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EMLA Creme: Weniger Schmerz beim Tätowieren – aber auch weniger Qualität?

EMLA – eine betäubende Creme, welche online in bekannten Tattoomagazinen mit dem exakt selben Werbetext angepriesen wird. Den gleichen Text findet man auch auf der Produkt-Website des Vertreibers Aspen.
Man erfährt dort, wie EMLA wirkt und wie es vor dem Tattootermin anzuwenden ist. Doch dass man die geplante Anwendung zuvor auf jeden Fall mit seinem Tattoo Artist absprechen sollte, findet keine Erwähnung. Auch die Gründe dafür sowie Nebenwirkungen werden komplett außen vorgelassen. Wir haben für euch mit Anwender*innen und Tätowierer*innen gesprochen und möchten euch deren Erfahrungen mit EMLA weitergeben.

Was ist EMLA überhaupt?
EMLA ist eine betäubende Creme, die lokal wirkt – also nur dort, wo sie aufgetragen wurde. Ein Gramm der Creme vom Hersteller Aspen enthält jeweils 25 mg der Wirkstoffe Lidocain und Prilocain, also je 2,5 %. Man bekommt die Creme ohne Rezept in jeder Apotheke.
Funktioniert EMLA denn?
Selbstverständlich erzielt EMLA den gewünschten Effekt. Schließlich ist die Wirkung der enthaltenen Stoffe Lidocain und Prilocain nachgewiesen. Entwickelt wurde die Creme jedoch für ein komplett anderes Anwendungsgebiet, welches so direkt nichts mit Tätowieren zu tun hat.
So findet EMLA Anwendung bei kleineren medizinischen oder chirurgischen Eingriffen. Dort nutzt man die Creme zur oberflächlichen Betäubung von Haut und genitalen Schleimhäuten. Beispiele wären das Einstechen von Nadeln zur Blutentnahme, die Betäubung vor der Haarentfernung mittels Laser oder das Nähen einer Wunde.
Eignet sich EMLA zum Tätowieren?
Der Werbetext hat auf die Frage, für wen sich EMLA denn eignen würde, eine ganz klare Antwort. „Wer ein Tattoo plant, kann die zu tätowierende Stelle zuvor lokal betäuben und damit den Schmerz während der Tattoo-Session senken.“ Soweit ist die Aussage korrekt – natürlich kann die Stelle zuvor betäubt und der Schmerz gelindert werden. Doch inwiefern das Ganze Auswirkungen auf das Tätowieren selbst und das Resultat hat, bleibt ein Geheimnis. Denn das ist für den Hersteller der betäubenden Creme auch völlig irrelevant, solange sie ihren eigentlichen Zweck erfüllt. Weitere Versprechen gibt es nicht.

Die Nebenwirkungen
Generell haben Lokalanästhetika eine Wirkung auf die Gefäße, weshalb eine vorübergehende Blässe oder Rötung der Haut bei EMLA Anwendung eintreten kann. Zudem können Ödeme, also Wasseransammlungen in der Haut, auftreten. Diese sind jedoch nicht Folge der Creme, sondern der Anwendung selbst. Bei dieser muss die eingecremte Stelle nämlich für ein bis zwei Stunden mit Folie abgedeckt werden.
Auch laut Packungsbeilage gehören Blässe, Rötungen und Schwellungen sowie anfängliches Brennen oder Jucken zu den häufigen Nebenwirkungen bei einer EMLA-Anwendung (1 von 10 Behandelten). Das Auftreten bestimmter Nebenwirkungen kann zu Problemen führen, da stark geschwollene Haut nicht unbedingt eine optimale Grundlage fürs Tätowieren bietet.
Hinzu kommt, dass die Creme maximal zwei Stunden lang Wirkung zeigt. Sobald die Betäubung nachlässt, fühlen Kund*innen sich vom Schmerz häufig überwältigt. Da dieser dann so intensiv wahrgenommen wird, ist ein Weitertätowieren oft nicht mehr möglich.

