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Die meisten Künstler*innen, darunter auch viele Tätowierer*innen, lehnen KI-generierte „Kunst“ ab. Und das aus gutem Grund: generative KI schafft keine eigenen Ideen. Sie kann nicht kreativ sein, nichts originär erfinden, nichts aus einer inneren Intention heraus gestalten. Sie verarbeitet ausschließlich das, was Menschen bereits geschaffen haben – Kunst, die oft ohne Zustimmung der Urheber*innen in Trainingsdaten gelandet ist.

Umso erstaunlicher ist es, dass gerade diejenigen, die nicht selbst tätowieren, aber tagtäglich mit der Arbeit verschiedener Artists zu tun haben, immer häufiger auf KI-Bilder zurückgreifen: Buchverlage, Vereine und sogar Tattoo Conventions. Statt die Kunst zu zeigen, für die sie eigentlich stehen, veröffentlichen sie generierte KI-Motive, die zwar nach Tattoo aussehen sollen, aber nichts mit tatsächlicher künstlerischer Arbeit zu tun haben.

Weltweit, und auch in Deutschland, sieht man mittlerweile Tattoo Convention-Poster, die mit KI erstellt wurden. Dabei sind diese mal mehr, mal weniger offensichtlich KI-generiert.
Häufige Hinweise sind anatomisch seltsame Körper, künstlich wirkende Haut sowie symmetrische, verzerrte oder völlig bedeutungslose „Tattoo“-Muster. Eine Oberfläche, die nicht einmal vorgibt, echte Tattoo-Kunst zu zeigen.
Und da stellt sich uns die Frage: Wie kann man ein Event veranstalten, das von echter Tattoo-Kunst lebt und gleichzeitig damit werben, dass man diese Kunst nicht ernst nimmt? Wenn es auf einer Veranstaltung um Tattoos geht, dann zeigt doch bitte auch Tattoos oder Tattoo-Kunst und keinen KI-Slop. Hauptsache, es ist billig, schnell und ohne Mehraufwand – andere Gründe können wir uns nicht erschließen.

Die Menschen, von denen diese Veranstaltungen abhängig sind, sind Tätowierer*innen. Es sind ihre Arbeit und Kunst, wegen der überhaupt Menschen eure Convention besuchen.
Doch anstatt diese realen Artists zu repräsentieren und echte tätowierte Menschen oder Tattoo-Kunst als Aushängeschild zu wählen, nutzt man KI-Motive. Statt der Kunst echter Tattoo Artists eine Bühne zu geben, zeigt man künstliche Menschen mit wirren Fantasie-Mustern auf der Haut. Tattoos, die nicht existieren. Körper, die nicht existieren. Kunst, die niemand geschaffen hat.
Es gibt zum Glück aber auch zahlreiche Gegenbeispiele, die beweisen, dass es anders geht. Die Kaiserstadt Tattoo Expo Aachen arbeitet beispielsweise stets mit echten Tätowierer*innen zusammen – und entsprechend hochwertig sehen ihre Poster jedes Jahr aus. Es geht also. Man muss es nur wollen. Wer ein Tattoo-Event veranstaltet, sollte genau da investieren, wo es die größte Wirkung hat: in Tattoo-Kunst.

Solche Beispiele beweisen, dass es sich lohnt, authentische Tattoo-Kunst in den Vordergrund zu stellen. Es erfordert lediglich die Entscheidung, Künstler*innen nicht zu ersetzen, sondern zu unterstützen. Und genau das sollte der Anspruch jeder Plattform sein, die Teil der Tattoo-Szene sein will. Wer ein Tattoo-Event organisiert oder ein Tattoo-Buch herausgibt, trägt Verantwortung dafür, wie Tattoo-Kunst präsentiert wird.
Und letztlich geht es auch um Glaubwürdigkeit: Ein Event, das ohne echte Kunst wirbt, erweckt den Eindruck, dass es die eigene Szene nicht versteht – oder nicht wertschätzt. Wer hingegen mit realen Artists zusammenarbeitet, stärkt nicht nur die Community, sondern zeigt auch Wertschätzung gegenüber den Menschen, die diese Branche überhaupt möglich machen.

Nicht nur Conventions greifen zu KI-Tattoo-Bildern. Auch Buchverlage bringen „Tattoo-Jahrbücher“ mit KI-Covern heraus. Zumindest ein deutscher Tattoo-Verband, der sich für Tätowierende einsetzen möchte, veröffentlichte bereits Beiträge mit eindeutig KI-generierten Bildern.
Wir möchten uns nicht auf ein Podest stellen, geben keine Regeln vor und verstehen uns nicht als moralischen Kompass der Tattoo-Branche. Jedoch sind wir Teil der Branche, beobachten seit Jahren die verschiedensten Entwicklungen und haben natürlich auch eine Meinung zu vielen Dingen. Und beim Thema KI-„Kunst“ ist unsere Meinung ganz klar: Wenn ein kleines Drei-Personen-Team wie wir es schafft, auf KI-generierte „Tattoo-Kunst“ zu verzichten und reale Artists einzubeziehen, dann sollten andere das doch erstrecht schaffen.

