More than a Tattooer: Alvar Baptist / Unter der Hand

Auch ohne Corona-Zwangspause ist Alvar Baptist durch und durch Künstler. Er ist ein wunderbarer Tattoo Artist, hat aber auch keine Probleme damit zu Hause seiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Wie er die “freie” Zeit bewältigt hat erzählt er uns hier.

Alvar Baptist / Unter der Hand, Berlin / More than a Tattooer — Ein paar von Alvars Kunstwerken

Was hat sich bei dir, seitdem das Studio vorübergehend geschlossen ist, an deinem Alltag verändert?

Ich kann endlich den ganzen Tag ununterbrochen zeichnen, habe viel Zeit, um zu studieren und mich künstlerisch zu bilden. Ich habe genug Material gekauft, um zu lernen, wie man eine Kapelle bemalt, aber inzwischen konzentriere ich mich auf einige grundlegende akademische Praktiken, um meine Tricks zu verbessern. Es ist ein tolles Gefühl, ab und zu für das Geschirrspülen zuständig zu sein und den Boden zu wischen.

Was fehlt dir am meisten aus deinem Job?

Beruflich vermisse ich das Tätowieren einfach. Ich vermisse den Schwachsinn, ich vermisse es, mit den örtlichen Verrückten streiten zu müssen und wieder vermisse ich es wirklich, ein große, große Fläche zu tätowieren. Ich vermisse es sogar, jeden im Zug zu hassen!

Was machst du gerade alternativ zum Tätowieren, um dich künstlerisch auszuleben?

Ich habe letztes Jahr beim Malen meine Angst verloren, seitdem male ich regelmäßig. Das beeinflusst meine Tätowierungen und umgekehrt. Ich versuche mich nicht nur auf eine Sache zu fokussieren oder nicht immer die gleichen Tricks beim Malen anzuwenden. Bücher zu kaufen und zu studieren ist dabei sehr wichtig für mich. Ich beschäftige mich weniger mit Tattoo-Ideen und mehr damit, wie einige Künstler mit Farbe umgehen – Details, die meinem visuellen Lexikon Ideen hinzufügen können.

Ich liebe aber wirklich alle Aspekte des Tätowierens und widme diesen meine volle Aufmerksamkeit.

Gibt es Projekte, für die du gerade jetzt Zeit hast?

Eigentlich habe ich immer nur Zeit für eine Sache. Seit ich vor zwei Jahren mit all meinen Musikprojekten aufgehört habe, bin ich nicht bereit, andere Dinge zu tun. Außer Kunst und mein Wissen in meine Arbeit einfließen zu lassen.

Ich liebe Geschichten, sodass ich sogar interessante Podcasts hören kann, während ich “Hausaufgaben” mache. Ich hatte mal ein Graphic Novel-Projekt, merkte aber, dass es zu viel meiner Zeit in Anspruch nehmen würde. Und ich habe noch eine lange Liste, der ich erstmal nachjage, um noch besser zu werden. Ich hasse die Tatsache, dass ich jede Nacht schlafen muss. Im Grunde genommen ist dieser menschliche Zustand ein echter Ärger. Steuern, Geld, Bürokratie und Entspannung sind mein ewiger Feind.

Was kannst du Positives aus der Situation mitnehmen?

Das könnte ich mit vielen Fragezeichen beantworten. Auf persönlicher Ebene genieße ich mein Leben zu Hause viel, viel zu sehr. Ich habe eine sehr neugierige Natur, Zeit ist für mich ein Schatz.

Möchtest du noch etwas zum Schluss sagen?

Ja, hört euch mehr Gitarrensoli an, entspannt euch, verlasst eure Komfortzone nicht, denkt in schwarzen Löchern, verbringt jede Sekunde damit, etwas Cooles zu tun oder etwas Neues zu lernen, reflektiert die Zeit, bevor Ihr mit Virgil in das Inferno spazieren geht.