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Für die erste Ausgabe unserer Reihe “Kunstsammler” haben wir uns mit der lieben Lisa Pauli @lisa_herzdame aus Bochum unterhalten. Die 26-jährige Fachgesundheits- und Krankenpflegerin für Anästhesie- und Intensivpflege erzählt von ihren Erfahrungen mit Tattoos und ihrem Alltag als tätowierte Frau. Außerdem hat sie auch ein paar gute Ratschläge für Anfänger parat!
Hey Lisa, fangen wir doch mal ganz vorne an: Wann hast du deine ersten Tattoo-Erfahrungen gesammelt?
Ich war 16 Jahre und bin direkt (mit Erlaubnis meiner Eltern) in die erstbeste Tattoobude gerannt, um mir einen Nautical Star stechen zu lassen. Ich hab mich dummerweise überhaupt nicht informiert, aber war anfänglich mit meinen “supersüßen 16” total begeistert. Das Ding ist natürlich krumm und schief. Und bold line ist dagegen echt ne schmale Linie. Alles in Einem, eine total überflüssige Nummer…
Das passiert den Besten. :) Gab es denn einen bestimmten Grund für das erste Tattoo?
Damals fing ich an „alternativer“ zu werden und nicht mit dem Strom zu schwimmen. Ich wollte eine Grenze überschreiten.
Warum wurde es denn ein nautischer Stern?
Das Motiv an sich ist relativ zeitlos – auch wenn es mal mehr und mal weniger Aufmerksamkeit bekommt. In dem Laden, wo ich es hab machen lassen, würden mich allerdings keine zehn Pferde mehr bekommen. Es gab keine Beratung, keine Pflegehinweise und und und… Aber zum Glück wird der Stern demnächst von Friedrich Übler im Rahmen eines Frontpieces gecovert!
Okay, also leider hast du am Anfang relativ schlechte Erfahrungen gemacht. Hast du denn Tipps für Anfänger, welche sie beachten sollten?
Ja, auf jeden Fall: Lasst euch Zeit! Wartet lieber ein wenig länger, wenn ihr euch unsicher seid. Geht auf keinen Fall in den erstbesten Laden und lasst euch was stechen. Informiert euch über die verschiedenen Stilrichtungen und wo ihr einen entsprechenden Artist findet. Selbst wenn dieser seinen Arbeitsplatz weiter weg hat: Rein in die Bahn und ab geht die Post.
Ein gutes Tattoo sollte meiner Meinung nach nicht vom Preis abhängen. Tätowierungen sind ein tolles Handwerk und verkörpern Kunst. Wer mit 50 Euro Tattoos wirbt, ist meiner Meinung nach nicht ganz koscher. Lieber ein halbes Jahr auf seinen Termin warten, als morgen das erstbeste Tattoo zu bekommen und hinterher unglücklich zu sein. Tattoos halten ein Leben lang und sollten uns ein Leben lang glücklich machen – da kann man ruhig mal ein paar Tage warten. Es lohnt sich!
Und wie steht’s mit Fehlern deinerseits, die andere vermeiden sollten?
Da ich es unbedingt durchziehen wollte, habe ich mir mal drei Tattoos in sechs Tagen stechen lassen. Danach bin ich natürlich krank geworden, weil es einfach viel zu viel für meinen Körper war. Lasst das lieber bleiben!
Guter Rat! Aber kommen wir mal zu positiveren Dingen: Hast du ein Lieblingstattoo an dir?
Puh. Ein Lieblingstattoo habe ich wirklich nicht. Ich habe so viele tolle Tattoos, von so vielen verschiedenen Artists, da ist es mir wirklich nicht möglich eins herauszupicken. Ich mag allerdings meine Knie, gestochen von Tobias Tietchen echt sehr gerne und mein neues Palm Tattoo von Mark Halbstark.
Aber wenigstens einen Lieblingsstil hast du doch bestimmt! :)
Am liebsten mag ich Neotraditionals und Traditionals. Die Motive mögen sich sicherlich ähneln. Bei Neotraditional Tattoos gefallen mir vor allem die ganzen Details: Das Extravagante, die Filigranität, die Farbgestaltung. An Traditionals beeindruckt mich wiederum das genaue Gegenteil: Das etwas „stumpfe“, vereinfachte Design mit kräftigen Linien. Das Motiv besticht durch seine Klarheit und beeindruckt mit groben Farbübergängen und sieht wahrscheinlich auch in 20 Jahren noch super aus.
Hast du schon einmal negative Erfahrungen aufgrund deiner Tattoos sammeln müssen?
Unangenehm, besser gesagt “echt fehl am Platz”, war die Aussage einer Arbeitskollegin. Sie behauptete, ich sei selbstzerstörerisch und müsse zum Psychologen. Es sei ja schließlich nicht normal, sich freiwillig solchen Schmerzen auszusetzen.
Ohje… Ja, manche Menschen haben leider immer noch viele Vorurteile… Wurdest du auch schon mal schief angesehen? Zum Beispiel bei ganz Alltäglichem wie dem Warten an der Kasse im Supermarkt.
Ja, ich glaube das kennen wir aber alle. Ob es tatsächlich deswegen war, weil ich so furchtbar kriminell aussehe, glaube ich aber nicht. Tatsächlich denke ich eher, dass man an der Kasse angeschaut wird, weil die Menschen warten und somit ausreichend Zeit haben, alle anderen zu begutachten. Als Tätowierter oder stark tätowierter Mensch fällt man natürlich eher auf. Aber es schauen ja auch nicht alle böse oder kritisch – viele sind ja einfach nur interessiert. Und das ein oder andere Mal bekommt man sogar als krimineller Tätowierter an der Kasse ein Kompliment.
