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Vor wenigen Tagen wurde von einer Forschungsgruppe der schwedischen Universität in Lund eine neue Studie veröffentlicht, die das Thema Tattoos und Krebs behandelt. Genauer gesagt untersuchten sie den möglichen Zusammenhang zwischen Tätowierungen und dem Auftreten einer bestimmten Krebsart, dem Lymphom. Neben einigen Panik schürenden News-Artikeln, welche bestimmte Aspekte der Studie außer Acht lassen, meldeten sich auch Forscher*innen mit ihrer kritischen Einschätzung des Ganzen zu Wort.
Forschung zu Tattoos und Krebs – der aktuelle Stand
Erst Anfang Mai 2024 erschien in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift “Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology” ein Review-Artikel, der die Erkenntnisse zum Thema Tätowierungen aus den vergangenen Jahrzehnten zusammenfasst. Die Liste der Autor*innen, die an diesem Übersichtsartikel mitgewirkt haben, beinhaltet einige bekannte Namen, die schon länger Forschung zu Tattoos betreiben.
Während der Artikel die zahlreichen Aspekte des Tätowierens aus medizinischer und toxikologischer Sicht beleuchtet, behandelt ein Abschnitt auch explizit das Thema Tattoos und Krebs. Dort steht, dass die Angst davor, dass Tattoos zu Krebs führen, schon lange besteht, es jedoch bis heute keine eindeutigen Beweise für einen Kausalzusammenhang gibt.
Generell gibt es kaum Daten zu den Langzeiteffekten, die Tätowierungen auf die Gesundheit derjenigen haben könnten, die sie tragen.
Bisherige Studien sind wenig aussagekräftig
Bei vielen der bisher veröffentlichten Studien zu Tattoos und Krebs handelt es sich um Fallstudien, die immer nur einzelne Patient*innen behandeln. Diese Fallbeispiele können zwar die Forschung auf dem Gebiet in eine Richtung anstoßen, jedoch keine auf die Allgemeinheit übertragbaren Ergebnisse liefern.
Bisher gibt es nur zwei sogenannte Fall-Kontroll-Studien mit größerer Anzahl an Teilnehmenden, welche den Zusammenhang zwischen Tattoos und Krebs untersucht haben. Aufgrund methodischer Schwächen sollen diese jedoch laut den Autor*innen nicht zu aussagekräftigen Ergebnissen gekommen sein.
Die Forschung zu Tattoos schreitet voran
Mittlerweile sind größere nationale Kohortenstudien auf den Weg gebracht worden, um die möglichen Zusammenhänge von Tätowierungen und bestimmten Krankheiten, wie Krebs, zu untersuchen.
So werden nun beispielsweise in Deutschland und Frankreich eine große Menge an Patientendaten gesammelt, um daraus später aussagekräftige Schlüsse ziehen zu können. Daran sind auch Institutionen wie die Internationale Agentur für Krebsforschung und das Deutsche Krebsforschungszentrum beteiligt. Ergebnisse werden diese Kohortenstudien jedoch erst in 10 bis 20 Jahren liefern können.
Die neue Tattoo-Krebs-Studie aus Schweden
Da das Thema Tattoos und Krebs bisher noch nicht ausreichend erforscht ist, sind neue Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet natürlich immer begrüßenswert. Besagte neue Studie wurde im Journal “eClinicalMedicine” veröffentlicht und trägt übersetzt den Titel “Tattoos als Risikofaktor für bösartige Lymphome: eine populationsbasierte Fall–Kontroll-Studie.” Unter den Begriff Lymphom fallen alle chronischen Vergrößerungen oder Schwellungen der Lymphknoten sowie Tumore des Lymphgewebes.
Verschiedene Nachrichtenportale haben die Studie aufgegriffen und brisante Schlagzeilen produziert. Darunter befinden sich Titel wie “Studie: Tätowierungen erhöhen Krebsrisiko um ein Fünftel” oder “Tätowierungen verursachen Blutkrebs – Studie zu Lymphomen schlägt Alarm”. Das klingt erst einmal so, als wären Tattoos in dieser Studie als eindeutige Ursache für die Entstehung von Krebs nachgewiesen worden, doch ist das wirklich der Fall?
In ihrer Studie haben es die Autor*innen selbst zumindest nicht so dargestellt. Stattdessen kommen sie letztlich zum Fazit, dass ihre Studie lediglich ein Hinweis auf die Möglichkeit von Tattoos als Risikofaktor für bösartige Lymphtumore sein könnte. Eine Aussage zu einem generellen Krebsrisiko treffen sie überhaupt nicht – es geht ausschließlich um Krebsformen, die das Lymphsystem betreffen.
