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Die von Andy Han Hand in den Niederlanden gegründete Stiftung “Spijt van Tattoo” (zu Deutsch etwa “Tattoos bereuen”) startete mit der kostenlosen Entfernung von Tätowierungen auf Gesicht, Hals und Händen. In Anspruch nehmen dürfen dies Arbeitslose, die denken, dass ihre Tätowierungen die Jobsuche erschweren oder gar verhindern.
117 Freiwillige
In den letzten Monaten haben sich 117 Niederländer ohne Arbeitsstelle bei der Stiftung angemeldet. Bei fast allen handelt es sich um Tätowierungen aus der Jugend, die ihnen anscheinend ihre Jobsuche vermiesen. Während des gestrigen Kick-Off-Meetings an der Erasmus-Universität in Rotterdam stellte man die ersten zehn ausgewählten Teilnehmer vor. Initiator der Stiftung ist Andy Han, der zusammen mit seiner Frau eine Tätowierungs- und Laserpraxis führt. Zum Startschuss äußert er seine Bedenken Tattoos gegenüber: “Wir sehen, dass sich Menschen immer jünger tätowieren lassen. Dabei vor allem zunehmend an den Händen, im Nacken oder im Gesicht. Genau wie Profifußballer, Rapper und andere Pop-Idole. Wir warnen dann: Ihre Idole leben in finanzieller Unabhängigkeit. Wenn Sie später von der Schule kommen und arbeiten möchten, kann ein Arbeitgeber diese Tätowierungen als Entschuldigung dafür verwenden, sie nicht einzustellen. Deshalb tätowieren wir grundsätzlich keine Hände und Gesichter.”
Rebellische Zeiten
In seiner Praxis behandelt Han oft Fehltritte und Tattoos aus “vergangenen rebellischen Zeiten”. Dort erfuhr er auch immer häufiger, dass viele seiner Kunden das Gefühl haben, aufgrund ihrer Tattoos nach Vorstellungsgesprächen eine Absage erhalten. Dies bewegte ihn dazu, seine Stiftung ins Leben zu rufen. “Ich möchte Menschen einfach unterstützen, die ihre Tattoos bereuen und keine Arbeit finden”, verrät Han weiter. “Einer der Jungs, der beim Kick-Off dabei ist, erzählte mir sogar, dass sie ihn an seinem ersten Tag als Müllsammler wegen seiner Tätowierungen im Gesicht nach Hause schickten”.
Kostenlos ist nichts im Leben
Um bei der Stiftung angenommen zu werden, muss man allerdings verschiedene Voraussetzungen erfüllen. Arbeitslos sein allein reicht Andy Han nicht. Eine der Bedingungen ist, dass die Interessenten sich ebenfalls bereit erklären, an einer Dokumentation über die Stiftung teilzunehmen. Dazu gehören Interviews, Fotos und Filmaufnahmen. Diese planen sie dann später an weiterführenden Schulen zu zeigen. Eine andere Voraussetzung lautet, dass sich die Teilnehmer an einer Forschung der Erasmus-Universität beteiligen, die die nonverbale Kommunikation von Tattoos untersuchen will.
Kommentar
Auch wenn es generell löblich ist, junge Menschen bei der Jobsuche zu unterstützen, differenziert Andy Hans Stiftung eindeutig zu wenig. Es wird weder die Qualität der Tattoos thematisiert, noch betont, dass die zu entfernenden Tätowierungen in allen Fällen eher zur Kategorie “Hinterhof Pfusch” gehören. Sichtbare Tattoos werden grundsätzlich verteufelt und für schlechte Jobchancen verantwortlich gemacht. Visuell wirbt die Stiftung mit Fotos aus einem Buch von Steven Burton, das vor allem Ex-Gangmitglieder porträtiert. Dass es aber auch Tätowierungen an sichtbaren Stellen geben kann, die eine Person nicht entstellen, wird bei der Kommunikation des gesamten Themas leider komplett verschwiegen. Wie am Ende die jungen Arbeitssuchenden in der Dokumentation dargestellt werden, möchten wir uns unter diesen Voraussetzungen gar nicht erst vorstellen.
Die grundsätzliche Message “Lasst euch in jungen Jahren nicht als erstes an sichtbaren Stellen tätowieren” unterschreiben wir von Feelfarbig ja jederzeit. Nur halt “…sonst seht ihr nämlich in jedem Fall entstellt aus, bekommt niemals einen Job und werdet böse und kriminell!” eben nicht. Denn dass es auch anders geht, haben wir mit eurer Hilfe schon mehrfach bewiesen.
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