Mich nervt es aber generell, in irgendeine Schublade gesteckt zu werden, weil man ja nicht „normal“ ist. Was ist schon normal? Und wie soll den ein normales Individuum aussehen? Das ist doch absurd und im Jahre 2017 echt überflüssig. Tattoos sagen nichts über Vorstrafen, Fähigkeiten oder finanziellen Status aus.
“Wenn das Portmonee mitspielt, fahr ich für ein Tattoo auch bis ans Ende der Welt!”
Aber zum Glück erlebt man als tätowierter Mensch ja auch schöne Geschichten. Erzähl uns deine!
Eins meiner schönsten Erlebnisse war, als mein Vater, der immer gegen das tätowieren war und mich so so oft gefragt hat, warum ich so anders sein muss, gesagt hat: „Das ist ja Kunst, die du da trägst!“
Darüber hinaus können sich sogar Freundschaften entwickeln: So richtig mit Tattoos habe ich mich beschäftigt, nachdem ich mir einen Sleeve von Karo Dame hab machen lassen. Davor war ich echt noch grün hinter den Ohren und hatte von so ziemlich nichts eine Ahnung. Mit Karo bin ich bis heute gut befreundet. Damals war sie noch im New Hope Tattoo Club (heute: Eine Liebe Tätowiergeschäft) in Bochum. Mittlerweile lebt sie in Heidelberg und arbeitet im Anarchist Tattoo Collective. Heute wohne ich über dem Studio in Bochum und pflege mit den Dreien (Salle, Andre und Paula) ne tolle Freundschaft. Salle hat mir auf die rechte Hand eine Bombe mit „NHTC“ tätowiert. Ich bin echt dankbar für die entstandenen Freundschaften. Das hat meinen Horizont definitiv enorm verändert und auch menschlich sind alle ganz furchtbar liebenswert.
Karo hat mich damals Jens Amhäuser vorgestellt, der mittlerweile einer meiner besten Freunde ist. Auch Jens hat mir viel beigebracht und mich echt geprägt, durch das ganze Wissen.
Tätowieren verbindet – und ich durfte dadurch schon so so so viele tolle Menschen kennenlernen, für die ich unfassbar dankbar bin.
Supercool! Und wie sieht es in deinem restlichen Umfeld aus?
Mein damaliges Umfeld war tatsächlich kaum tätowiert. Mittlerweile hat sich mein Umfeld stark geändert und ich bin natürlich nicht die Ausnahme. Ich habe tatsächlich sehr, sehr viele Freunde, die ebenfalls tätowiert sind. Neben manchen fühl ich mich sogar manchmal echt „untätowiert“.
Hehe, ein bisschen Platz sollte man sich doch immer für Traumtätowier aufsparen.
Auf jeden Fall! Wenn das Portmonee mitspielt, fahr ich für ein Tattoo auch bis ans Ende der Welt! Ich will unbedingt noch zu Toni Donaire aus Barcelona und Cedric Weber aus Essen (bei letzterem ist es im März auch endlich soweit).
Und was wird niemals auf deiner Haut landen?
Namen. Ich würde mir niemals einen Namen tätowieren lassen, einfach aus zu viel Angst vor der Vergänglichkeit. Man weiß nie, ob man sich nicht doch mal zerstreitet oder oder oder… Ich bin echt dankbar, dass ich bisher keins habe, welches mich an einen Verflossenen erinnert.
Sehr gut, davon raten wir auch ab. Hast du auch eine No-Go Stelle?
Haha, vielleicht die Nasenspitze! Im Ernst: Tatsächlich habe ich kein absolutes Tabu. Ehrlich gesagt habe ich sogar all meine Tabus von früher (Hals, Hände) mittlerweile gebrochen. Selbst an Schläfen zum Beispiel habe ich schon schöne Tattoos gesehen.
Zum Abschluss noch eine Frage, die häufig zum Diskurs führt: Sind Tattoos für dich Kunst?
Alles ist Kunst – alles auf seine eigene Art und Weise. Gegenstände, schöne Momente des Lebens, Emotionen, Gefühle. Genauso wie Tattoos. Kunst kann man nicht beschreiben, man wird einfach nicht die passenden Worte dafür finden. Jeder interpretiert Kunst anders. Ein Leben ohne Kunst ist unmöglich. Wie soll ein Mensch ohne Emotionen und Gefühle leben können? Ohne Träume und Fantasie? Ohne Farben? Auch in Tattoos steckt viel mehr als nur eine Idee. Emotionen, Gefühle, eine Geschichte, eine Lebenseinstellung oder das einfache Gefallen. Wie sähe ein Tattoo ohne Kunst aus?
Ein tolles Schlusswort. Vielen lieben Dank, dass du dir die Zeit genommen hast!
Hat Spaß gemacht. Ich danke auch!
Lisa trägt unter anderem Kunstwerke von folgenden Tätowierinnern und Tätowierern auf der Haut: Karo Dame, Jens Amhäuser, Tobias Salewski, Andre Sager, Tobias Tietchen, Klaus Kummer, Joscha Johnson, Friedrich Übler
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