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Immer wieder fragen uns Mütter, ob ein Tattoo während der Schwangerschaft und Stillzeit ein Problem für das Kind darstellt. Da niemand bisher weiß, wo kleinste Rückstände der Tattoofarbe (z.B. Nanopartikel) im Körper letztlich landen, können wir nicht guten Gewissens dazu raten. Selbst während der Stillzeit birgt ein Tattoo möglicherweise Risiken für Babys. Wir haben uns dazu mit der Tätowiererin Julia Oertgen aus Essen unterhalten, um mehr über das Thema zu erfahren.
Hallo Julia, seit wann bist du Tätowiererin?
Mitte 2012 begann ich meine Ausbildung zur Tätowiererin und habe mich 2013 selbständig gemacht. Danach bin ich als Jungtätowierer von Shop zu Shop gereist, um Erfahrungen zu sammeln.
Lernt man während der Ausbildung neben dem Handwerk auch viel über die medizinischen Aspekte?
Natürlich, als Tätowiererin trage ich ja auch Verantwortung. Im besten Fall gibt dir das Studio, in dem du die Ausbildung machst, viel Wissen mit auf den Weg. Dabei sind sowohl Studiohygiene als auch das Wissen über die verschiedensten Infektions– und Desinfekions-Möglichkeiten ein absolutes Muss. Da ich auch das “Glück” hatte, zuvor eine Ausbildung zur Friseurin gemacht zu haben, konnte ich mir dort bereits viel Wissen über Haare, aber eben auch Haut, aneignen. Durch diesen gesamten Wissenshintergrund, weiß ich sehr gut, welche Auswirkung Fremdkörper auf die Organe haben können.
Dann kannst du uns die Frage sicherlich gut beantworten: Ist es gefährlich, sich als werdende oder frische Mutter tätowieren zu lassen?
Vorweg: Ja, es kann gefährlich sein. Mal abgesehen davon, dass das Immunsystem einer frischen Mutter immer auf Alarm steht, um das Kind zu schützen und sich somit leicht Infektionen einschleichen könnten (z.B. durch frische Wunden), ist nicht nur eine Mutter mehr gefährdet, sondern womöglich auch das Kind. Die meisten Abwehrkörper gibt die Mutter durch die Milch ans Kind, um es gesund zu halten. Falls also eine stillende Mutter eine Infektion bekommt, wird man auch Entzündungswerte in der Milch wiederfinden.
Aber es gibt noch weitere Punkte, die man bedenken sollte. Während des Tätowierens geben wir Fremdkörper unter die Haut. Da man beim Stechen blutet, gelangen somit Fremdkörper nicht nur unter die Haut, sondern auch ins Blut. Diese werden werden dann durch unser Lymphsystem abtransportiert. Das kann man sich als eine Art Zollstelle des Körpers vorstellen, an dem bestimmte Fremdkörper sozusagen beschlagnahmt werden. Solange man keine Allergien hat und über ein gesundes Immunsystem verfügt, ist das laut aktuellem Wissen auch gar nicht schlimm.
Wenn man allerdings noch ein Baby ist, sieht die Sache anders aus. Niemand weiß bisher genau, welche Schäden die Pigmente oder andere Bestandteile der Tattoofarbe in einem noch nicht ausgebildetem Immunsystem verursachen könnten. Somit ist auch nichts über die Spätfolgen für die Entwicklung bekannt. Hinzu kommt noch, dass man als Mutter nie über jede Allergie des Kindes bescheid weiß.
Das sind klare Aussagen. Manche Mütter pumpen ihre Milch ab und geben Sie ihrem Kind nicht direkt. Gilt das auch für sie?
Auf jeden Fall. Die Bestandteile der Tattoofarben verbleiben ja womöglich in der Milch.
Somit tätowierst du also keine Mütter während der Schwangerschaft und Stillzeit. Akzeptiert das jede Person sofort?
99 Prozent der Mütter verstehen es sofort, wenn ich sie über die möglichen Risiken aufkläre. Meine letzte Kundin mit Nachwuchs gehörte allerdings leider zum kleinen ein Prozent. Sie argumentierte, dass ja jede Mutter die Entscheidung selber treffen dürfe. Und sie hätte ihre Hebamme dazu befragt, die angeblich sagte, dass es okay sei. Abgesehen davon, dass ich solchen Aussagen eh nicht vertraue, lautet meine Antwort immer klar und deutlich: Nein, denn auch ich entscheide selbst darüber. Ich bin nicht nur die Expertin, sondern ich trage als Tätowiererin auch eine große Verantwortung. Die angesprochene Mutter bedankte sich übrigens für meine Sorgen ihrem Kind gegenüber mit einer 1-Stern-Bewertung auf Facebook.
Unfassbar. Aber toll, dass du so strikt bist.
Ja. Kein Tattoo ist so dringlich, dass man die Gesundheit eines Kindes aufs Spiel setzen müsste.
Sehen wir auch so: Better safe, than sorry! Vielen Dank, dass du dein Wissen mit uns geteilt hast.
Ist ein wichtiges Thema. Habe ich sehr gern gemacht!
Mehr über Julia erfahrt ihr hier. Ihr Studio Embers Lane findet ihr bei Facebook und Instagram.
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