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Schwitzen wir mit tätowierter Haut anders?
Als 2017 eine Studie zum Thema Tattoos und Schwitzen erschien, berichteten zahlreiche Medien weltweit darüber. Auch in deutscher Sprache erschienen Berichte dazu, beispielsweise im Online-Magazin „Welt kmpkt„, im österreichischen „Kurier“ oder der Schweizer Boulevard-Zeitung „20 Minuten„.
Noch in diesem Jahr erschien ein Beitrag auf „gesundheitstipps.com“, der sich auf ebendiese Studie von 2017 bezog. Dort betitelte man sie explizit als „neue Studie“ (letztes Update: 10.03.2020) und schildert, dass tätowierte Haut 50 % weniger schwitzen würde. Dies könne gerade bei intensivem Sport besonders gefährlich sein. Doch stimmt das wirklich und wie ist eigentlich der aktuelle Forschungsstand zum Thema?
Was 2017 geschah…
Vor drei Jahren erschien im Fachjournal „Medicine & Science in Sports & Exercise“ ein Artikel, der sich den Auswirkungen von Tattoos auf das Schwitzen widmete. Der Titel dieser Arbeit lautete übersetzt „Tätowierungen verändern die Schweißrate und Natrium-Konzentration“. Also ein klares Fazit – doch wie eindeutig sind die Ergebnisse der Studie wirklich und was für Methoden verwendete man?
Zunächst einmal war es Ziel der Studie die produzierte Menge an Schweiß von tätowierter und nicht-tätowierter Haut zu vergleichen. Außerdem wollte man noch Unterschiede in der Konzentration von Elektrolyten, in diesem Fall Natrium, miteinander vergleichen. Elektrolyte sind lebenswichtig für unseren Körper und dessen Wasserhaushalt. Daher kann ein Elektrolytenmangel auch zu lebensgefährlichen Hitzeschäden führen – oft in Kombination mit Flüssigkeitsmangel. Auch beim Schwitzen gibt unser Körper gemeinsam mit Flüssigkeit eine bestimmte Menge solcher Elektrolyte ab. Deshalb wurde die „ausgeschwitzte“ Menge dieser auch innerhalb der Studie gemessen.
Wie lieft der Versuch ab?
Als Probanden kamen zehn Männer im Alter von 20 bis 22 Jahren zusammen, die ein Tattoo tragen, welches mindestens 5,2 cm² groß ist. Hinzu kommt, dass die gleiche Stelle auf der anderen Körperseite nicht tätowiert sein durfte. Diese beiden Stellen wurden dann innerhalb des Versuchs miteinander verglichen.
Während des Versuchs saßen die Probanden und mussten keinerlei körperliche Anstrengung erbringen. Stattdessen wurde das Schwitzen mithilfe des Arzneistoffes Policarpin eingeleitet. Auch bei regulären Schweißtests verwendet man dieses Mittel, um die Schweißdrüsen zur Schweißproduktion anzuregen. Im Versuch wurde auf die tätowierte und nicht-tätowiert Stelle je eine Gelscheibe aufgelegt, die Policarpin enthielt. Anschließend sammelte man 20 Minuten lang den Schweiß der Probanden an diesen zuvor behandelten Stellen. Danach wurden beide gesammelten Proben gewogen und auf ihren Natriumgehalt untersucht.
Wie war das Ergebnis?
Die Auswertung der Proben zeigte, dass die tätowierten Stellen im Durchschnitt 50 % weniger Schweiß produzierten als die nicht-tätowierten. Außerdem enthielten die Schweißproben der tätowierten Haut knapp doppelt so viel Natrium.
Professor Luetkemeier, Leiter der Studie, sah deren Ergebnisse selbst eher vorsichtig und kritisch. So sagte er, dass die Anregung der Schweißdrüsen mittels Policarpin nicht mit dem normalen Prozess des Schwitzens vergleichbar sei, welcher bei erhöhter Körpertemperatur eintritt. Dennoch hält er seine Studie für einen ersten Schritt, um weitere Forschung auf dem Gebiet anzukurbeln. Dabei steht für ihn die Frage im Vordergrund, ob stark tätowierte Personen ein besonderes Risiko für Schäden durch Überhitzung haben.
Da es zu späteren Studien bezüglich des Themas keine medialen Berichte zu geben scheint, gilt der Stand von 2017 für viele noch als aktuell.
Aktuelle Forschung zeigt das Gegenteil
Tatsächlich geschah auf dem Gebiet noch mehr – die Ergebnisse von zwei neueren Studien zeigen sogar das Gegenteil! So erschien 2019 im selben Fachjournal ein Artikel, der keine Unterschiede in der Schweißrate und dem Natriumgehalt von tätowierter und nicht-tätowierter Haut feststellen konnte. Dort wurden in einer Studie 22 Menschen im Alter von 20 – 30 Jahren getestet, von denen 14 männlich und 8 weiblich waren. Auch hier wurde eine tätowierte Stelle mit der am Körper gegenüberliegenden untätowierten Stelle verglichen.
Anders als im zuvor geschilderten Versuch kurbelte man die Schweißproduktion hier durch Sport an. Dafür mussten die Proband*innen circa 20 Minuten lang ein Intervall-Training auf dem Fahrrad absolvieren. Gesammelt wurde der Schweiß mithilfe von saugfähigen Pflastern. Einen Unterschied zwischen tätowierter und nicht-tätowierter Haut im Bezug auf die Schweißmenge konnten die Forscher*innen hier nicht feststellen.