Verantwortung übernehmen!
Dass nun auch Tattoo-Magazine diesen Werbetext kommentarlos verbreiten und das Produkt aktiv bewerben, ist eine andere Sache. Dadurch entsteht fälschlicherweise der Eindruck, EMLA hätte sich über Jahre fürs Tätowieren bewährt und wäre in jedem Fall völlig unumstritten. Aufgrund ihrer Fachrichtung sollten doch gerade diese Magazine mehr Informationen bieten als den Werbetext des Vertreibers. Vor allem die möglichen negativen Auswirkungen auf das Tätowieren sollten nicht verschwiegen werden, wenn man Kund*innen das Produkt zum Tätowieren empfiehlt.
Eines der Magazine hatte bis vor kurzem selbst noch einen kritischeren Blick auf EMLA. So gab es Anfang des Jahres zumindest noch diesen Hinweis: „In manchen Fällen wurde jedoch beobachtet, dass mit »Emla« behandelte Haut Tätowierfarbe schlechter annimmt, was zu Qualitätsverlusten bei der Tätowierung führen kann.“ Mittlerweile ist dieser Hinweis von der Website des Magazins verschwunden. Nur der Werbetext und die zahlreichen EMLA-Banner bleiben zurück. Ob das nun an neuen Erkenntnissen auf dem Gebiet liegen mag, ist fraglich. Denn eine Änderung der Rezeptur oder Ähnliches scheint es nicht gegeben zu haben.
Eure Erfahrungen mit EMLA
Im Rahmen dieses Artikels haben wir auch die Community nach ihren Erfahrungen mit EMLA gefragt und zahlreiche Zuschriften erhalten. Sowohl Kund*innen als auch Tätowierer*innen haben uns von ihren unterschiedlichen Eindrücken berichtet.
Tätowierer*innen
Dea Vectorink
„EMLA muss super lange einwirken und danach ist die Haut schon sehr aufgequollen. Zudem lässt die Wirkung nach, sobald Luft dran kommt. Das heißt, wenn man erstmal alles abgewischt und das Stencil aufgelegt hat, ist schon eine halbe Stunde Wirkungszeit um. Ich bin bei großen Sachen der Meinung: Durch die Linien muss man durch, danach ist Schummeln im Rahmen des Möglichen erlaubt. Allerdings komplett auf eigene Verantwortung des Kunden und nur, wenn aus medizinischer Sicht nichts dagegen spricht.“
Dennis Awe
„Meiner Meinung nach ist EMLA als oberflächliches Betäubungsmittel beim Tätowieren ungeeignet. Das liegt zum einen daran, dass die Creme die Haut aufschwemmen kann, somit dem*der Tätowierer*in Probleme bereitet und Einfluss auf die Qualität des abgeheilten Tattoos nehmen kann. Zum Anderen zieht EMLA (und jede andere Betäubungscreme) nicht gleichmäßig in die Haut ein und betäubt nicht jeden Quadratzentimeter mit derselben Intensität. Es kann also passieren, dass der*die Kund*in eine Stunde lang relativ schmerzfrei tätowiert wird und dann – ohne die Möglichkeit sich drauf einzustellen – plötzlich große Schmerzen empfindet. Das führt dazu, das man dann vielleicht sogar zuckt und der Artist Tattoo-Linien verreißt. Wer EMLA dennoch benutzen möchte, soll das bitte im Vorfeld dringend mit seiner*m Künstler*in abklären. Ich persönlich finde meditative Atemübungen sehr effektiv, um sich als Kunde nicht auf die Schmerzen zu fokussieren. Denn am Ende ist der Schmerz vor allem Kopfsache.“
Sinah Ra
„Bisher habe ich direkt beim Tätowieren keine schlechten Erfahrungen damit gemacht, bis auf leicht aufgeschwemmte Haut. Das kann das Einbringen der Farbe leicht erschweren. Darin, dass man dadurch teilweise entspannter sehr schmerzhafte Stellen oder Projekte von weiter weg fertigtätowieren kann, sehe ich einen Vorteil – trotzdem mache ich es lieber ohne. Von Freunden habe ich gehört, dass der Schmerz nach dem Tätowieren zum Teil dann stärker nachkommen kann und den Körper damit überfordert. Deshalb lieber Zähne zusammenbeißen und den Körper natürlich an den Schmerz gewöhnen lassen.“
Mo Ducommun
„Ich habe erst vor Kurzem zum ersten mal selbst EMLA benutzt. Am Anfang war alles super easy, aber der Schmerz kommt halt irgendwann trotzdem. Als Tätowiererin ist es mir lieber die Kunden ohne Betäubungscreme zu tätowieren. Man soll seine eigenen Grenzen einschätzen können und je nach Stelle ist es echt so, dass sich die Hautstruktur irgendwie ändert. Aber mir ist es am liebsten, wenn ich das Design fertigtätowieren kann und der Kunde nicht mega leidet und zuckt. Eine sehr individuelle Geschichte.“
Joel (Geeks_ink)
„Weder bei mir noch bei meinen Kunden haben Betäubungscremes je etwas gebracht. Im Gegenteil. Ich habe sehr schlechte Erfahrungen gemacht mit Kunden, die sich vor dem Termin aus Angst schon zu Hause mit EMLA eingecremt haben. Die Haut war dann wie aufgeschwemmt und hat die Farbe nur ganz schlecht angenommen.“
Anwender*innen
Mika B.: „Ich fand den Schmerz, als die Creme nachgelassen hat, viel schlimmer als sonst. Wahrscheinlich, weil man sich nicht so richtig drauf vorbereiten kann. Meine Tätowiererin meinte auch, dass die Haut schlechter abheilt und die Farben nicht so leuchten. Das kann ich allerdings nicht wirklich bestätigen oder verneinen.“
Alex W.: „EMLA hat die erste halbe Stunde super geholfen. Dann war’s aber auch schon wieder vorbei und der Schmerz wurde doppelt so schlimm.“
Mieze: „Ich habe EMLA benutzt, als ich mein Rippen-Tattoo habe covern lassen. Sonst hätte ich die Sitzungen nicht so lange durchgehalten. Richtig angewendet funktioniert das super und meine Haut war auch nicht aufgeschwemmt. An so empfindlichen Stellen und bei großen Projekten würde ich es wieder machen – aber auch nur dann.“

