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Tätowiertwerden ist oft eine intime Angelegenheit. Dabei vertrauen Kund*innen ihren Tätowierer*innen und lassen sich von ihnen teils sehr persönliche Geschichten verewigen. Außerdem verbringen sie während einer Session oft Stunden in engem körperlichen Kontakt miteinander. Daher sollte ein neutrales und professionelles Verhältnis zwischen Kund*innen und Artists immer an oberster Stelle stehen.
Ein Tattoo-Studio muss ein Ort sein, an dem sich jede*r wohlfühlt, das Machtverhältnis nicht ausgenutzt wird und die emotionale sowie körperliche Unversehrtheit – abgesehen von der professionellen Tätowierung natürlich – gewahrt werden. Dafür tragen Artists ihren Kund*innen gegenüber eine große Verantwortung.
Nun gibt es in der Branche jedoch auch Menschen, die ihre Machtposition ausnutzen und ihre Kund*innen beleidigen, diskriminieren, belästigen oder missbrauchen. Da Kund*innen vor genau diesen Erfahrungen geschützt werden sollten, sind solche Tätowierer*innen für die Branche nicht tragbar. Seit Jahren versucht die Szene über Mund-zu-Mund-Propaganda Kund*innen und Kolleg*innen vor diesen Tätowierer*innen zu warnen. Doch in Zeiten von Social Media gibt es mittlerweile auch reichweitenstärkere Maßnahmen.
Exposing birgt Gefahren
Menschen wie Angelique Houtkamp, Tätowiererin und Inhaberin des Amsterdamer Studios “Salon Serpent”, warnen schon länger vor ebensolchen Tätowierern – und zwar öffentlich. Auf einem extra angelegten Account postet sie die Erfahrungen, welche Opfer mit dem jeweiligen Tätowierer gemacht haben. Dabei benennt sie die Täter klar, während die Opfer zum Schutz anonym bleiben.
[Trigger-Warnung: Account berichtet explizit von körperlichem und psychischem Missbrauch] Unter dem Account “Surviving Toothtaker” hat Angelique die Nachrichten zu einem bestimmten Tätowierer gesammelt. Dieser belästigt und bedroht sie deswegen nun bereits seit mehreren Monaten.Vor circa einer Woche ermutigte Angelique aufgrund der zahlreichen Nachrichten, die sie erreichen, auch andere dazu, einen solchen Account zu erstellen. Dabei riet sie aufgrund ihrer Erfahrungen den Betreiber*innen dazu, anonym zu bleiben, um sich selbst zu schützen. Ein paar Menschen kamen dieser Idee nach und so gibt es seit wenigen Tagen auch einen solchen Account, der sich Tätowierer*innen in Deutschland widmet. Die anonymen Betreiber*innen veröffentlichen dort die Nachrichten derer (ebenfalls anonym), die sich mit ihren negativen Erfahrungen an sie wenden.
Interne Blacklist
Auch bei Feelfarbig ist das Thema zweifelsohne seit der Gründung präsent. Als Tattoo-Magazin tragen wir das Risiko, ungewollt Tätowierer*innen zu unterstützen, die manchen Kund*innen gegenüber übergriffig, beleidigend oder diskriminierend handeln. Natürlich möchten wir solchen Menschen keine Reichweite schenken oder über sie und ihre Arbeit berichten.
Daher führen wir quasi von Beginn an intern eine Blacklist, auf welcher wir Tätowierer*innen eintragen, die aus verschiedenen Gründen niemals auf Feelfarbig landen sollen. Wenn es nicht gerade um handwerkliche, hygienische oder künstlerische Aspekte geht, steht dabei der schlechte Umgang mit Kund*innen im Vordergrund.
In diese Blacklist pflegen wir auch stets die Hinweise ein, die uns von Kund*innen oder anderen Tätowierer*innen anvertraut werden. So haben wir in der Vergangenheit auch eine Handvoll Artists aufgrund ihres Verhaltens gegenüber Kund*innen wieder von unserer Seite entfernt.
Im Umkehrschluss bedeutet dies übrigens nicht, dass ein Artist, der nicht auf unserer Website zu finden ist, automatisch auf dieser Blacklist steht. Da wir unsere Auswahlkriterien über die Jahre hinweg verschärft haben und weiterhin ein kleines Team sind, findet ihr hier immer nur einen Bruchteil aller vertrauenswürdigen Artists.
