Corona und Tattoos: Gerüchte im Faktencheck

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Disclaimer: Nicht jede Person, die falsche Informationen glaubt oder verbreitet, hat böswillige Absichten. Die Faktenlage ist manchmal nicht so übersichtlich, wie es zu wünschen wäre.
Dennoch sollte man nicht vergessen: Meinungen sind keine Fakten, Fakten sind keine Meinungen und das Verbreiten von Falschinformationen kann ggf. großen Schaden anrichten.

Inhalt

Auch über ein Jahr nach dem Ausbruch des Coronavirus SARS-CoV2 gibt es noch viele Unsicherheiten und Probleme mit Information und Desinformation. Durch die unterschiedlichen Regelungen in den verschiedenen Bundesländern haben zudem viele den Überblick verloren.

So kursieren mittlerweile auch einige Gerüchte und Missverständnisse rund ums Thema Corona bezüglich des Tätowierens. Doch was davon stimmt und was ist nur teilweise oder gar nicht richtig? Wir haben für euch die Punkte und Fragen zusammengetragen, mit denen wir uns am häufigsten konfrontiert sahen. Dazu geben wir euch natürlich auch gleich die passenden Antworten samt Quellenangaben und hoffen so für mehr Klarheit zu sorgen!

1. „Zuhause tätowieren ist okay, oder?“

Vorab: Nein – Achtung, es drohen hohe Bußgelder!

Ein paar Tätowierer*innen sind aktuell wohl unterwegs und machen „Hausbesuche“ oder tätowieren Kundschaft bei sich daheim. Was ansonsten verpönt ist und als hochgradig unprofessionell und unseriös gilt, ist nun für manche – wohl auch aus Verzweiflung – ein Weg.

Dabei sollte man jedoch wissen, dass auch das Tätowieren außerhalb eines Tattoo-Studios in der Regel einen Verstoß gegen die Corona-Verordnung darstellt. So ist nicht in jeder Verordnung lediglich das Öffnen des Studios untersagt, sondern wie zum Beispiel hier in der nordrhein-westfälischen Verordnung zu lesen, explizit die Erbringung der Dienstleistung des Tätowierens. Rechtlich gesehen spricht man von einer Dienstleistung, wenn eine selbstständige Tätigkeit erfolgt, „die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird“.

Mangelnde Dokumentation

Ein weiteres Problem bei solchen „Wohnzimmer-Tattoos“ ist, dass dabei keine schriftliche Einwilligungserklärung und Aufklärung erfolgt. Wäre ja auch schön doof, den Verstoß gegen die Verordnung zusätzlich noch schriftlich festzuhalten. Dementsprechend erfolgt keine weitere Dokumentation, zum Beispiel von Vorerkrankungen oder der genutzten Tattoofarben.

Leider geht hiermit auch eine wichtige Basis für beide Seiten verloren, die besonders bei auftretenden Komplikationen von Bedeutung wäre. Auch fraglich ist, ob die notwendigen hygienischen Bedingungen am jeweiligen Ort überhaupt erfüllt werden können.

Auch weitere Aspekte wie Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung sowie deren Konsequenzen sollte man nicht außer Acht lassen.

Ausnahmen

Als Ausnahme gilt das Tätowieren der eigenen Person. Wer sich selbst tätowiert, erbringt keine Dienstleistung. Auch das Tätowieren direkter Familienangehöriger oder von Freund*innen ist möglich, solange es sich um eine rein freundschaftliche Aktion im privaten Rahmen, bestenfalls ohne Entgelt, handelt. Wer nun jedoch umherzieht und seinen gesamten Freundeskreis tätowiert, dem würde wahrscheinlich gewerbliches Handeln unterstellt werden.

Unabhängig davon kommt natürlich das zur jeweiligen Zeit im Bundesland geltende Kontaktverbot hinzu. Auch dieses und mögliche weitere Maßnahmen sollten keinesfalls missachtet werden.

2. „Das Immunsystem Tätowierter ist stärker – das hilft gegen Corona!“

Auch diese Behauptung ist leider (!) nicht richtig. So praktisch und cool es auch klingen mag, so unbelegbar ist diese Aussage zurzeit.

