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Tamy F.
Die 22-jährige Tamy F. (@dkla_) studiert momentan Kunstwissenschaft und Anglophone Studien und kellnert nebenbei noch. Ihr Herz schlägt besonders für Katzen, Pflanzen – und natürlich Tattoos! Die Liebe zu Letzterem kann sie ab diesem Jahr auch voll ausleben, wenn sie endlich ihre Ausbildung zur Tätowiererin startet. Hier erzählt sie uns heute davon, wie sie und ihre Zwillingsschwester mit 16 ihr erstes Tattoo bekamen, wie Menschen auf ihr Gesichtstattoo reagieren und wie sie die Tattoo-Szene wahrnimmt.
Hey Tamy, wann hast du dir dein erstes Tattoo stechen lassen und wie kam es dazu?
Mein erstes Tattoo habe ich schon mit 16 Jahren bekommen. Schon mit 14 wollten meine Zwillingsschwester und ich unbedingt ein Tattoo, da meine Mama schon immer sehr stark tätowiert war. Sie meinte damals, dass wir zu unserem 16. Geburtstag jede ein Tattoo bekommen würden, aber nur an einer Stelle, an der man es nicht so sieht (Nacken). Als die zwei Jahre vorbei waren, haben wir unseren Wunsch dann erfüllt bekommen, sind zu einem Tätowierer meiner Mama gegangen und haben uns beide unser erstes Tattoo abgeholt.
Mein Wunschmotiv war ein etwa handgroßer Wolfskopf mit blauen Augen. Beim Tätowieren habe ich irgendwann angefangen zu weinen, weil es so weh tat. Leider war das Tattoo im Endeffekt nicht wirklich gut und schön gestochen. Bereut habe ich es aber nie, es hat mir allerdings irgendwann gar nicht mehr gefallen und wurde dann letztes Jahr mit einem vollen Backpiece von Robin Kemper gecovert.
Vorab hast du uns erzählt, dass deine Mutter schon seit deiner Kindheit von Kopf bis Fuß tätowiert ist. Habt ihr deswegen früher mal komische Reaktionen bekommen und wie war das für dich als Kind?
Eine tätowierte Mutter zu haben war früher eigentlich nichts Ungewöhnliches für mich. Ich kannte es ja nicht anders und fand schon immer, dass es einfach wundervoll aussieht! Meine Schwester und ich haben es auch gemocht mit Mama zu ihren Terminen zu fahren und dort zuzuschauen. Das war immer total spannend für mich, weshalb ich jetzt wohl auch zum Tätowieren und generell früh zum Zeichnen gekommen bin.
Einmal, da werde ich mich wohl immer dran erinnern, durften meine Schwester und ich wieder mit zu einem großen Tattoo-Termin. Wir waren so um die 14 Jahre alt und durften unserer Mutter zwei kleine „Sparkle“ auf ihren Arm tätowieren. Die sehen natürlich nicht wunderschön aus, aber meine Mama liebt sie und das ist die Hauptsache!
Komische Reaktionen gab es leider einige, da mein Heimatdorf ziemlich konservativ ist. Ich erinnere mich daran, dass meine Mama nie gerne zu Elternabenden gegangen ist, weil die anderen Eltern sie immer seltsam angestarrt haben. Da gab es auch mal eine Situation, bei der eine Lehrerin zu ihr meinte, dass sich die „Aura ihrer Kinder“, weil wir damals schwarz gefärbte Haare hatten, auf die anderen Schüler übertragen würde und wir doch besser auf einer anderen Schule aufgehoben wären. Das ist schon ziemlich dreist, wie ich finde. Hat meine Mama aber zum Glück nie interessiert und sich auch nie zu Herzen genommen.
Gibt es ein Motiv, das du dir unbedingt noch stechen lassen willst? Oder einen Tattoo Artist du dir unbedingt ein Tattoo abholen möchtest?
Ich würde unglaublich gerne ein Tattoo von Friedrich Übler haben. Seine Arbeiten sind wunderschön und seine Schattierungen herrlich sanft. Das steht auch definitiv noch auf meiner To-Do-Liste! Außerdem liebe ich so gut wie alle Arbeiten von Konstanze K und hätte auch gern ein Tattoo von ihr! Zudem stehen auch noch Tattoos von Lucas Wagner, Aimee Cornwell und Bodine Ester auf meiner Liste. Mein Platz ist aber leider schon begrenzt…
Hast du ein Lieblingstattoo an dir? Welches ist es und warum?
Ich mag alle meine Tattoos. Es ist deswegen wirklich schwer für mich nur eines auszuwählen. Ich mag meine Athene auf dem Rücken von Robin Kemper zum Beispiel sehr. Aber auch Jerome, die böse Katze auf meinem linken Bein von Martin Lionheart, und meinen Glücksbringer-Tiger-Daruma auf meinem rechten Bein von Mike Ldz mag ich echt gerne!