Zwickmühle Rechtsstaat
Natürlich können wir auf diesem Weg nicht alle weiteren potentiellen Opfer solcher Tätowierer*innen schützen, sondern lediglich dafür sorgen, diesen Menschen keine Reichweite zu schenken. Eine Veröffentlichung dieser Liste ist für uns leider nicht möglich, da die dort geführten Artists zum Großteil in Deutschland leben und somit sehr einfach rechtliche Schritte gegen uns einleiten könnten.
Gerade als Nichtbetroffene könnten wir uns dann auf Strafanzeigen wegen Verleumdung oder übler Nachrede aufgrund der “fehlenden Beweise” einstellen. Ein solcher Kampf, welchen man mit seinem Klarnamen führt, ist für ein Tattoo-Magazin wie uns nicht zu stemmen.
Hinweise sind natürlich immer willkommen!
Da wir den falschen Menschen definitiv keine Aufmerksamkeit schenken wollen, sind wir stets offen für eure Hinweise und Erfahrungen.
Ab und zu erhalten wir auch Nachrichten, welche “nur” Hören-Sagen in sehr abstrahierter Form weitergeben. Diese sind für uns dann oftmals weniger leicht einzuordnen als konkrete Erfahrungen von Betroffenen. Wir versuchen auch diesen vageren Hinweisen im Rahmen unserer Möglichkeiten besten Gewissens nachzugehen. Dennoch haben wir dabei in Vergangenheit bereits den “falschen Leuten” vertraut, Aussage gegen Aussage abgewägt oder nicht frühzeitig genug gehandelt.
Wir sind kein Gericht, wir brauchen keine eindeutigen Beweise und für uns steht die Sicherheit der Kund*innen immer an oberster Stelle. Nur weil eine Person gute Erfahrungen mit jemandem gemacht hat, stellen wir die schlechten Erfahrungen anderer nicht in Frage. Doch auch unser Handeln hat Konsequenzen und unsere Entscheidungen sollten daher Hand und Fuß haben. Schon vor gut zwei Jahren, als unsere Reichweite nur einen Bruchteil der heutigen betrug, erreichten uns Rückfragen, als wir eine Person von unserer Seite entfernt haben: “Warum ist XY nicht mehr dabei?” Daher ist uns bewusst, dass so etwas nicht ungesehen bleibt und auch für den Artist gegebenenfalls Konsequenzen hat.
Passt auf euch auf!
Wichtig ist, dass kein Opfer sich in der Verantwortung sehen sollte, andere vor ihrem Abuser schützen zu müssen. Wer sich nicht mitteilen kann oder möchte, trägt keinerlei Schuld an dem Handeln des*der Tätowierer*in gegenüber anderen Kund*innen. Dafür ist diese Person ganz allein verantwortlich.
Wer sich bei seinem Tattoo-Termin unwohl oder sogar unsicher fühlt, muss den Termin auf gar keinen Fall durchziehen. Wenn ihr es schafft, dann flieht aus dieser Situation – keine Anzahlung und kein Tattoo der Welt sind das Wert! Solltet ihr es nicht schaffen, die Situation zu verlassen, trifft euch dennoch keine Schuld am Vorfall – Schuld hat immer der*die Täter*in.
Wenn ihr euch mitteilen möchtet, schreibt uns gerne – wir behandeln eure Nachrichten wie gehabt stets vertraulich und veröffentlichen sie niemals. Wir sind per Instagram Direktnachricht oder per E-Mail erreichbar und sind für jeden Hinweis dankbar, der uns davor bewahrt, unsere Reichweite mit übergriffigen oder diskriminierenden Tätowierer*innen zu teilen.
Und: auch Tätowierer*innen können es mit übergriffigen Kund*innen zu tun bekommen. Auch davon wurde uns bereits berichtet und auch diesen Berichten schenken wir Glauben. Dennoch haben wir diese Vorfälle hier außen vor gelassen, da wir auf diese keinen Einfluss nehmen können.
Das Fazit ist eindeutig: Kein anonymer Instagram-Account oder öffentliches Tattoo-Magazin kann dieses Problem alleine aus der Welt schaffen. Wir müssen alle unseren Teil dazu beitragen. Hinterfragt euren Umgang mit Kund*innen, teilt eure Erfahrungen und sprecht das Fehlverhalten anderer oder euer eigenes offen an, wenn es euch möglich ist. Tattoo-Studios müssen ein neutraler Ort sein, an dem Kund*innen sich sicher fühlen können – und zwar immer.
Feelfarbig wird immer kostenlos bleiben!