Unser Fazit
Am Ende können wir euch nur raten möglichst auf betäubende Cremes zu verzichten. Viele Tattoo Artists finden, dass die mit EMLA vorbehandelte Haut aufgeschwemmt wirkt und die Tätowierfarben sich schwieriger einarbeiten lassen. Dabei scheint besonders das Einbringen von Linien und einheitlichen Farbflächen erschwert zu sein. Auch einige Anwender*innen sind nicht zu hundert Prozent von EMLA überzeugt. So haben viele die Erfahrung gemacht, dass die Wirkung von EMLA während des Tätowierens bereits nachließ und der Schmerz dann deutlich intensiver war als sonst.
Solltet ihr eine Anwendung planen, sprecht das in jedem Fall mit eurem Tattoo Artist und einem*r Apotheker*in ab! Tätowierer*innen dürfen euch aus rechtlichen Gründen keine Medikamente bereitstellen oder auftragen. Gerade apothekenpflichtige Arzneimittel sollten nur von geschultem Personal mit den dazugehörigen Hinweisen angenommen werden.
Falls ihr noch keine Tattoo-Erfahrung habt, verzichtet bitte zunächst auf die Anwendung solcher Cremes. Sammelt erst einmal Erfahrungen, um abschätzen zu können, ob eine solche Vorbehandlung für euch überhaupt nötig ist. Denn meist ist die Angst vor dem Unbekannten größer als der Schmerz selbst.