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Tattoo Nightmares, Horror Tattoos, Tattoo-Sünden – diese Sendungen laufen oder liefen im deutschen Fernsehen. Wer genau hinschaut, dem mag auffallen, dass all diese Titel deutlich negativ behaftet sind. Doch warum ist das so und weshalb werden Tattoos im Fernsehen stets in einem negativen Kontext präsentiert? Im Folgenden beschäftigen wir uns mit den verschiedenen Sendungen und fassen deren Inhalte knapp zusammen. Spoiler: Alles ist ganz schlimm.
Total traumatische Tattoos im TV!
Wie auch sonstiger TV Trash sind Tattoo-Sendungen meist im Genre Reality Shows oder Doku-Soaps angesiedelt. Während Reality Shows versuchen die Realität zu zeigen, geht es in Doku-Soaps mehr darum, die dargestellten Personen dramatisch in Szene zu setzen. Wie jedoch bei jeder Fernsehsendung des Privatfernsehens steht vor allem eins im Vordergrund: Unterhaltung. Bildung und Aufklärung stehen, wenn überhaupt, weiter hinten an.
Tattoo Nightmares
Tattoo Nightmares ist eine amerikanische Sendung, welche mit deutscher Synchro auf Sixx läuft. Staffel 3, Episode 25 wurde von Sixx wie folgt zusammengefasst: “Unter Tränen bittet ein Mann, der viele Narben auf seinem Körper trägt, Jasmine um Hilfe. Unterdessen möchte eine Frau ihr furchteinflößendes Tattoo covern lassen, das ihr schon seit Jahren schlaflose Nächte bereitet.” Tränen, Furcht und schlaflose Nächte – typische Situation für Tätowierte. Wer kennt’s nicht?
Natürlich geht es in dieser Sendung um Folgendes: Die Inszenierung schwerer Schicksale, jugendlicher Leichtsinn, beschissene Tattoos und Cover ups.
Horror Tattoos – Deutschland, wir retten deine Haut!
Horror Tattoos ist eine deutsche Produktion von Sixx. Die Folgen heißen zum Beispiel “Zwickau-weia”, “Kölns Chaos-Tattoos”, “Tattoo-Trauma in Hanau” oder “Frankfurt zieht blank”. Schlechte Wortspiele, Alliterationen und nackte Haut – klingt ja nach typischem Trash TV. Und die Erwartungen werden nicht enttäuscht! Wieder mal, wie sollte es auch anders sein, dreht sich alles um Cover Ups.
Tattoo-Sünden / Tattoo Fixers – Die Cover Up Profis
Tattoo Fixers kommt ursprünglich aus England und wurde in Deutschland auf Sixx ausgestrahlt. Zuvor wurde die Sendung noch unter dem Titel “Tattoo-Sünden” auf TLC gezeigt. Auch hier geht es wieder um Cover Ups beziehungsweise die dramatischen Geschichten hinter den “Fails” der Teilnehmer*innen.
Pain & Fame – Wer wird Deutschlands bester Tätowierer?
Pain & Fame ist eine weitere Produktion aus dem Hause Sixx, die sich der Suche nach “Deutschlands bestem Tätowierer” widmet. Also zumindest steht es so im Titel. In der Realität sieht das Ganze natürlich anders aus, denn – wer hätte es gedacht – da ist noch ziemlich viel Luft nach oben. Laut Sixx traten in der Sendung “einige der talentiertesten Tätowierer Deutschlands in mehreren Challenges gegeneinander an.” Dabei waren die meisten Bewerber*innen gerade mal in den Anfängen ihrer Karriere und handwerklich noch nicht da, wo sie vielleicht sein könnten.
Übrigens – keine Überraschung – haben sie am Ende definitiv nicht den besten Tätowierer Deutschlands gefunden. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass der*die beste Tätowierer*in Deutschlands zufällig einer der acht Kandidat*innen ist, schätzen wir eher gering. Doch wahrscheinlich ist das genauso wenig überraschend, wie dass “Deutschland sucht den Superstar” eher durchschnittliche Sieger*innen hervorbrachte. Auch wenn Juror Mario Barth (nicht der “Comedian”), den die BILD als Tattoo-Papst bezeichnet, da anderer Meinung ist. Seine Worte zum Sieger waren Folgende: “Auf der ganzen Welt gibt es vielleicht 25 sehr gute Tätowierer. Und Marco hat die Chance zu diesen 25 zu gehören!” Wir lassen das mal so kommentarlos im Raum stehen. Als von der Bildzeitung gekürter Tattoo-Papst weiß man ja sicher, wovon man redet.