Mein liebstes muss für diese Auswahl wohl das Tribut an meine Uroma sein. Es ist von Georg Faust gestochen und das Motiv ist Hedwig – die Eule von Harry Potter. Meine Uroma ist vor einigen Jahren verstorben und wir standen uns sehr sehr nahe. Ihr Name war Hedwig und wir nannten sie immer Oma Eule, weshalb ich dieses Motiv ausgewählt habe. Und Georg hätte es nicht noch schöner tätowieren können! Ich liebe es unglaublich doll und meine Oma würde es auch lieben.
Was macht für dich persönlich ein gutes Tattoo aus? Kommt es dir eher auf die Bedeutung oder die Ästhetik an?
Ich finde auf eine Bedeutung wird viel zu viel Wert gelegt und verstehe nicht, wieso so viele meinen, dass ein Tattoo eine Bedeutung haben muss. Die Bedeutung, dass es einem selbst einfach gut gefällt, finde ich mehr als ausreichend.
Ein gutes Tattoo ist für mich ein Motiv, welches sich dem Körper anpasst und dessen Position passt. Natürlich sollte es gut und sauber gestochen sein und die Farben flächig decken und angepasst auf das Motiv gewählt werden. Wenn es dann noch zusätzlich eine Bedeutung für den Tätowierten hat, ist das toll, aber ich würde es nicht als Voraussetzung für ein gutes Tattoos sehen.
Wirst du aufgrund deiner Tattoos oft falsch eingeschätzt?
In meinem Nebenjob als Kellnerin habe ich sehr viel mit Menschen zu tun. Unser Restaurant ist sehr offen und alternativer als so manch andere Örtlichkeit, weshalb man als Kunde erwarten könnte auf tätowierte Kellner zu treffen. Dennoch werde ich während meiner Schichten unzählige Male, vor allem wegen meines Gesichtstattoos, angesprochen.
Ich habe oft das Gefühl, dass Menschen mich zuerst falsch einschätzen – auch auf der Straße, in der Bahn etc. Ich glaube, andere denken oft, ich sei nicht freundlich oder nett oder zuvorkommend. Das ist allerdings nicht der Fall, denn ich bin gar nicht arrogant oder eingebildet und beiße auch nicht, nur weil mein Gesicht zwei Tattoos zieren.
In meinem Heimatdorf bekomme ich auch immer sehr seltsame Blicke zugeworfen und manchmal habe ich das Gefühl, dass die Menschen Angst vor mir haben, was ja völlig unbegründet ist. Ältere Menschen hingegen sind oft total begeistert und unterhalten sich sehr interessiert mit mir über Tattoos. Das ist dann immer ganz spannend zu hören, wenn zum Beispiel ein 60+ Jahre alter Mann dir erzählt, was er gerne für Tattoos hätte.
Wie findest du den Umgang der Medien mit dem Thema Tattoo?
Heutzutage gehen die Medien ja allgemein offener mit Tätowierten um. Ich denke allerdings, dass man in der Werbung oft einfach tätowierte Menschen zeigt, um zu sagen „Hey, schaut mal wie offen und modern wir sind! Unsere Models sind tätowiert!“ Hinzu kommt, dass viele Klischees bedient werden (Rocker müssen tätowiert sein,..) oder die Tattoos gar nicht echt, sondern aufgemalt sind. Für die Zukunft wünsche ich mir da einfach mehr Realität und auch Authentizität.
Nun fängst du ja demnächst selbst eine Ausbildung zur Tätowiererin an. Wie empfindest du die Tattoo-Szene aktuell, fühlst du dich dort wohl oder wünschst du dir Veränderungen?
Ich bin mittlerweile gute zwei Jahre in der Szene so richtig drin und fühle mich ziemlich wohl. Man ist sozusagen in einer riesigen Familie und lernt unheimlich viele liebe Menschen kennen. Man kann sich innerhalb der Szene über vieles austauschen, sein Wissen immer erweitern und oft Neues dazulernen. Meine Tätowierer geben mir viele wertvolle Tipps für den Anfang der Ausbildung, was mich etwas beruhigt, da ich doch schon sehr aufgeregt bin. Ich kann es kaum abwarten ein „richtiges“ Mitglied der Familie zu werden.
Was bedeutet Kunst für dich und würdest du Tattoos dort hinzuzählen?
Kunst ist für mich alles Mögliche, solange man mit Leidenschaft und Kreativität dabei ist. Also zählen Tattoos definitiv dazu! Man kann sich bei Tattoos komplett frei entfalten und seiner Kreativität freien Lauf lassen. Mir hilft das Zeichnen auch beim Abschalten, was für mich irgendwie auch einen therapeutischen Zweck hat. So entstehen die wunderschönsten Motive und ich liebe es aus einer Idee in meinem Kopf ein „lebendiges“ Motiv zu machen, das sich Leute dann auch noch stechen lassen wollen!
Das war’s auch schon. :) Danke, dass du dir Zeit für uns genommen hast!
Gerne und danke, dass ihr mir Fragen geschickt habt! :)
Tamy trägt Kunstwerke von Jen Tonic, Robin Kemper, Isa Schürholz, Martin Lionheart, Mike Ldz, Julius Baum, Georg Faust, Anke Reinard und Priscilla Pandemonia.