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Seit seinem Erscheinungsjahr 2010 hat Instagram sich als Onlinedienst zum Teilen von Fotos und Videos in der Gesellschaft etabliert. So erreicht Instagram mittlerweile eine Anzahl von über einer Milliarde aktiven Nutzer:innen.
Wichtig für Tattoo Artists
Auch für viele Künstler:innen und Tätowierer:innen ist Instagram mittlerweile fester Bestandteil ihres Alltags. Da die Plattform das Veröffentlichen der eigenen Arbeiten sehr einfach gestaltet, stellt Instagram für viele mittlerweile eines der wichtigsten Mittel dar, um für sich zu werben und Termine zu vergeben.
Auch das Gewinnen von neuen Kund:innen und Vernetzen mit anderen aus der Szene läuft für einige hauptsächlich über Instagram ab. Somit ist aktuell ein großer Teil der heutigen Tattoo-Szene, ob nun Tätowierer:in oder Tätowierte, abhängig von der Plattform, die sich seit 2010 immer wieder verändert hat.
Algorithmisch statt chronologisch
Eine dieser Änderungen, welche mit der Zeit kamen, ist die Reihenfolge der Beiträge im persönlichen Feed, denn diese ist nicht mehr chronologisch. Stattdessen entscheidet ein Algorithmus über die Reihenfolge, in welcher man die abonnierten Posts sieht. So können zum Beispiel nach Aktualisierung eines Feeds die ersten fünf Posts in dieser Reihenfolge erscheinen:
- vor 1 Tag
- gesponserter Post
- vor 21 Stunden
- vor 4 Stunden
- …
Somit ist nicht mehr sichergestellt, dass alle Posts der Personen, Hashtags oder Orte, die man abonniert hat, einen auch erreichen. Gerade für diejenigen, die über Instagram ihre Arbeit teilen und Kund:innen gewinnen möchten, erscheint das im ersten Augenblick ungünstig.
Für Nutzer:innen hingegen ist der Algorithmus prinzipiell von Vorteil. Wer beispielsweise mehreren hundert Konten folgt, wird bei chronologischer Anordnung im Feed wahrscheinlich einiges verpassen. Darunter könnten dann auch Beiträge sein, welche einen besonders stark interessieren. Dem soll der Algorithmus entgegenwirken, damit Nutzer:innen möglichst interessiert bleiben und somit viel Zeit auf Instagram verbringen.
Vermeintliche Tipps zur Reichweite
Gerade in den letzten Wochen gingen Ratschlag-Posts auf Instagram rum, welche viel geteilt wurden. Diese sollten Durchblick hinsichtlich des “neuen Algorithmus” bieten.
Quellen werden dabei entweder nicht genannt oder sie beziehen sich auf andere Artikel, die wiederum keine Quellen angeben. Stattdessen wurde der ursprüngliche Ratschlag-Post nicht nur geteilt, sondern auch mehrfach kopiert und von anderen mit neuer Fassade gepostet.
Immer mit dabei: der Aufruf zum Teilen und Verbreiten dieser “wichtigen Informationen”. Logisch, denn Teilen bringt Reichweite – Spiel verstanden! Das ist wohl auch der primäre Grund dafür, ein bereits hundertfach existentes Panel noch einmal mit dem eigenen Logo zu versehen und erneut hochzuladen.
Sucht man auf Instagram beispielsweise nach dem Hashtag #algorithm oder #instagramalgorithm tauchen unter den aktuellen Beiträgen einige auf, die Folgendes widergeben:
Instagram’s angeblicher “neuer Algorithmus”:
- Saved Posts – “das neue Like” (am wichtigsten)
- Kommentare
- Shares
- Likes (am wenigsten wichtig)”
Ein gut gehütetes Geheimnis
Anders als es nun den Anschein macht, ist ein Algorithmus nicht so einfach zu durchschauen oder gar einzusehen. Algorithmen wie Google, Facebook oder Instagram sie nutzen, müssen nicht offengelegt werden, da sie als Geschäftsgeheimnis gelten.
Dennoch gibt es seit Jahren immer mehr Stimmen, auch in der Politik, die sich für eine teilweise Offenlegung der Algorithmen aussprechen. Konkrete Vorschläge und Lösungen dafür bieten beispielsweise auch Organisationen wie AlgorithmWatch.
Aktuell findet man jedoch auch nach ausgiebiger Recherche nur wenig bis gar nichts Handfestes über die Prinzipien, nach welchen der Instagram-Algorithmus arbeitet. Und das Unternehmen verrät sie natürlich auch nicht freiwillig. Umso verwunderlicher erscheinen einem nun die Beiträge, welche die ultimativen Tipps zum vermeintlich neuen Algorithmus verbreiten.
