Tattoo-Recht: Diese Strafen drohen bei kopierten Motiven!

Dein Support für Feelfarbig 🖤Hi! Schön, dass dir unsere Arbeit gefällt. Unsere Recherchen und Beiträge sind stets unabhängig und für dich kostenlos. Damit das auch so bleiben kann, freuen wir uns über deine Unterstützung. Vielen Dank! ✌️

Zur Kunst und vor allem zum kreativen Austausch gehören gewisse Regeln. Das kann man nun gut oder schlecht finden. Nicht abstreiten kann man allerdings einen großen und wichtigen Hintergedanken: Diese Regeln schützen Künstlerinnen sowie Künstler und ihre Werke.

Da Gesetze jedoch oftmals für Nicht-Juristen etwas schwierig zur durchleuchten sind, haben wir uns die aktuelle Rechtslage zu verschiedenen Themen von einem Profi erklären lassen.

Wir beginnen gleich mit einem der größten Probleme der Tattoo-Szene: Das ungefragte Kopieren eines Motivs – oftmals sogar von schon gestochenen Tattoos. Gewisse Tätowierer bedienen sich somit an stundenlanger Arbeit und der Kreativität anderer, geben sie als ihre eigene aus und verdienen damit auch noch Geld. Das Problem ist natürlich nichts Neues. Allerdings trauen sich sehr viele Artists nicht gerichtlich dagegen vorzugehen, weil sie Angst davor haben, auf Rechtskosten sitzen zu bleiben. „Am Ende kommt ja sowieso nichts bei rum“, hören wir dabei häufig. Mit diesem Irrglauben räumen wir heute auf.

Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer, Universität zu Köln
Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer,
Universität zu Köln

Um euch dabei natürlich mit den bestmöglichen Informationen zu versorgen, haben wir nicht einfach bei irgendjemandem angeklingelt, sondern uns direkt an einen absoluten Experten gewandt: Professer Dr. Karl-Nikolaus Peifer. Herr Prof. Dr. Peifer ist seit 2004 Inhaber des „Lehrstuhls für Bürgerliches Recht mit Urheberrecht, Gewerblichen Rechtsschutz, Neue Medien und Wirtschaftsrecht“ an der Universität zu Köln. Wenn unsere Fragen also jemand beantworten kann, dann er!

_________

Herr Prof. Dr. Peifer, viele Künstlerinnen und Künstler befürchten, dass sich eine Anzeige wegen eines kopierten Motivs nicht lohnt, da solche Delikte nicht verfolgt werden. Wie hoch ist die Chance auf Erfolg, wenn ein Motiv nachweislich eins zu eins kopiert wurde?

Peifer: „Es handelt sich um einen recht einfachen urheberrechtlichen Fall. Jedes aufgrund einer Vorlage (Papier oder Haut) gestochene Tattoo ist eine Kopie, also vom Urheberrecht erfasst. Derjenige, der es gewerblich sticht, verletzt also das Urheberrecht des ursprünglichen Autors bzw. der ursprünglichen Autorin.“

Welche Strafen drohen, wenn man ein Motiv kopiert?

Peifer: „Bei vorsätzlicher Verletzung fremder Urheberrechte droht das Gesetz (§ 106 UrhG) bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe an. Wenn die Verletzung gewerblich erfolgt (also durchaus auch im Falle von Tattoo-Studios, die ständig fremde Vorlagen ohne Einwilligung verwenden), sind es bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe (§ 108a UrhG).

Insbesondere kann der Originalautor Schadensersatz aufgrund einer entgangenen Lizenzgebühr verlangen. Er erhält also eine Lizenz, auch wenn der Verwender danach nie gefragt hätte und auch wenn dieser einwendet, er hätte sie niemals gezahlt. Er muss sich nun an den gesetzten Fakten festhalten lassen. Der Autor hat zur Verfolgung seiner Ansprüche auch Auskunftsrechte. Er kann also fragen, wie oft, bei wem und in welchem Ausmaß das Vorlagenmotiv gestochen wurde. Wurde das Motiv mehrfach gestochen, kann der Autor statt der Lizenzgebühr auch Herausgabe des vom Verletzer erzielten Gewinns (abzüglich von dessen Fixkosten) verlangen.“

Gibt es Unterschiede zwischen dem unerlaubten Kopieren einer Zeichnung oder eines fertig gestochenen Tattoos?

Peifer: „Nein, in beiden Fällen handelt es sich um Kopien. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass ein Kunde, der eine fremde Vorlage mitbringt und sie sich zu privaten Zwecken (also nur für sich selbst) stechen lässt, eine privilegierte Privatkopie erstellt bzw. durch das Studio erstellen lässt. Die bloße Kopie (egal ob aufgrund Papier oder Haut) ist dann zulässig, nur deren öffentliche Wiedergabe (z.B. Selfies auf Facebook) wäre auch dann eine Urheberrechtsverletzung.

Wer entscheidet vor Gericht, ob eine Kopie vorliegt?

Peifer: „In der Regel wird das Gericht diese Bewertung aus eigener Anschauung und Sachkunde vornehmen. Für Urheberrechtssachen gibt es daher Spezialkammern an den Landgerichten, die ausschließlich für solche Fälle zuständig sind und daher einige Erfahrung im Bereich von bildender Kunst haben. Denkbar ist es aber auch, einen Sachverständigen für solche Beurteilungsfragen anzubieten oder zu beantragen, dass das Gericht diesen beizieht. Das ist immer dann sinnvoll, wenn es um die Frage geht, welche Motive gewissermaßen zum Allgemeinstandard gehören (Herz mit Pfeil) und welche Motive neu, originell und ungewöhnlich sind.“

_________

Fazit

Es ist also schon möglich, ein fremdes Motiv zu kopieren und sich tätowieren zu lassen (sehen wir einmal von der moralischen Frage ab). Sogar ein tätowiertes Motiv. Aber das Tattoo hat danach absolut nichts im Internet oder als Deko in einem Studio zu suchen. Von einem fertigen Tattoo oder anderem Motiv darf lediglich eine Privatkopie erstellt werden – und zwar nur auf Wunsch des Kunden. Jegliche Veröffentlichung des Motivs – also auch zum Beispiel als Foto bei Instagram – ist strafbar und kann somit verfolgt werden. Das gilt sowohl für das Tattoo-Studio, als auch für die Trägerin oder den Träger des kopierten Tattoos. Wenn ihr euer Tattoo also nicht permanent verstecken wollt: Lasst euch ein eigenes Motiv entwerfen!

Sollte ein Künstler ein kopiertes Werk von sich entdecken, sollte er nicht zögern, dagegen vorzugehen. Das gilt auch schon dann, wenn es von einem anderen Tätowierer als „Wannado“ (also als mögliches Tattoo-Motiv) angeboten und somit veröffentlicht wird! Solche Urheberrechtsverletzungen sind sehr eindeutig. Ihr könnt somit Schadensersatz fordern – bei mehrfachen Verstößen sogar die Herausgabe des Gewinns.

Zum Abschluss sei noch gewarnt: Sollte jemand im großen Stil individuell erstellte Motive kopieren und sich dadurch finanziell bereichern, ist das kein Kavaliersdelikt. Eine Freiheitsstrafe von mehreren Jahren ist dabei definitiv nicht ausgeschlossen.

Das könnte dir auch gefallen