starkem Schwindel und Übelkeit mit der U-Bahn nach Hause fahren. Das war nicht so schön und das Tattoo habe ich auch nie fertig machen lassen, was aber nicht nur daran liegt.
Des Weiteren habe ich ein Tattoo covern lassen von jemandem, der mir zu dem Zeitpunkt sehr nahe stand. Wegen etlichen Streitigkeiten, Intrigen und Unstimmigkeiten wurde mein riesiges Cover up leider nicht so, wie es geplant war, sondern anders und vor allem schief. Das ärgert mich bis heute sehr. Man sieht einfach, dass der Tätowierer keine Lust hatte und ich finde, dass das keinem Künstler passieren sollte. Des Weiteren war die Atmosphäre total unangenehm, da der Laden immer voll mit mindestens 10 Leuten war, die alle um die Liege herum standen. Ich habe mich inzwischen auch damit abgefunden, dass das Tattoo ausgebessert und beendet werden müsste. Da die Stelle aber schmerztechnisch mit Abstand die schlimmste war, drücke ich mich davor etwas.
Ohje, das klingt nach wirklich sehr unschönen Erfahrungen. Hoffentlich kannst du dein Projekt dann mit einem besseren Tätowierer zu Ende bringen! Kannst du denn auch etwas Positives von einem Tattootermin berichten?
Ich habe mich tatsächlich mal mit einem Tätowierer und auch einer Tätowiererin so gut über viele Dinge unterhalten können, dass man später auch privat mal zusammen auf einem Konzert war. Generell gibt es aber viele Tätowierer, die einen mit ihrer Art schon super ablenken und mit denen man sich auch gut unterhalten kann. Am entspanntesten ist es, wenn es einfach lockere Gespräche sind – über Musik, Politik, Ernährung oder auch mal private Themen.
Gibt es denn auch Tattoos, abgesehen von deinem Cover up, welche du bereust? Oder hast zu zum Beispiel irgendein No-Go?
Also, ansonsten bereue ich noch ein Motiv, was ich mir so nicht mehr stechen lassen würde. Und das ein oder andere Tattoo hätte man anders anordnen können, aber im Großen und Ganzen bin ich echt zufrieden :). Da ich nie geplant habe, mir so viele Tattoos stechen zu lassen, hatte ich keinen Plan im Kopf, sondern das ist einfach alles immer so passiert (über Nacht natürlich und ich habe auch nie etwas davon mitbekommen, haha). Und No-Gos…Hm, ich würde mir niemals meinen Intimbereich tätowieren lassen.
Wie ist es denn generell für dich als tätowierte Frau? Gab es da bestimmte Situationen oder Erlebnisse, an die du dich erinnerst?
Ich habe sieben Jahre lang in Berlin gelebt und muss sagen, dass ich da selten Probleme als tätowierter Mensch hatte. Klar, schauen viele Leute zweimal hin, wenn man im Hochsommer mit einer kurzen Hose in der U-Bahn steht, aber abfällige Kommentare hörte man da nicht. Seit etwa vier Jahren wohne ich wieder in meiner Heimat Koblenz und muss sagen, dass die Leute hier schon etwas anders reagieren. Berlin ist eine Metropole, die weltoffen ist (zumindest meistens). In Rheinland-Pfalz sind manche Menschen einfach noch geschockt (positiv und negativ), wenn sie jemanden mit vielen Tattoos sehen.
Da ich mich aber dafür entschieden habe mich stark tätowieren zu lassen, muss ich auch mit vielen verschiedenen Reaktionen meiner Mitmenschen rechnen. Gerade in meinem Beruf als Erzieherin erlebe ich schon mal Eltern, die die ersten Tage etwas komisch auf meine Hände schauen. Wenn sie dann aber merken, dass ich ein ganz lieber Mensch bin, ist alles okay :). Vor allem sind viele Eltern inzwischen selbst tätowiert. Man sollte Menschen nicht nach dem Äußeren beurteilen, sondern immer auf das Innere achten, aber wie man das in die Köpfe einiger Leute kriegt… puh, keine Ahnung!
Mit einem freundlichen Auftreten und eben nicht der Bestätigung sämtlicher negativer Klischees, kämpfst du doch schon ganz gut dagegen an. Zum Abschluss noch eine Frage: Wir sagen Tattoos sind Kunst, was meinst du?
Tattoos sind für mich Kunst – definitiv. Es ist für mich eine Art mich auszudrücken, meine positiven wie negativen Erlebnisse verewigt zu haben, meine Geschichte erzählen zu können- in Form von Bildern auf meiner Haut. Der oder die jeweilige Künstlerin gibt dem Tattoo seine eigene Note und gerade das macht jedes Bild zu etwas ganz Besonderem.
Da geben wir dir Recht! Danke, dass du dir die Zeit genommen hast :)!
Danke euch auch und viel Erfolg noch mit eurem Projekt :)!
Jule W. trägt Kunstwerke von Friedrich Übler, Marcos Ortega, Felix Seele, Ibi Rothe und Alina Bushman.