Statt eines einzigen Algorithmus ist tatsächlich eine Vielzahl von Algorithmen am Werk, die sich automatisch weiterentwickeln und verbessern. Dieser Vorgang des maschinellen Lernens ist ein weiterer Grund dafür, dass ein genaues Verständnis des Instagram-Algorithmus für Außenstehende unmöglich ist.
Patent bietet kleinen Einblick
Seit 2012 gehört Instagram zum US-amerikanischen Unternehmen Facebook Inc. Daher lässt beispielsweise ein Patent von Facebook, welches 2015 veröffentlicht wurde, möglicherweise auch etwas tiefer in den Algorithmus von Instagram blicken.
In diesem Patent wird eine Methode beschrieben, nach der die Anordnung des Feeds bestimmt werden kann. So erhält jeder Beitrag eine Art “Interaktions-Einschätzung” (en.: Engagement metric) bzw. einen Ranking Score, anhand dessen entschieden wird, ob ein:e Nutzer:in diesen in seinem:ihrem Feed sieht.
Dabei basiert diese Einschätzung zum Teil auf dem früheren Verhalten der Nutzer:innen. Hat man in der Vergangenheit häufig mit den Beiträgen einer Person interagiert, so steigt die persönliche Interaktions-Einschätzung für Beiträge dieser Person. Andererseits kann jedoch auch auf das generelle Verhalten aller Nutzer:innen zurückgegriffen werden und die Einschätzung beeinflussen.
So ist im Patent beschrieben, dass Geschlecht, Ethnie oder auch der “Status der Bekleidung” vom System erkannt und in den Score mit einbezogen werden kann. Entgegen diesem Patent behauptet Facebook dennoch, dass Nutzer:innen stets einen Feed erhalten, der immer das zeigt, wofür sie sich “am meisten interessieren”.
Dennoch spricht die im Patent beschriebene Methode dafür, dass nicht nur das eigene Verhalten, sondern vielmehr das Verhalten aller Nutzer:innen den eigenen Feed bestimmen. Somit bekommen wir häufig Beiträge zu sehen, von denen das Unternehmen glaubt, dass sie für die meiste Interaktion mit anderen Nutzer:innen sorgen.
Sind Saves das neue Like?
Ob Saves nun wirklich “das neue Like” sind, lässt sich zunächst einmal grob verneinen. Tatsächlich erfüllen beide Interaktionen einen völlig anderen Zweck und sind somit nicht gleichzusetzen oder etwa miteinander zu ersetzen.
Facebook selbst äußerte, dass der Ranking Score für jede Person individuell anhand ihres Verhaltens berechnet wird. So sollen Interaktionsformen, die häufig von der Person genutzt werden, einen höheren Score erzielen als selten genutzte. Wenn also jemand immer nur Likes verteilt, aber selten kommentiert, so erzielen Likes einen höheren Score. Creator:innen, deren Beiträge man dann mit einem Like versieht, sollten somit häufiger im persönlichen Feed erscheinen.
Like bleibt Like, Save bleibt Save
Überträgt man dies nun auf die Save-Funktion, so stellt diese nicht generell “das neue Like” dar. Das Abspeichern von Posts dient den Nutzer:innen in erster Linie dazu, für sie wichtige Posts später einfach wiederzufinden. Statt eines Screenshots sollen User:innen lieber einmal mehr bei Instagram reinschauen.
Für Creator:innen hingegen ist es eine hilfreiche Option zur Content Optimierung. Anhand der Saves kann man gut erkennen, welche Beiträge so interessant sind, dass Nutzer:innen später auf sie zurückgreifen möchten. Wenn man nun den Followern rät, dass sie einfach alle Beiträge speichern sollen, verliert man die Informationen, welche Posts besonders gut ankamen.
So speichern Nutzer:innen vielleicht Wannados oder Merch von Tätowierer:innen ab, um sie eventuell später mal zu kaufen. Außerdem könnten auch Tätowierungen als Inspiration abgespeichert werden.
Einen größeren Vorteil bietet Künstler:innen wohl die Share-Funktion, über die ihre Arbeiten auch Personen außerhalb der eigenen Followerschaft erreichen. Generell lässt sich sagen, dass jegliche Form von Interaktion für die eigene Reichweite gut und wünschenswert ist. Follower hingegen zu einer bestimmten Aktion zu animieren, die dadurch ihren eigentlichen Zweck verliert, ist nicht unbedingt zielführend.
Generell lassen sich solche “Tipps” aufgrund der Komplexität und Geheimhaltung der genauen Mechanismen hinter dem Instagram-Algorithmus nicht wirklich überprüfen. Einen besonderen Stellenwert der Save-Funktion gegenüber der anderen Interaktionen lässt sich aber in keiner Weise bestätigen.
Shadow Ban: Plötzlich unsichtbar?
