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Lange Zeit galt der Beruf des Tätowierers als Männerdomäne. Doch mittlerweile sind auch zahlreiche Frauen im Tätowierhandwerk tätig. Wo sie früher meist nur als “hübsche Bedienung” hinter dem Tresen standen, nehmen sie mittlerweile die Tattoomaschine selbst in die Hand! Frauen arbeiten als Tätowiererinnen, eröffnen eigene Tattoostudios und sind aus der Szene auch nicht mehr wegzudenken.
Was jedoch unter Tätowiererinnen oder generell selbstständigen Frauen auch heute immer noch als Rarität gilt, sind Mütter. Ja, tätowierende Mütter – es gibt sie und es ist kein Ding der Unmöglichkeit. Wir haben zu dem Thema einmal mit der lieben Frau Katse gesprochen, die uns von ihrem Balanceakt zwischen dem Dasein als Tätowiererin und Mutter berichtet.
Seit acht Jahren ist sie bereits als Tätowiererin tätig und seit zwei Jahren ist sie außerdem noch Mama. So bewegt sie sich täglich zwischen zwei Welten hin und her, denen sie sich beiden mit Leidenschaft widmet. Im Folgenden schildert Frau Katse euch einmal, wie so ein Tag im Leben einer tätowierenden Mutter aussehen kann und wie sie das Ganze meistert. Aber gut anschnallen – das wird ein turbulenter Flug!
Planet Tattoo – Das Mutterschiff ist gelandet!
Ein liebevoller Kuss auf die Stirn des Kätzchens und „Rumms!“, die Tür der Kita fällt hinter Frau Katse ins Schloss. Zehn, neun, acht… Der Countdown läuft! Schnell ins Raumschiff und ab ins Studio, denn in einer Stunde wird schon ihr Kunde auf der Matte stehen.
Vorher muss sie sich jedoch noch durch den Meteoritensturm bis Barmbek kämpfen. Einkauf, Frühstück, Platzaufbau in ihrem Hamburger Tattoostudio “BLKLBR”. Die Transformation läuft… Noch dreimal tief durchatmen und schon ist sie in der zweiten Dimension angekommen: Planet Tattoo!
Sobald sie dort angekommen ist, widmet sie sich voll und ganz ihrer Arbeit: “Beim Tätowieren vergesse ich alles um mich herum. Dann tauche ich ein – in diese ganz konträre Welt von Kunst, Kommunikation und Konzentration!” Dass sie eigentlich mal als Illustratorin tätig war, sieht man ihren Tattoo-Arbeiten deutlich an. So verschmelzen bei Frau Katse Kinderbuch-Illustrationen und Tätowierungen in einem einzigartigen, erzählerischen Stil.
Eine passende Konstellation
Dass sie einmal Mama sein würde, hätte sie selbst nicht unbedingt gedacht: “Mein Lebensentwurf war eigentlich ohne Kind. Ich dachte, ich müsste zu viel meines bisherigen Lebens aufgeben und fand mich auch solo völlig vollständig. Aber irgendwie switchte dieses Gefühl dann doch noch kurz vor Toresschluss! [sie lacht ] Zum Glück, denn ich bin oberst verliebt in mein Kind! Und nach der anfänglichen Durststrecke des Ankommens auf dem Planet Mutter und der Abstinenz meiner sonstigen Interessen und Leidenschaften wie dem Tätowieren, bin ich nun voll und ganz wieder da – in beiden Welten!”
Für Frau Katse war es nie eine Option, das kreative Arbeiten als Tätowiererin aufzugeben: “Dieses andere, künstlerische Universum brauche ich ganz unbedingt für mein Seelenheil. Wenn das nicht aus mir raus darf, zerschnurzel ich zu einem unglücklichen Haufen. Genauso aber, wenn ich mein Kind nicht hätte. So halten sich bei mir diese beiden Seiten die Waage!” Das Tätowieren sieht Frau Katse nicht bloß als Job, sondern auch als lebensnotwendigen Output im kreativen wie im sozialen Kontext: “Der Umgang mit meinem Kunden und ihren Themen tut mir gut. Das befriedigt einfach mein Dasein als soziales Wesen. Es ist, als würde ich mich jeden Abend in einer Bar an den Tresen setzen und eine neue Person kennenlernen. Bei manchen kurz und bei manchen über viele verzierende Jahre!”
