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Bereits vor über sechs Jahren begann das Projekt rund um die DIN-Norm EN 17169 “Tätowieren – Sichere und hygienische Praxis”. Nach viel Zeit und Mühe ist sie nun seit Anfang Mai in ihrer endgültigen Fassung erhältlich. Doch was genau ist deine DIN-Norm überhaupt und ist sie verbindlich? Wer hat an der Erstellung der Norm mitgearbeitet und wie wurde das Projekt finanziert? Was beinhaltet die Norm genau und an wen gehen die Einnahmen durch den Verkauf? Diesen und weiteren Fragen rund um die DIN-Norm EN 17169 haben wir uns für euch gewidmet und alles hier für euch zusammengetragen.
Was ist das DIN?
Das DIN ist das Deutsche Institut für Normung, welches bereits 1917 gegründet wurde. Seine Aufgabe als Normungsorganisation ist das Erstellen sogenannter DIN-Normen. Bei diesen Normen handelt es sich um einen freiwilligen Standard, welcher unter anderem dem Verbraucherschutz, der Sicherheit, der Qualitätssicherung und dem Arbeitsschutz dienen soll.
Beim DIN handelt es sich übrigens nicht um eine staatliche Institution, sondern um einen privatwirtschaftlichen Verein. Somit erhalten sie kein Geld vom Staat, sondern finanzieren sich selbst. Dennoch ist das DIN durch einen Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland hierzulande als nationale Normungsorganisation anerkannt. Hinzu kommt, dass das Institut auch international bekannt ist und ein hohes Ansehen genießt.
Warum eine Norm fürs Tätowieren?
In einer Pressemitteilung des DIN heißt es, dass die Norm DIN EN 17169 bereits existierende Standards europäischer Verbände und Regelungen einzelner Länder vereint. Initiiert wurde die Norm vom Verband Deutscher Organisierter Tätowierer (DOT e.V.) und dem Verband United European Tattoo Artist (UETA e. V.).
Hinzu kam noch finanzielle Unterstützung des Projektverlaufs durch den Bundesverband Tattoo (BVT e.V.). Auch Jörn Elsenbruch, 5. Vorsitzender des DOT, erwähnte vor Kurzem in einem Livestream, dass der DOT selbst einen sechsstelligen Betrag zur Erstellung der DIN-Norm beigesteuert hat. Somit wurde das Projekt hauptsächlich von Tätowierer*innen und anderen Mitgliedern der Tattoo-Industrie über Jahre hinweg erarbeitet und sogar mitfinanziert.
Als Tätowierer mit 24 Jahren Erfahrung, Inhaber des Studios “Andy’s Body Electric”, Organisator der Convention “Tattoo Ink Explosion” und Gründungsmitglied des BVT übernahm Andy Schmidt die Rolle des Obmanns. Damit gehörten beispielsweise die Leitung der Sitzungen des Arbeitsausschusses und die Vertretung dessen gegenüber dem Normenausschuss zu seinen Aufgaben.
Verbindlichkeit als Ziel
Der Wunsch der Beteiligten ist es, dass die DIN EN 17169 über die Anwendung der Gesundheitsbehörden verbindlich wird. So würde ein einheitlicher Standard im Bereich des Tätowierens ermöglicht, welcher besonders im Interesse der Verbraucher*innen läge. Auch wenn eine Verbindlichkeit gewünscht ist, wird die DIN-Norm selbst dann der Öffentlichkeit nicht kostenlos zur Verfügung gestellt.
Beim Beuth-Verlag, dem Verleger des DIN, ist sie als PDF für 120 € und als gedruckte Version für knapp 145 € erhältlich. Dieser Punkt stößt bei einigen auf Unverständnis und teilweise sogar Empörung, denn “eine verbindliche Norm darf doch nichts kosten?!” Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Selbst wenn der Gesetzgeber auf DIN-Normen Bezug nimmt, müssen diese nicht kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Schließlich finanziert sich das DIN zu einem erheblichen Teil über die Einnahmen durch den Vertrieb seiner Normen. Zudem unterliegen die DIN-Normen dem Urheberrecht, da das DIN eben keine staatliche Behörde ist.
Der Berufszugang ist nicht geregelt
Tätowierer*in ist in Deutschland kein anerkannter Ausbildungsberuf, weshalb es auch keine strikten Zugangsvoraussetzungen gibt. Das Wissen wird seit den frühen Tagen der Szene somit von Ausbilder*innen an ihre Lehrlinge weitergetragen. Sowohl theoretische als auch praktische Kenntnisse werden dabei ohne festen Lehrplan, offizielle Prüfungen oder Zeugnisse vermittelt und erlangt.
Anders ist dies beispielsweise in Österreich geregelt. Dort benötigen Tätowierer*innen fachliche Qualifikationen, welche man durch den Besuch eines Lehrganges für das Tätowieren und eine erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung erfüllt. Dabei gehören Themen wie Hygiene, Virologie, Desinfektion, Dermatologie oder Arzneimittelkunde zur theoretischen Ausbildung.
