Lottis Einstieg ins Tätowieren: Über Umwege zum beruflichen Neuanfang

Lotti Tattoo
Lotti Tattoo


Dein Support für Feelfarbig 🖤Hi! Schön, dass dir unsere Arbeit gefällt. Unsere Recherchen und Beiträge sind stets unabhängig und für dich kostenlos. Damit das auch so bleiben kann, freuen wir uns über deine Unterstützung. Vielen Dank! ✌️

Der Einstieg ins Tätowieren ist genauso individuell wie die Künstler*innen selbst. Lottis Geschichte zeigt, dass nicht nur Talent, sondern auch Selbstbewusstsein und gute Freundschaften dir den Weg ebnen können. Doch den Mut, ihn zu gehen, musst du selbst aufbringen – und Lotti (@Lottitattoos) hat genau das getan.

Welche Hürden Lotti auf ihrem Weg begegnet sind und wie ihr Studium sowie frühere Jobs sie unterstützt haben, erfahrt ihr hier. Außerdem sprechen wir darüber, mit welchen Vorurteilen sie aufgrund ihres späten, aber schnellen Einstiegs in die Tattoo-Branche konfrontiert wurde.

Tattoo von Lotti
Tattoo von Lotti

Sinah: Wie hast du deinen Einstieg ins Tätowieren gefunden?

Lotti: Ich lasse mich seit meinem 18. Lebensjahr regelmäßig tätowieren und habe über die Jahre einige Tattoos gesammelt. Dadurch habe ich viele Menschen aus der Szene kennengelernt und einige davon sind enge Freund*innen geworden.

Nach einem Klinikaufenthalt habe ich durch die Kunsttherapie wieder angefangen zu malen. Eine Zeit lang habe ich dann viel gemalt und meine Arbeiten auf Instagram geteilt. Irgendwann fragte mich ein befreundeter Tätowierer, ob ich mir nicht vorstellen könnte, selbst mit dem Tätowieren anzufangen.

Für mich war das damals eine völlig fremde Welt. Ich dachte immer: Es gibt doch schon so viele talentierte Leute – warum sollte jemand zu mir kommen? Außerdem hatte man mir in der Schule gesagt, dass ich nicht zeichnen kann. Trotzdem habe ich es ausprobiert. Ein Jahr lang habe ich ausschließlich gezeichnet und Flash-Designs gemalt, bevor ich das erste Mal eine Maschine in die Hand genommen habe.

Tattoo von Lotti
Tattoo von Lotti

Sinah: Wie sah dein weiterer Weg aus?

Lotti: Ich bin durch Freund*innen, die bereits tätowiert haben, und meine langjährige Begeisterung für Tattoos in die Szene hineingewachsen.

Trotz intensiver Suche habe ich keinen klassischen Ausbildungsplatz gefunden. Esther de Miguel hat mir dann die Grundlagen beigebracht und ich konnte dort viel lernen. Danach wurde ich vom Scriptorium in Friedrichshain aufgenommen – dort habe ich dann angefangen zu tätowieren.

Tattoo von Lotti
Tattoo von Lotti

Sinah: Hat es Mut gebraucht? Welche Schwierigkeiten gab es?

Lotti: Definitiv! Ich habe meinen Job gekündigt und alles auf eine Karte gesetzt. Zwar habe ich mein Studium noch beendet, um eine gewisse Sicherheit in der Tasche zu haben, aber es war trotzdem ein riskanter Schritt.

Von Anfang an habe ich meine Reise auf Social Media begleitet, wodurch ich schnell Menschen gefunden habe, die sich von mir tätowieren lassen wollten. Eine Herausforderung war für mich anfangs die Meinung anderer – vor allem Kommentare wie: “Sie hat nicht den klassischen Weg gewählt” oder “Sie hat die harte Schule nicht durchlaufen”. Dabei hätte ich selbst sehr gerne eine klassische Ausbildung gemacht.

Tattoo von Lotti
Tattoo von Lotti

Sinah: War sozialer Druck ein Thema für dich – sei es gesellschaftlich oder in Bezug auf die Kündigung eines „sicheren Jobs“?

Lotti: Ja, absolut. Aber ich hatte mir in den Jahren davor Geld angespart, um genau diesen Schritt wagen zu können. Während der Anfangszeit habe ich weiterhin freiberuflich gearbeitet, um mir eine gewisse finanzielle Sicherheit zu bewahren.

Vor dem Tätowieren war ich extrem sicherheitsbedürftig und wollte immer ein festes Einkommen haben, mit dem ich planen konnte. Ich musste erst lernen, mit der Unsicherheit umzugehen und mich an ein unregelmäßiges Einkommen zu gewöhnen.

Tattoo von Lotti
Tattoo von Lotti

Sinah: Glaubst du, ein früherer Einstieg ins Tätowieren wäre einfacher gewesen?

Lotti: Ich weiß es nicht. Klar denke ich manchmal: Hätte ich mal früher angefangen, dann wäre ich heute noch besser. Oder dann hätte ich nicht erst in einer ohnehin schon schwierigen Zeit begonnen. Vielleicht hätte ich früher auch eher einen richtigen Ausbildungsplatz gefunden.

Andererseits hat mich genau das motiviert, alles zu geben. Ich wusste: Wenn ich mir einen Kund*innenstamm aufbauen will, muss ich richtig ackern. Zum Glück hat das für mich sehr gut funktioniert. Und dafür bin ich unglaublich dankbar.

Zudem war es für mich wahrscheinlich gut, vor dem Tätowieren verschiedene Jobs auszuprobieren. Diese Erfahrungen helfen mir heute enorm – sei es im Kund*innenkontakt, in der Organisation oder in der Selbstständigkeit. Mein Studium ist ebenfalls eine wertvolle Grundlage. Durch meine vielfältigen beruflichen Erfahrungen weiß ich genau, was ich will und was nicht. All das fließt in meinen Job als Tätowiererin ein – und ich muss mich nicht fragen, ob es da draußen vielleicht noch etwas gibt, das mir mehr liegen würde.

Tattoo von Lotti
Tattoo von Lotti

Sinah: Glaubst du, es gibt Vorteile, später zu starten?

Lotti: Ja, auf jeden Fall. Dadurch, dass ich nicht den klassischen Ausbildungsweg gegangen bin, habe ich schon früher Geld mit dem Tätowieren verdient. Ich wusste genau, worauf ich mich einlasse – sowohl wirtschaftlich als auch in Bezug auf die Herausforderungen des Marktes.

Zudem steckte ich nicht bereits in einer festgefahrenen Routine, aus der ich mich erst hätte herauskämpfen müssen. Ich musste mir nicht erst neue Wege erarbeiten, sondern konnte direkt meinen eigenen gehen. Social Media war von Anfang an ein natürlicher Bestandteil meines Werdegangs – das hat mir vieles erleichtert.

Wie bereits erwähnt, helfen mir meine vorherigen Jobs enorm in jeder Facette des Tätowierens: sei es Buchhaltung, Grafikdesign, Organisation, Kommunikation oder Vermarktung. Diese Erfahrungen haben mir den Einstieg ins Tätowieren erleichtert und geben mir bis heute eine gewisse Sicherheit.

Sinah: Danke, Lotti!


Hier findet ihr Lotti und ihre Arbeiten

Lottis Tattoo-Account: @Lottitattoos

Lottis privater Account: @allesvonlotti

Tattoo-Shop: @sticksandstonesberlin

Das könnte dir auch gefallen