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Das Arbeitsverbot durch die Pandemie beeinträchtigt nicht nur Tattoo Artists, sondern auch diejenigen, die es werden wollen. Gerade zu Anfang lernt man als Tattoo Apprentice so viel nur durch Übung und von seinen Kollegen. Ob durch zuschauen, nachfragen, Kundenberatung oder die ersten Tätowierungen. Es ist wichtig, kontinuierlich zu lernen, um Sicherheit und Vertrauen in das eigene Handwerk und seine Kommunikationsfähigkeiten zu bekommen.
Viele Dinge sind durch die aktuelle Lage nicht möglich und nicht nur das Handwerk, sondern auch die finanzielle Zukunft, ist gerade schwer zu planen. Neben den negativen Auswirkungen können Tattoo-Azubis der Situation aber auch etwas Positives abgewinnen. Wie das geht und was trotzdem fehlt, erzählt uns Alina, die vor Kurzem ihre Ausbildung begonnen hat.
Wann und wo hat deine Ausbildung begonnen?
Alina: Die Ausbildung hat im Herbst letzten Jahres begonnen – allerdings mit anfänglichen Schwierigkeiten. Also auch noch gar nicht mal so lange. Zu dem Zeitpunkt habe ich noch 120 km vom Studio entfernt gewohnt und musste ständig hin- und herpendeln. Ich war mitten in der Ausbildung zur Altenpflegerin und irgendwie hat das beides parallel nicht so funktioniert, wie ursprünglich geplant.
Die Ausbildung habe ich bei Benni Gies begonnen. Anfangs habe ich erstmal nur viel gezeichnet, vor allem Flash Sheets. Aber wie gesagt hat das zeittechnisch leider einfach nicht sein sollen.
Also habe ich mich Ende letzten Jahres dazu entschlossen, das Tätowieren der Altenpflege vorzuziehen und die Ausbildung in der Pflege vorzeitig zu beenden. Ende des Jahres bin ich dann nach Hürth gezogen und von da an hat mein Freund Benne Clarus die Ausbildung übernommen. Seitdem arbeite ich neben der Ausbildung zur Tätowiererin nur noch Halbzeit in der Altenpflege, um etwas mehr Zeit für die Tattoo-Ausbildung zu haben. Relativ zeitnah habe ich dann auch mal auf einem Gummiarm geübt, um überhaupt ein Gefühl dafür zu bekommen.
Mein erstes Tattoo habe ich dann auf Benne gestochen und danach war ich zweimal mein eigenes Testobjekt. Anschließend kamen erstmal Bekannte bzw. Freunde von mir dazu. Danach sollte es eigentlich richtig losgehen, ich hatte schon viele Termine vereinbart, aber aufgrund der aktuellen Situation wurde daraus bisher leider nichts.
Hast du das Gefühl, dass dir wichtige Zeit genommen wird, die du gerade am Anfang brauchst, um von deinen Kollegen*innen zu lernen?
Alina: Auf alle Fälle. Das bringt meinen Plan völlig durcheinander. Gerade am Anfang ist es wichtig am Ball zu bleiben, um etwas Routine zu bekommen. Ab Juni arbeite ich nicht mehr in der Pflege, ab da wollte ich mich voll auf das Tätowieren konzentrieren. Außerdem ziehen wir auch nach Schwerte, sowohl privat als auch mit dem Shop. Also gab es da jetzt so oder so kein Zurück mehr, was meinen Job als Altenpflegerin angeht.
Sollten wir im neuen Shop immer noch nicht wieder arbeiten dürfen, muss ich in Betracht ziehen, mir doch wieder einen anderen Job nebenbei zu suchen, um über die Runden zu kommen. Sobald wir wieder planen können, melde ich mich dann bei allen ausgefallenen Terminen und muss sie natürlich leider alle etwas nach hinten verschieben. Vorrang haben da die kleineren Motive, damit ich wieder reinkommen kann. Man hört schon, alles nicht so rosig zur Zeit, für niemanden natürlich. Meinen Start als Tätowiererin hatte ich mir trotzdem schöner und mit weniger Existenzängsten vorgestellt.
Wie lief deine Ausbildung vorher und wie wird sie nun umgesetzt?
Alina: Ich versuche irgendwie im Thema zu bleiben. Ich zeichne, bereite Wannados für spätere Zeitpunkte vor und habe, wie viele andere auch, Prints gemacht. Außerdem mache ich zur Zeit neben vielen echt guten Künstlern bei einem Dinosaurier- und Asia-Flash Sheet mit. Wer Lust hat, sich einen Print oder sogar ein Wannado davon zu sichern, verfolgt am besten das ganze Projekt bei den jeweiligen Künstlern. Das Schöne an der ganzen Situation im Moment ist, dass sich echt alle kreativ beschäftigen und dadurch richtig coole Projekte entstehen.
Seit wann kannst du nicht mehr tätowieren?
Alina: Alle Termine ab April musste ich bis auf Weiteres streichen. Ärgerlich ist, dass das alles meine ersten “richtigen Kunden” gewesen wären. Den Start hatte ich mir irgendwie anders ausgemalt. Gerade etwas reingekommen und schon ist wieder Stillstand. Im Gegensatz zu anderen Tätowierern kann ich jetzt wohl noch von Glück reden, dass ich einen zweiten Job habe, der mir mein Einkommen etwas sichert. Nicht viel, aber zumindest mehr als nichts.
Was fehlt dir aus deinem Azubi-Alltag?
Alina: Was mir fehlt, kann ich gar nicht so genau sagen. Zeichnen tue ich nach wie vor. Ich bin einfach traurig darüber, dass ich gerade am Anfang so vielen Kunden absagen musste und dass sich meine Ausbildung jetzt nach hinten zieht. Und vor allem habe ich auch Angst, wie alles weitergehen wird.
Möchtest du zum Schluss noch etwas sagen?
Alina: Zusammengefasst ist im Moment alles riesengroßer Mist, für alle natürlich. Mich in so einer Zeit selbstständig zu machen, hätte ich mir auch nie erträumt. Aber da muss ich jetzt durch. Ich hoffe, die Lage beruhigt sich bald wieder und ich kann alle Termine zeitnah nachholen. Und was ich mir auch noch wünsche, ist, dass weiterhin alle so zusammenhalten und auch zukünftig noch weitere schöne Projekte neben dem Tätowieren machen. Vielen Dank für das Interview und bleibt alle gesund!
Tattoo Apprentice Alina Benson
Instagram: instagram.com/alinabenson.tattoo
Tattoo-Studio: “Lebensgold Tattoo” (Dorsten)
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