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Ricardo Reuchsel (@xavocadox) arbeitet im Bereich Logistik und lebt in Essen. Sein erstes Tattoo hat er sich mit 20 Jahren stechen lassen. Mittlerweile hat er seine Sammlung jedoch um so einige Tätowierungen bereichert. Heute erzählt er uns ein bisschen von seinen verschiedenen Erlebnissen und Erfahrungen zum Thema Tattoos.
Mein erstes Motiv waren Augen, die unterhalb meiner Armbeuge auf den Unterarm kamen. Die Augen-Idee hatte ich schon lange und sie wurde nach einem Musikvideo von TOOL umgesetzt. Mittlerweile bin ich eher unzufrieden mit der Platzierung, weswegen ich eines der beiden Augen im März habe covern lassen. Bereuen tue ich mein erstes Tattoo trotzdem nicht!
So als Neuling war es schon eine etwas ungewohnte Situation. Ich war bei einem Tätowierer, bei dem sich schon einige Freunde haben tätowieren lassen. Als Info: Ich komme aus Thüringen und die Auswahl an “guten” Tätowierern war sehr begrenzt, ohne mehr als eine Stunde zu fahren. Also dachte ich mir, dass ich dort auch hin gehen sollte. Da stand ich nun: Das erste mal beim Tätowieren, super aufgeregt, kam an den Empfang und schaute mich um. Das Studio war mit bespraytem Bauschaum und Gasmasken dekoriert, was wirklich etwas Bizarres hatte. Der Tätowierer kam dann auch direkt auf mich zu und brachte mich zu seiner Arbeitsstation, die sich im Flur befand. Er fragte kurz nach dem Geld, ich zeigte es ihm und er legte die Matrize auf und los ging’s. Nach anderthalb Stunden hatte ich dann zwei Augen auf meinen Unterarmen. Ich gab ihm das Geld, bekam noch einige Tipps zur Pflege und danach sahen wir uns nie wieder.
Eigentlich ist jeder Tattootermin besonders für mich. Also man bekommt ja was auf den Körper, was für ewig sein soll. Es gibt so zwei drei Erlebnisse, die für mich anders waren als andere Termine. Ich hab zum Beispiel ein Oberschenkel-Tattoo von Christian Dr. Ein Tätowierer aus Spanien, der einen Guestspot in Deutschland hatte. Der Termin dauerte an die sechs Stunden und nach zwei Stunden sagte mein Körper irgendwie nein. Nach vier Stunden tat einfach nur noch alles weh und um so erleichterter war ich, als es dann endlich geschafft war. Jetzt ist es eines meiner absoluten Lieblingsmotive.
Mit Sven Kleis hab ich mich, als er mich tätowierte, so gut verstanden, dass er mittlerweile einer meiner besten Freunde ist. Ein anderes Mal hatte ich mir noch einen Teil der Brust auf der Convention in Dortmund stechen lassen. Das war etwas ungewohnt, da man keine Privatsphäre hat – aber es war dennoch ein Erfahrung wert.
Recherche ist alles – genau das, was ich beim ersten Tattoo nicht gemacht habe. Ich hatte die Motividee zwar lange und die war auch gründlich durchdacht, doch ich hatte mir keinerlei Gedanken über den Tätowierer gemacht. Dennoch hätte es mich wirklich schlimmer erwischen können. Glück im Unglück würde ich sagen.
Negative Erlebnisse hatte ich mehrere. Das fängt in der Familie an und hört bei der Jobsuche auf. Wobei ich es wirklich schade finde, gerade im Berufsleben nur auf meine Tattoos reduziert zu werden. So war es der Fall, dass ich bei vier potenziellen Arbeitgebern nach dem Jobinterview abgelehnt wurde, weil ich Tattoos habe und mir den Job nicht zugetraut wurde. Das war natürlich absoluter Schwachsinn: Was hat meine Kompetenz in einem Fachgebiet, das ich gelernt habe, mit meinen Tattoos zu tun? Natürlich wurde das nie öffentlich als Grund angegeben, sondern in einem 4-Augen-Gespräch erfragt. Also finde ich es gerade in Führungspositionen schwer, als tätowierte Person einen angemessenen Job zu finden.
Ich erlebe ständig Vorurteile gegenüber tätowierten Menschen. Das fängt mit komischen Blicken von Passanten auf der Straße an und geht weiter im Job. Für mich gibt es zum Beispiel eigentlich keine Stelle, die ich nicht tätowiert haben möchte, jedoch warte ich mit den ganz offensichtlichen Stellen (Gesicht, Hände etc.) noch, da ich bereits negative Erlebnisse bei Jobinterviews wegen meiner Tattoos machen musste. Leider ist das in Deutschland wirklich noch sehr stark ausgeprägt. In anderen Ländern, oder Großstädten wie Berlin, interessiert sich niemand mehr dafür. Es ist am Ende nur eine Kopfsache aller und was man daran ändern kann, weiß ich nicht. Ich habe es akzeptiert, dass man als Tätowierter wohl nicht als normal angesehen wird.
Unbedingt will ich noch ein Tattoo von Robert Borbas aka Grindesign und hoffe, dass ich es demnächst endlich verwirklichen kann. Von ihm möchte ich die Abbildung von H.P. Lovecrafts Cthulhu auf den Oberschenkel.
Auf jeden Fall sind Tattoos Kunst! Egal wie klein oder ausgearbeitet, es steckt immer eine Idee und eine Umsetzung von irgendjemandem dahinter. Deswegen kommt für mich auch Feilschen beim Tätowierer überhaupt nicht in Frage. Kunst hat ihren Preis und den bin ich auch bereit zu zahlen.
Danke gleichfalls!
Ricardo Reuchsel trägt unter anderem Kunstwerke von Sven Kleis, Christian Dr, Chris Anker, Dominik Dagger, Alina Bushman und Friedrich Übler.