Den Begriff „Shadow Ban“ haben die wohl meisten schon einmal bei einem Content Creator auf Instagram gelesen. Bei diesem Phänomen soll es sich um eine plötzliche und starke Einschränkung der eigenen Reichweite handeln. Dabei sollen die eigenen Posts nur noch bei wenigen Abonnent:innen im Feed erscheinen, ohne dass man darüber informiert wird.
Für viele Tätowierer:innen, die sich ihre Reichweite lange und müßig erarbeitet haben, klingt das wie ein Alptraum. Doch gibt es so einen Shadow Ban wirklich?
Wer brachte das Thema auf den Tisch?
Ins Gespräch kam das Shadow Banning vermehrt im Jahre 2018, als sich die Verschwöungstheorie verbreitete, dass Twitter prominente Mitglieder der republikanischen Partei auf der Plattform weniger sichtbar machen würde. Dies wurde von Twitter zurückgewiesen, da das Unternehmen auf seiner Plattform in dieser Form kein Shadow Banning betreiben würde.
Als Resultat dieser Debatte entstand beispielsweise das vielfach kritisierte “meinungsfreie” Netzwerk Parler, auf dem antisemitische, rechtsextremistische und verschwörungstheoretische Beiträge einen Platz finden.
Angst vor Shadow Ban begründet?
Tatsächlich gibt es einige Tätowierer:innen, deren Beiträge in letzter Zeit von Instagram entfernt wurden. Dabei ist die häufigste Begründung wohl “Nacktheit oder sexuelle Handlungen”. So wurden zahlreiche Bilder von Underboob Tattoos oder Chestpieces entfernt, bei denen Kund:innen ihre Brüste mit den Händen verdeckten.
In der Annahme, dass es sich dabei um einen Fehler handeln muss, luden einige Künstler:innen die betroffenen Fotos erneut hoch. Daraufhin erfuhren wiederum einige eine erneute Löschung ihres Beitrags aufgrund von Nacktheit oder sexueller Handlungen.
Aufgrund der mehrfachen Löschung von Beiträgen, die angeblich gegen die Richtlinien verstoßen würden, bemerkten oder befürchteten betroffene Tattoo Artists eine Verminderung ihrer Reichweite. Auch der Begriff Shadow Ban fiel in einigen Diskussionen zum Thema. Inwiefern es hier tatsächlich einen Zusammenhang gegeben haben könnte, lässt sich nicht herausfinden.
Angst vor einem solchen Shadow Ban muss man in der Regel jedoch nicht haben, sofern man nicht regelmäßig “problematische” Inhalte postet.
Macht euch nicht zu abhängig!
Der wichtigste Tipp zu Instagram ist wohl der, dass man sich nicht zu abhängig machen sollte. Solch ein Medium, auf dessen Entwicklung man keinerlei Einfluss hat, sollte nicht die eigene Karriere komplett bestimmen. Gerade da der Algorithmus nicht offengelegt oder gar kontrollierbar ist, sollte man auch auf weit verbreitete Tipps ohne Quellenangaben nicht viel geben.
Jegliche Form von Interaktion hilft bei der Optimierung des eigenen Contents und der Vergrößerung der Reichweite. Daher ist es zwar sinnvoll, Follower dazu zu animieren, mit den eigenen Beiträgen zu interagieren, eine Anleitung mit nicht überprüfbaren Ratschlägen hingegen kann aber auch schnell zum gegenteiligen Ergebnis führen.
- AlgorithmWatch.org [Aufruf: 16.02.2021]
- Anna Merlan (2020) How Shadowbanning Went from a Conspiracy Theory to a Selling Point. vice.com [16.02.2021]
- Garcia et al. (2015) US Patent 8,929,615. United States Patent and Trademark Office. [Aufruf: 16.02.2021]
- Gemeinschaftsrichtlinien Instagram
- Instagram creators. Story Highlights: FAQ [Aufruf: 16.02.2021]
- Jillian Warren (2021) This is How the Instagram Algorithm Works in 2021. Later.com [Aufruf: 16.02:2021]
- Josh Constine (2018) How Instagram’s algorithm works. Techcrunch.com [Aufruf: 16.02.2021]
- Marinela Potor (2021) Content-Moderation in sozialen Netzwerken: Sollten KIs kontrolliert werden? Basicthinking.de [Aufruf: 16.02.2021]
- Medvedev et al. (2019) Powered by AI: Instagram’s Explore recommender system. Facebook AI. [Aufruf: 16.02.2021]
- Roger Montti (2021) How Facebook Algorithm Ranks News Feed Content. searchenginejournal.com vom 03.02.2021 [Aufruf: 16.02.2021]
- Samantha Cole (2018) Where Did the Concept of ‘Shadow Banning’ Come From? vice.com [Aufruf: 16.02.2021]
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