Außerdem betonen sie in ihrer Veröffentlichung, dass weitere Forschung notwendig ist, um einen Kausalzusammenhang feststellen zu können. Das bedeutet, dass sie in ihrer Studie nicht zeigen konnten, dass Tattoos eine Ursache für das erhöhte Auftreten von Lymphkrebs sind.
Höheres Krebsrisiko durch Tattoos nun bewiesen oder nicht?
Prof. Dr. Hengstler, Leiter der Projektgruppe Systemtoxikologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung in Dortmund, hat sich in einem Gespräch mit ntv/RTL zu genau dieser Studie geäußert. Er sagt, es wäre falsch, nun zu behaupten, dass tätowierte Personen mit 20 % höherer Wahrscheinlichkeit diese Lymphtumore bekommen würden.
Er begründet dies vor allem mit der mangelnden statistischen Aussagekraft der Studienergebnisse: “Es gibt einen großen Fehlerbereich, der die Möglichkeit einschließt, dass es gar keinen Effekt geben könnte.” Aufgrund dieser hohen statistischen Unsicherheit könnte man keine eindeutigen Schlüsse ziehen.
Dieser Punkt wurde auch nochmal von Dr. Nicolas Kluger aufgegriffen, der selbst zahlreiche Artikel zum Thema Tattoos veröffentlicht hat. Auch er hält die errechneten Werte aufgrund der fehlenden statistischen Signifikanz nicht für aussagekräftig.
Zudem könnte die Studie trotz Berücksichtigung einiger Aspekte, wie das Alter oder Rauchverhalten der Proband*innen, andere wichtige Faktoren vernachlässigt haben, die zur Entstehung oder Entwicklung von Krebs beitragen. Beispiele hierfür wären Umwelteinflüsse, wie Sonnenstrahlung oder Luftqualität, virale Infektionskrankheiten sowie ein genetisch bedingt erhöhtes Krebsrisiko.
Somit stellen die Autor*innen der Studie zwar die Möglichkeit in den Raum, dass Tätowierungen das Risiko für bösartige Lymphome um 20 % erhöhen könnten, betonen jedoch zeitgleich, dass hier kein Kausalzusammenhang hergestellt werden konnte und es weiterer Forschung zum Thema bedarf, um eine solche Aussage treffen zu können.
Keine Panik, aber Bewusstsein
Am Ende sind die genauen gesundheitlichen Risiken und Langzeitfolgen von Tätowierungen auch heute noch schwer einzuschätzen. Die aktuelle Datenlage ist recht überschaubar und besonders an aussagekräftigen Kohortenstudien mangelt es. Erfreulicherweise schreitet die Forschung im Bereich Tattoos jedoch stetig voran und liefert immer wieder neue Erkenntnisse.
Zu dem Risiko von Infektionen oder dem Auftreten von Allergien durch Tätowierungen ist beispielsweise schon etwas mehr bekannt. Das liegt vermutlich daran, dass sich hier Tattoos als Ursache für das Auftreten bestimmter Symptome leichter identifizieren lassen, als bei Erkrankungen wie Krebs, die sich gegebenenfalls über große Zeiträume hinweg entwickeln und zu unterschiedlichen Zeitpunkten diagnostiziert werden.
Abschließend lässt sich also nur festhalten, dass Tattoos weiterhin einige bekannte und sehr wahrscheinlich auch unbekannte Risiken bergen. Als Tattoo-interessierte Person sollte man sich dessen bewusst sein. Ob Tattoos jedoch wirklich das Krebsrisiko erhöhen, ist weiterhin nicht bewiesen und die Forschung wird erst in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten weitere Erkenntnisse dazu liefern können.
- Giulbudagian M, Battisini B, Bäumler W, et al. Lessons learned in a decade: Medical-toxicological view of tattooing. J Eur Acad Dermatol Venereol. Published online May 6, 2024. doi:10.1111/jdv.20072
- Kluger, N. Instagram-Beitrag. Veröffentlicht am 30.05.2024. Zuletzt abgerufen am 31.05.2024
- Lund University (2024) Possible association between tattoos and lymphoma revealed. Veröffentlicht am 24.05.24 auf der Website der Universität Lund. Zuletzt abgerufen am 31.05.2024.
- Nielsen, C., Jerkeman, M., & Jöud, A. (2024). Tattoos as a risk factor for malignant lymphoma: a population-based case–control study. EClinicalMedicine, 72, Article 102649. doi:10.1016/j.eclinm.2024.102649
- Nyarsik, H. Studie Untersucht Zusammenhang: Tattoos könnten Krebsrisiko deutlich erhöhen. Veröffentlicht am 29.05.2024 auf der Website von ntv. Zuletzt abgerufen am 31.05.2024
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