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In Berlin geboren und geblieben: Martin Abraham (@nervous.kid) ist seit 1993 in der Hauptstadt zu Hause, die oft als Tattoo-Metropole Deutschlands betitelt wird. Dort arbeitet er als Betreuer in einem Wohnheim für junge Erwachsene und studiert zudem an einer Fachschule für Heilerziehungspflege. Vor sechs Jahren hat er sich sein erstes Tattoo stechen lassen und seitdem kamen noch zahlreiche weitere hinzu. Heute erzählt er uns von seinen Erlebnissen und Erfahrungen, die er im Zusammenhang mit seinen Tätowierungen gemacht hat. Außerdem haben wir ihn nach seiner Meinung zu Vorurteilen, Tattoo-Klau und Tattoo-Darstellung in den Medien gefragt – aber lest selbst!
Mein erstes Tattoo habe ich mir mit 18 Jahren stechen lassen. Es waren 2 X auf meiner Brust, was ich damals für die beste Idee hielt, um allen zu zeigen, wie Straight Edge ich bin. Inzwischen bin ich mit der Entscheidung aber etwas unzufrieden. Das Tattoo an sich ist sauber und gut gestochen. Darüber möchte ich mich also nicht beschweren – viel eher über Meine Entscheidung für genau dieses Motiv und genau diese Stelle. Da hätte ich einfach eine bessere Entscheidung treffen können, aber ich war jung und brauchte das Tattoo. Ich würde mir retrospektiv betrachtet eher etwas anderes an diese Stelle stechen lassen, aber dafür ist es ja vielleicht nicht zu spät. Seit einer Weile spiele ich zumindest mit dem Gedanken, es covern zu lassen.
Natürlich war ich vor meinem ersten Tattoo sehr aufgeregt. Man hat ja vorher meist schon von Personen aus dem Freundeskreis die unterschiedlichsten Geschichten darüber gehört, wie sehr das weh tun kann. Im Grunde war es ja eine neue Erfahrung und eine meiner ersten Entscheidungen mit permanenten Folgen. Insgesamt war ich aber sehr zufrieden und es tat auch gar nicht so sehr weh, wie ich befürchtete.
Insgesamt kann ich allen nur die typischen Tipps mit auf den Weg geben. Durch Instagram ist das heute alles etwas einfacher (und ich fühle mich sehr alt, während ich das schreibe). Man sollte die Arbeiten verschiedener Künstler genau verfolgen, um zu wissen, mit welchen Stilen und Künstlern man sich am ehesten identifizieren kann.
Über die Zeit habe mich auch durch verschiedenste Salben und Cremes getestet, um festzustellen, dass ich mit Tattoomed am zufriedensten war. Das hätte ich am liebsten sofort gewusst, da einige Cremes echt eklig rochen, oder sich auf der Haut unangenehm anfühlten.
Am liebsten würde ich mir von gefühlt 1.000.000 Tätowierern noch etwas abholen. Oft fantasiere ich davon, verschiedene Körper zu haben, mit verschiedenen Tattoos und diese dann ähnlich wie Outfits zu wechseln.
Einer meine Träume ist es, mir von Rob Borbas (@grindesign_tattoo) ein Backpiece stechen zu lassen. Ansonsten gibt es ja auch allein in Berlin schon viele Künstler, die ich gern mal auf ein Tattoo besuchen möchte. Darunter sind Stefan Pauli (@stefanpauli), Anna Zachariades (@zachariades.tattoo), Marco Schmidgunst (@marcoschmidgunst), Tanja Schulze (@tatanjaschulze), Matteo Aldenti (@_maldenti_) und viele viele mehr. Die Liste ist sehr lang.
Bisher ist noch keine konkrete Reise geplant, was aber an meinem etwas begrenzten Budget liegt.
Hier in Berlin fällt man ja kaum auf mit Tattoos. Das mag ich an dieser Stadt auch sehr. Ich werde, zumindest meistens, ganz normal als Mensch wahrgenommen und bekomme wenn eher positive Kommentare. Ein paar Tage nach der Sitzung für meinen rechten Unterarm (der Traumfänger) haben mich zum Beispiel schon viele Menschen auf der Straße auf das Tattoo angesprochen und mir Komplimente gemacht. Eigentlich ist es auch immer ganz cool, von Menschen angesprochen zu werden, die sogar die Künstler der Motive benennen können. Das freut mich, weil es ja auch für besagte Künstler heißt, dass sie nicht nur einen Namen haben, sondern auch einen wiedererkennbaren Stil – und das innerhalb dieses großen Tattoo-Pools hier in Berlin. Natürlich fühlt es sich auch gut an, von diesen Künstlern immer was mit sich rumtragen zu dürfen.
Anders war es, als ich letzten Sommer mal für zwei bis drei Tage in München war. Da habe ich mit den Tattoos schon einige unangenehme, wertende Blicke abbekommen. Man merkt halt schon kulturelle Unterschiede und dass der Blick auf Tattoos zwar im Wandel ist, doch auch die konservative Sicht noch existiert.
Tatsächlich kann ich das Klischee so unterschreiben, dass es im Bereich der gesamten sozialen Arbeit doch eher nebensächlich ist, ob und wie man tätowiert ist. Meine Kollegen thematisieren das nicht besonders, es sei denn, ich habe mal wieder offensichtlich frische Stellen. Die Menschen, die ich betreue, finden es selber auch oft gut, machen mir Komplimente oder stellen Fragen dazu.