Da es die Forderung solcher fachlichen Qualifikationen in Deutschland nicht gibt, kann einfach gesagt jede*r ein Tattoo-Studio eröffnen und dort Leute tätowieren. Die Studios unterliegen lediglich der behördlichen Überwachung durch das örtliche Gesundheitsamt, welches regelmäßig einen Besuch abstatten und eine Prüfung vornehmen soll. Dabei gibt es deutschlandweit keine einheitliche Regelung, die besagen, welche Voraussetzungen ein Tattoo-Studio also erfüllen muss. Dies ist also von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich (als Beispiel: NRW und BaWü).
An dieser Stelle könnte die DIN-Norm nun bei der Vereinheitlichung der Standards bezüglich des Tätowierens deutschlandweit helfen.
Was steht in der DIN EN 17169?
Die DIN ist in verschiedene Kapitel unterteilt, welche sich den Themengebieten rund ums Tätowieren widmen. Dabei gibt sie im Detail vor, welche Arbeitsweise und Ausrüstung für eine sichere und hygienische Praxis angebracht sind. Darunter fallen beispielsweise Punkte wie Abfallmanagement, Reinigung, Desinfektion und Sterilisation von Equipment und Räumlichkeiten oder Anforderungen an den Tätowierbereich.
Doch auch zum Tätowiervorgang selbst werden Richtlinien angegeben, welche die Interaktion mit Kund*innen sowie Informationen zur Nachsorge und der persönlichen Schutzausrüstung besprechen. Selbst “unwichtig” erscheinende Punkte wie Creme, Rasierer, Spatel, Papierhandtücher, Farbkappen und Hautreinigungsprodukte behandelt die DIN. Damit stellt sie ein sehr ausführliches Regelwerk dar, das aktuell wohl keine Fragen offen lässt.
“Dieses Dokument (EN 17169:2020) legt Anforderungen an die Hygiene vor und während des Tätowierens sowie für die Nachsorge fest. Sie gibt Leitlinien für Tätowierer und deren regelmäßige Interaktionen mit Kunden und öffentlichen Behörden. Sie gibt Leitlinien für die korrekten Verfahren, um den optimalen Schutz für den Kunden, den Tätowierer sowie andere Personen in dem Tätowier-Arbeitsbereich sicherzustellen.” – Quelle: DIN
Doch neben den normativen Angaben finden sich in diversen Anhängen auch rein informative Absätze. In diesen wird beispielsweise Allgemeines zur Hautstruktur, Infektionsübertragung oder Tattoofarben vermittelt. Neben diesem zusätzlichen Wissen bietet die DIN-Norm außerdem noch Vorlagen für relevante Formulare wie die Einverständniserklärung vor dem Tätowieren.
Inwiefern betrifft mich die DIN-Norm?
Es ist davon auszugehen, dass sich deutsche Behörden künftig an dieser DIN-Norm orientieren. Da DIN-Normen ein hohes Ansehen genießen, ist es fast sicher, dass beispielsweise Gesundheitsämter sich in Zukunft bei Themen wie Studiogestaltung und Arbeitshygiene an der DIN EN 17169 orientieren. Wer also nach der DIN-Norm arbeitet, kann sich wohl auf sehr unproblematische Kontrollbesuche einstellen.
Hinzu kommt, dass die Norm auch ein guter Anhaltspunkt für beispielsweise gerichtliche Entscheidungen sein kann. Falls entschieden werden soll, ob jemand aufgrund von “Tattoo-Pfusch” ein Recht auf Schmerzensgeld hat, können Gerichte sich bei der Beurteilung von Arbeitsweisen an der DIN-Norm orientieren. Insofern gibt sie an dieser Stelle gerade für Verbraucher*innen etwas mehr Sicherheit. Auch wenn die Norm gesetzlich nicht bindend ist, wird das dort von zahlreichen Tattoo-Verbänden erarbeitete und zusammengetragene Wissen womöglich bald schon als Standard angesehen werden.
Ein großer Schritt!
Mit dieser DIN-Norm geht die Tattoo-Branche einen großen Schritt in Richtung einheitlicher Regulierung und Verbraucherschutz. Dafür ist ein großes Dankeschön an alle Beteiligten auszusprechen, welche sich über Jahre hinweg mit der Erstellung dieser Norm beschäftigt haben. Die genannten Berufsorganisationen für Tätowierer*innen haben an dieser Stelle einen wertvollen Beitrag für die gesamte Tattoo-Industrie geleistet.
Sie haben es mit dieser Norm geschafft nicht nur für Deutschland, sondern sogar europaweit Leitlinien für Tattoo-Studios zur Verfügung zu stellen. Somit könnten auch Conventions und Guestspots im Ausland zukünftig für Tätowierer*innen aus Deutschland entspannter sein. Andreas Schmidt, Tätowierer und Obmann des Gremiums “Anforderungen an das Tätowieren” äußerte, dass das Projekt auf europäischer Ebene auf große Zustimmung traf.
Natürlich sollte sich nun niemand zum Kauf dieser DIN-Norm verpflichtet fühlen. Sicher sind einige der Meinung, dass sie ohnehin nach hohen Standards arbeiten – was ihnen niemand absprechen möchte. Doch wer in manchen Punkten nicht hundertprozentig sicher ist oder sich einfach ein detailliertes und geprüftes Regelwerk wünscht, den wird die DIN EN 17169 wohl nicht enttäuschen.
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