Flexibilität und Elternzeit
Frau Katse hat ein Jahr Elternzeit gemacht, da ihr Mann in seinem Job weniger flexibel sein konnte. “Leider!”, sagt sie, da die beiden es auch gerne anders gemacht hätten. Im Gegensatz dazu hat die Hamburger Tätowiererin Claudia Rivas mit ihrem Mann ein ganz anderes Modell leben können: “Die ersten drei Monate haben mein Mann und ich gemeinsam Elternzeit genommen. Danach habe ich montags, donnerstags und samstags angefangen zu arbeiten und er dienstags, mittwochs und freitags.”
So konnten Claudia und ihr Mann sich ihre Wochen gut aufteilen, damit beide sich um ihre Tochter kümmern können. Auch wenn der Arbeitsalltag sich verändert hat, funktioniert es für das Paar gut: “Als unsere Tochter noch sehr klein war, habe ich nur ein paar Stunden gearbeitet und dann wieder mehr Stunden, als sie älter wurde. Immer wenn ich arbeiten war, habe ich zwischen meinen Kunden eine Pause zum Abpumpen gemacht und die Muttermilch für die Vater-Tochter-Tage gekühlt. Obwohl ich Mama geworden bin, konnte ich auch dank meines Mannes, meiner Leidenschaft und Berufung weiter nachgehen. Durch diese ungewöhnliche Situation hat mein Mann nun auch schon eine sehr starke Verbindung zu unserer Tochter aufbauen können.”
Tätowierende Mütter? Keine Rarität mehr!
Mittlerweile sind schon einige Tätowiererinnen Mutter geworden – mit scheinbar steigender Tendenz. Denn immer mehr talentierte Frauen haben sich in dieser ehemaligen Männerdomäne einen Namen gemacht und einen Platz erarbeitet. Nur ein paar Beispiele für Frauen, die das Dasein als Tätowiererin und Mutter unter einen Hut bringen, wären Hanadi aus Hamburg, Léa Nahon aus Frankreich, Kirsten Grzeskowiak aus Düsseldorf oder Ann-Marie Kohlbecher aus Krefeld.
Frau Katse ist der Meinung, dass diese Entwicklung gerade online wenig Präsenz findet und ignoriert wird: “Vielleicht liegt es daran, dass Muttersein nicht dem bisherigen Bild einer Tätowiererin entspricht. Laut Klischee sollte man ja eher ikonenhaft cool, totenkopfverziert, evil und superhart sein.” So stieß sie während ihrer Schwangerschaft bei ihrer Recherche zum Thema auf ein riesiges schwarzes Loch: “Es war nicht möglich im Netz etwas über „Ich bin Tätowiererin UND werdende Mama” herauszufinden. Ich wollte gerne wissen, wie meine Kolleginnen es so hielten mit Mutterschutz, Hygiene, dicker Bauch am Kunden etc.” Wo die Suchmaschine nicht weiterhelfen konnte, tat es dann das soziale Umfeld: “Zum Glück kannte ich damals schon Claudi und konnte mich mit ihr austauschen. Ihre Tochter ist nur drei Monate älter als meine und mittlerweile sind wir richtig gute Freundinnen!”
Rückflug und Landung
Seitdem ihre Tochter in der Kita ist, ist für Frau Katse vieles einfacher geworden. Sie nimmt vorerst nur drei Kunden in der Woche an, welche sie vormittags von 10 bis 14 Uhr bemalen kann. An den anderen Vormittagen und auch abends, nachdem die Lütte im Bett ist, bereitet sie noch Entwürfe für kommende Tätowierungen vor.
Mit Warp 6 geht’s nach dem Tätowieren wieder zurück nach Altona – schnell etwas fürs Kätzchen kochen und dieses aus der Kita abholen. Denn nachmittags ist Kinderzeit – Ciao, Planet Tattoo und welcome back auf dem Mutterschiff!
Für mehr Präsenz!
Für Frau Katse funktioniert das Dasein als Mama mit ihrem Beruf als Tätowiererin ganz wunderbar. Natürlich ist es nicht immer einfach, aber da sie ihren Job und ihr Kind von Herzen liebt, findet sich für sie immer ein Weg. So wie sie meistern auch viele andere Tätowiererinnen das zusätzliche Dasein als Mutter, ohne ihren Beruf aufgeben zu müssen. Wir hoffen, dass das Thema “Tätowiererin und Mutter” in Zukunft mehr Aufmerksamkeit erhält und auch Tätowiererinnen mit Kinderwunsch so mehr Rückhalt in der Szene finden.
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