Die Möglichkeiten, die man vor KI genutzt hat, bestehen doch weiterhin. Kostet es mehr Zeit? Ja. Und Mühe? Auch. Aber ist es das wert? Ja, eindeutig. Denn insbesondere als Plattform, die zumindest einen Teil der Tattoo-Szene repräsentiert, sollte man eben auch das tun: die Szene präsentieren.

KI-Bilder reproduzieren zudem häufig dieselben alten Klischees: halbnackte Frauen, unrealistische Körper, hypersexualisierte Posen. Nur dass es jetzt noch offensichtlicher nicht um Tattoos geht, sondern um den Frauenkörper, der mit generierten, bedeutungslosen Mustern beklebt wurde.
Tattoo-Kunst wird nicht gezeigt – sie wird ersetzt. Damit ist dieser Trend tatsächlich schädlicher, als es manche Trash-TV-Tattoo-Sendung es je war. Die mögen vielleicht einseitig sein und nicht die stilistische Breite der Tattoo-Kunst präsentieren, aber sie zeigen zumindest echte Tätowierungen.

Der Einsatz von KI-Bildern beim Thema Tätowierungen verändert womöglich auch langfristig die Wahrnehmung davon, was Tattoo-Kunst eigentlich ist. KI-generierte Körper und „Tattoos“, die es in der Realität nicht gibt: Haut ohne Poren, perfekte Symmetrien, unrealistische Farbverläufe, völlig schmerzfrei platzierte Motive oder anatomisch unmögliche Positionen.
Das Problem ist nicht nur ästhetisch – es ist irreführend. Menschen, die sich ein Tattoo stechen lassen wollen, bekommen so immer mehr eine falsche Vorstellung davon, wie tätowierte Haut überhaupt aussieht und was technisch überhaupt machbar ist. KI-Bilder verschieben Erwartungen und schaffen Illusionen, die oft kein Tattoo Artist erfüllen kann.
KI-Systeme entstehen auf Basis echter Kunst. Sie werden mit Arbeiten realer Tätowierer*innen und Illustrator*innen trainiert – häufig ohne Einwilligung, ohne Vergütung und ohne Anerkennung.
Wenn nun gerade diejenigen, die von Tattoo-Kunst wirtschaftlich profitieren, also Convention-Veranstalter, Verlage, Vereine oder Magazine, ausgerechnet auf KI-Bilder zurückgreifen, entwerten sie menschliche Kreativarbeit und ersetzen die Kunst, auf der ihre gesamte Branche fußt, durch synthetische Oberflächen.

Damit normalisieren sie in der Öffentlichkeit einen Standard, der realen Tattoos nicht gerecht wird. Je häufiger KI-Bilder für Poster, Bücher oder Werbung genutzt werden, desto stärker rückt die Vorstellung in den Vordergrund, dass Tattoos „glatt“, „perfekt“, „symmetrisch“ und völlig frei von Hautstruktur sein müssten. Das führt nicht nur zu irritierten Kund*innen, es erschwert auch die Arbeit von Tätowierer*innen, die nun gegen noch unrealistischere Erwartungen ankämpfen müssen.
Gleichzeitig schwächt diese Entwicklung das Vertrauen in die Szene selbst. Wenn Branchenakteure lieber KI nutzen, statt mit realen Tätowierer*innen zusammenzuarbeiten, senden sie die Botschaft: Echte Tattoo-Kunst ist ersetzbar. Das untergräbt Sichtbarkeit, Auftragschancen und Anerkennung für Artists und schadet damit genau den Menschen, ohne die es Tattoos überhaupt nicht gäbe.

Wir können den Trend nicht aufhalten. KI wird bleiben. Aber wir können entscheiden, ob und wie wir sie nutzen – und wo wir bewusst darauf verzichten.
Wer Bücher, Magazine, Vereine, Social-Media-Kanäle oder Conventions betreibt und sich als Teil der Tattoo-Branche sieht, sollte diese Szene nicht schwächen, indem man kreative Arbeit und echte Menschen durch KI-Slop ersetzt. Denn wer ein Tattoo-Event oder ein Tattoo-Buch mit generierten Tattoo-Bildern schmückt, vertritt die Branche nach außen hin mit einem falschen Bild.
Die Tattoo-Szene lebt von Authentizität, Kreativität und Handwerk. KI-Bilder sind das genaue Gegenteil: künstlerisches Fast Food. Austauschbar. Bedeutungsarm.
Am Ende ist es ganz einfach: Wenn es um Tattoos geht, dann zeigt Tattoos. Zeigt Künstler*innen. Zeigt echte Arbeit.