Just Tattoo of Us
Just Tattoo of Us ist ein britisches MTV-Format, welches mit deutschen Synchro auch auf MTV Deutschland erschien. In dieser Sendung geht es endlich mal nicht um Cover Ups, doch leider auch nicht um gute Tattoos. Grundlegende Idee der Sendung: Zwei “Freunde” suchen sich gegenseitig ein Tattoo-Motiv aus. Dabei weiß niemand, was er*sie tätowiert bekommt und sieht das Endresultat erst in einem höchst dramatischen Enthüllungsmoment. Da kommen dann tolle Ergebnisse bei raus, wie die Namen diverser Geschlechtskrankheiten über dem Penis des Kumpels oder ein Branding mit “SLUT” für die Cousine. Hinzu kommt hier, dass keine “bekannten” Tätowierer*innen am Werk sind und die Ergebnisse häufig sehr unprofessionell aussehen.
Nachtrag, 04.08.2020: Mittlerweile hat RTL das Format nun produktionstechnisch auch nach Deutschland geholt. Auf RTLNOW könnt ihr das Ganze aktuell mit den Reality-TV-Persönlichkeiten Elena Miras und Mike Heiter als Moderator*innen sechs Folgen lang kopfschüttelnd verfolgen.
Nur Profis am Werk?
Die meisten Sendungen verfolgen scheinbar das gleiche Konzept. Dabei geht es stets darum “das schlechteste Tattoo” zu finden, damit es von einem “Profi” gerettet werden kann. So gibt es stets den einen, ultimativen Tätowierer, der als Gesicht der Sendung herhält. Tattoo Nightmares hat Tommy Helm, Horror Tattoos hat Randy Engelhard, Tattoo Fixers hat Sketch Porter und Paisley Billings. Das restliche Team ist in der Regel wohl mehr oder weniger austauschbar.
Realität? Na ja.
Auch ziemlich störend an den genannten Formaten ist, dass sie eben nicht die Realität widerspiegeln. Tattoos im Fernsehen bedeutet nämlich zu 90% Folgendes: Realismus. Gerade im künstlerischen Sinne ist Realismus wahrscheinlich der Stil, der am wenigsten Aussagekraft über die Tattooszene hat. Klar, handwerklich definitiv eine sehr anspruchsvolle Stilrichtung, aber kreativ ist das Ganze eher selten. Nur wenige Artists setzen sich wirklich hin und erstellen eigene Kollagen oder schießen ihre eigenen Fotos. Darüber möchten wir an dieser Stelle auch gar nicht urteilen, sondern lediglich bemängeln, dass die Tattooszene nicht mit Realismus abgespeist werden sollte.
Die Vielfalt der Stilrichtungen und der ganz eigenen Handschriften vieler Tätowierer*innen ist doch sicher gerade für themenfremde TV-Zuschauer*innen überraschend und interessant! Wir sind zumindest wirklich gelangweilt vom ständigen Fokus auf Realismus und “Tattoo Fails”. Auch andere Stile haben einen handwerklich hohen Anspruch und eignen sich sogar für die heiß geliebten Cover Ups der TV-Produzent*innen.
Rettung? Nein, danke.
Dass diese Sendungen tätowierten Personen und der gesamten Tattoo-Szene nichts Gutes tun, ist wohl sehr ersichtlich. Denn das unermüdliche Fokussieren auf Fehltritte, Jugendsünden und Aufgeilen an beschissenen Tattoos bedient Stereotype und Klischees. Dass einem guten Tattoo in der Regel kein schlechtes Tattoo vorangehen muss, wird komplett vernachlässigt. Lieber setzt man den Fokus wiederholt auf schlechte Arbeiten und “jugendlichen Leichtsinn”, denn das Leid anderer catched das Publikum einfach so schön! Anschließend können die Cover Up Profis noch als große Retter*innen inszeniert und glorifiziert werden. Wundervoller Plot twist, großes Drama, rührende Emotionen – 10/10, gerne wieder!
Das Fazit
Das eigentliche Problem ist wahrscheinlich, dass Tätowieren einfach nicht immer so action-geladen und emotional ist, wie das Fernsehen es gerne hätte. Eine reale Tattoo Session würde wohl nur wirklich Interessierte und kaum Schaulustige anlocken.
Am Ende bleibt also nur noch eins zu sagen: Lieber TV-Tattoo-Trash, vielleicht könntet ihr mal ein Cover Up gebrauchen. Oder wenigstens ein Touch Up.
Feelfarbig wird immer kostenlos bleiben!