Auch 2020 kam noch was!
Auch dieses Jahr wurde eine Studie zum Thema Schwitzen von tätowierter Haut veröffentlicht. Diese erschien im „European Journal of Applied Physiology“. Hier testete man 13 Männer im Alter von 21 bis 33 Jahren und verglich erneut eine tätowierte mit einer gegenüberliegenden nicht-tätowierten Stelle. Zusätzlich zur Schweißmenge und dem Natriumgehalt wurde außerdem die Temperatur der Haut an den Test-Stellen sowie der Natriumgehalt des vom gesamten Körper abgegebenen Schweißes gemessen.
Die Probanden mussten im Versuch eine Stunde lang bei einer Raumtemperatur von 32° C Fahrrad fahren. Währenddessen wurde die Hauttemperatur an der tätowierten und der nicht-tätowierten Stelle mithilfe von Sonden gemessen. Den lokalen Schweiß sammelte man erneut mit saugfähigen Pflastern und auch den Ganzkörperschweiß fing man beim Abwaschen auf. Selbst während der sportlichen Aktivität wurde der Schweiß mithilfe von saugstarken Tüchern gesammelt. Generell planten die Forscher*innen den Ablauf sehr bedacht und legten großen Wert darauf, so viele Proben und Daten wie möglich zu erfassen. Daher ist diese Studie vom Versuchsablauf und der Menge an gesammelten Daten bisher wohl die aussagekräftigste zum Thema.
Und zu welchem Ergebnis kam man hier?
Insgesamt konnte man in dieser Studie keine deutlichen Unterschiede zwischen dem Schweiß tätowierter und nicht-tätowierter Haut feststellen. So konnte man weder bei der Natrium-Konzentration der lokalen Proben noch beim Schweiß des gesamten Körpers einen Unterschied ausmachen. Auch die Menge an produziertem Schweiß war zwischen tätowierter und untätowierter Haut ähnlich. Zudem stellte man bei der Temperatur ebenso keinen Unterschied zwischen tätowierter und nicht-tätowierter Haut fest.
Die Autor*innen sehen ihre Ergebnisse als Kontrast zu denen von Luetkemeier (2017) und einer Studie von 1970, in der man das Schwitzen mithilfe eines Heizkörpers herbeiführte. Diese beiden älteren Studien haben gemeinsam, dass das Schwitzen passiv aktiviert wurde, wohingegen in den aktuelleren Studien die Schweißproduktion durch körperliche Aktivität herbeigeführt wurde.
Generell spielen Schweißdrüsen gerade während des Sports eine große Rolle, da sie mithilfe des Schwitzens Hitze ableiten, den Wasserhaushalt regeln, Durst kontrollieren und Elektrolyte ausbalancieren. Gerade für Berufssportler, wie beispielsweise Basketballspieler oder Fußballer, von denen ca. 53 % bzw. 35 % Tattoos haben, ist dieser Faktor wichtig.
Schwitzt tätowierte Haut also doch… normal?
Die letzten beiden Veröffentlichungen zum Thema deuten zumindest darauf hin, dass tätowierte Haut nicht anders schwitzt. Dennoch kann man nicht ausschließen, dass Schweißdrüsen beim Tätowieren Schäden davontragen. Beispielsweise könnte eine Fibrose auftreten, also eine Vermehrung des Bindegewebes, welche die Aufnahme bestimmter Stoffe über die Haut erschweren kann. So könnte es auch bei der Studie aus 2017 zu den unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sein.
Trotzdem sollte man bedenken, dass diese Ergebnisse nur für das Schwitzen durch einstündigen Sport bei warmer Raumtemperatur gültig sind. Möglich ist es also schon, dass bei einer längeren Sporteinheit in einer wärmeren Umgebung doch Unterschiede zwischen tätowierter und untätowierter Haut auftreten. Somit wären weitere Studien auf dem Themengebiet auf jeden Fall spannend!
Nun wäre noch die Frage offen, ob tätowierte Haut sich durch Sonnenstrahlen mehr aufheizt und so Einfluss auf das Schwitzen nimmt. Oder auch, wie Hitze allein sich auf das Schwitzen von tätowierter Haut auswirkt. Nach aktuellem Wissensstand gibt es jedoch erstmal keinen Grund zur Sorge, dass ihr aufgrund eurer Tattoos beim Sport überhitzen könntet.
- Beliveau J. et al. (2020) Permanent tattooing has no impact on local sweat rate, sweat sodium concentration and skin temperature or prediction of whole-body sweat sodium concentration during moderate-intensity cycling in a warm environment. European Journal of Applied Physiology. 2020 May;120(5):1111-1122.
- Cotton D.W. & Kuypers B.R. (1970) Thermal induced sweating in tattooed skin. Dermato- logica 1970; 141(3):252–254
- Luetkemeier M.J. et al. (2017) Skin tattoos alter sweat rate and Na+ concentration. Med Sci Sports Exerc 2017; 49(7):1432–1436.
- Rogers E. et al. (2019) Tattoos do not affect exercise-induced localised sweat rate or sodium concentration. J Sci Med Sport.