In meinem Freundeskreis haben recht viele Menschen Tattoos. In meiner Familie hingegen bin ich wohl einer der Einzigen. Meine Mutter kann einigen Motiven einen künstlerischen Mehrwert abgewinnen und hat wahrscheinlich schon die Hoffnung aufgegeben, da großartig auf mich einzureden. Mein Stiefvater versucht immer noch mit zum Teil humorvollen Andeutungen anzumerken, dass es doch langsam gut sei – hauptsächlich jedoch aus Sorge, dass es irgendwann mal negative Auswirkungen auf mein Leben haben könnte.
Ach, ich bin alles. Dreckig. Assi. Leicht zu haben. Knasti. Dumm. Drogensüchtig. Und auf jeden Fall humorlos.
Spaß beiseite. Ich halte solche Vorurteile auf Grund von Äußerlichkeiten für großen Humbug. Wir sind Menschen mit der Fähigkeit zu denken. Wir sollten inzwischen begriffen haben, dass es einen größeren Mehrwert hat, sich ein Bild von Menschen anhand ihrer tatsächlichen Qualitäten zu machen. Am Ende zählt halt eh das Handeln und nicht das Aussehen.
Ehrlich gesagt bin ich die Darstellung in den Medien langsam echt satt. So wirklich coole Sachen werden doch eh nicht gezeigt. Irgendwie sieht man immer nur die gleichen Schriftzüge und Realismusportraits. Mir fehlt die tatsächliche Vielfalt in der medialen Darstellung der Tattoo-Kultur. Und meine größte Frage seit jeher: Warum haben fast alle Stars hässliche Tattoos?! Die haben doch so viel Geld!
Cool! Wenn man es in dem Moment fühlt, dann warum nicht? Freundschaften und Partnerschaften können immer enden, auch im Streit. Man kann also das Tattoo nutzen, um sich danach an die schönen Aspekte der gemeinsamen Zeit zu erinnern. Wenn man aber dazu neigt, den negativen Blick auf Geschehnisse zu behalten, sollte man sich das ganze vielleicht ein paarmal durch den Kopf gehen lassen vorher.
Bisher schließe ich für mich noch das Gesicht aus. Ich würde mich einfach viel zu prollo fühlen, weil ich ja noch so viel anderen Platz auf meinem Körper habe, den man für viele tolle Motive nutzen kann.
Vorsicht, folgendes klingt stark nach Werbung!
Eigentlich ist fast jede Session, die ich bei Jukan habe, eine besondere Sitzung. Den „Alten Schwan“ zu betreten, fühlt sich für mich nicht an, als würde ich ein Studio betreten, sondern als würde ich ein Atelier voller cooler Dudes besuchen, um mir ein Tattoo abzuholen und eine gute Zeit zu haben. Meistens wird viel gelacht und Quatsch erzählt.
Bisher habe ich mich nur standartmäßig in Studios tätowiere lassen – einmal jedoch auch daheim von meiner damaligen Mitbewohnerin, die das nie gelernt hat. Dementsprechend sieht das aber auch aus. Ich schreibe dem Ganzen aber einen gewissen DIY Charme zu. Die Session im Studio zu verbringen, ist mir im Großen und Ganzen dann aber doch lieber.
Bisher wurde noch keines meiner Tattoos kopiert. Darüber bin ich auch sehr froh. Es fühlt sich schön an, etwas auf dem Körper zu tragen und zu wissen, dass es vielleicht ähnliche Motive gibt, aber du doch deine ganz eigene Umsetzung dessen auf dem Körper trägst. Tattoos haargenau zu kopieren, ist in meinen Augen aber auch traurig für den Artist, der das macht. Im Grunde heißt das doch, dass dieser mit seinem Latein am Ende ist und nicht genügend Ideen hat, um seinen Kunden individuelle Motive anzufertigen.
Ziemlich komplexe Frage zum Abschied und schwer zu beantworten, da ich ja selbst kein Tattoo-Artist bin. Ich persönlich finde, dass Tattoos auch zu Kunst zählen. Darüber hinaus ist es nicht nur Kunst, sondern Kunst verbunden mit einem Handwerk. Das reine Vorstellen der Motivideen reicht immerhin nicht aus. Es benötigt zudem ja nicht nur das motorische Geschick, die Ideen auf Papier zu bringen, sondern auch noch das technische Hintergrundwissen, eine Tattoomaschine zu bedienen und auch hier wieder das motorische Geschick, diese adäquat über/durch die Haut zu führen.
Aber was bedeutet Kunst für mich… Ich denke, alles was mit kreativem Denken zu tun hat, kann und darf Kunst sein. Dazu zählt nicht nur das Offensichtliche – wie zB. Design, Illustration, Lyrik, Songwriting etc. Vielmehr erfordert das Leben oft kreatives Denken. Wann immer wir Lösungen für unvorhergesehene Situationen finden müssen, oder uns in Situationen wiederfinden, in denen unsere üblichen Handlungsweisen nicht mehr weiterhelfen, ist auch kreatives Denken gefordert. Gewissermaßen ist also das Leben an sich eine Kunst.
Danke auch an euch!
Martin Abraham trägt Kunstwerke von Jukan, Lemonsmiff, Matt Pettis, Matthias Boettcher, A.A. Tattooer und Sebastian Aurich.