Bereits im November 2019 haben wir die Frage, ob Tattoos das Immunsystem stärken, behandelt. Dabei war unser Fazit am Ende des Artikels, dass es keine ausreichenden Forschungsdaten gibt, um diese Frage eindeutig beantworten zu können. Da sich der Forschungsstand auf diesem Gebiet seitdem nicht wirklich verändert hat, können wir auch heute keine Aussage über einen eindeutigen Zusammenhang von Tattoos und einem stärkeren Immunsystem treffen.

Keine Daten, keine Fakten

Statistiken zum Anteil der an COVID19 erkrankten Personen mit Tätowierungen gibt es zurzeit nicht. Dass diese in nächster Zeit kommen, ist unwahrscheinlich, da es aktuell wichtigere Zusammenhänge zu untersuchen gibt. Daher lässt sich auch absolut keine Aussage zu einem leichteren Krankheitsverlauf oder einer niedrigeren Infektiosität Tätowierter treffen.

Außerdem sollte man bedenken, dass zahlreiche Faktoren Einfluss auf das Immunsystem nehmen. Zu den besser untersuchten Faktoren gehören zum Beispiel die Ernährung, Impfungen oder sportliche Aktivität.

3. „Brauchen wir jetzt überall FFP2-Masken?“

Nein, nicht überall. Beim letzten Corona-Gipfel wurde lediglich eine Pflicht zum Tragen von medizinischen Masken beschlossen. Dazu gehören OP-Masken vom Typ II oder IIR, FFP2-Masken, FFP3-Masken und die chinesischen KN95-Masken.

Die nur wenige Cent teuren "OP-Masken" reichen für den Einkauf oder den öffentlichen Nahverkehr vielerorts völlig aus.
Die nur wenige Cent teuren „OP-Masken“ reichen laut Verordnung für den Einkauf oder den öffentlichen Nahverkehr vielerorts aus.

Ab wann diese neue Maskenpflicht nun gilt, hängt von den jeweiligen Ländern ab. Diese müssen, wie auch bei anderen Entscheidungen, ihre Verordnungen dementsprechend anpassen und veröffentlichen. Auch genauere Angaben dazu, wo diese Masken dann verpflichtend sind, wird in den Verordnungen der einzelnen Bundesländern festgehalten.

Bayern als Ausnahme

Die einzige Ausnahme stellt hier zurzeit der Freistaat Bayern dar. Dort ist das Tragen von ausschließlich FFP2-Masken (oder vergleichbaren, wie z.B. KN95) Pflicht. Getragen werden müssen solche Masken in Bayern im ÖPNV sowie sämtlichen Handels- und Dienstleistungsbetrieben. Dazu zählen beispielsweise auch Arztpraxen oder sonstige therapeutische Praxen.

4. „Also bringen die Alltagsmasken gar nichts?“

Nachdem nun die Pflicht zum Tragen medizinischer Masken in bestimmten Situationen beschlossen wurde, kommen bei manchen Zweifel auf. Bisher sollten die Alltagsmasken aus Stoff doch genügt haben. Wieso ist das plötzlich nicht mehr so?

Anfang 2020: Masken waren rar

Die Frage ist natürlich berechtigt, jedoch lässt sie andere wichtige Faktoren außer Acht. So hieß es im März 2020 noch zunächst, dass keine bundesweite Maskenpflicht eingeführt werden solle. Während diese Diskussion noch in Gange war, führten die ersten Landkreise bereits eine Maskenpflicht im ÖPNV und den Supermärkten ein.

Die oberste Priorität lag damals darauf, zunächst Angestellte in medizinischen Berufen sowie Sicherheitspersonal ausreichend zu versorgen. Der Markt für Schutzmasken war sehr umkämpft, sodass die Preise teils unglaubliche Ausmaße annahmen. So haben medizinische Masken, einst 6 oder 17 Cent das Stück, teilweise plötzlich mehrere Euro gekostet.

Mittlerweile sollen jedoch genügend medizinische Masken vorliegen, sodass eine Verschärfung der Maskenpflicht in bestimmten Situationen nun möglich sei.

Stoffmasken haben keine Norm

Einer der Hauptgründe für das Verpflichten vom Tragen medizinischer Masken ist wohl deren Norm. Während Alltagsmasken aus zu dünnem oder zu grobmaschigem Stoff bestehen können, sind medizinische Masken normiert. So kann davon ausgegangen werden, dass jede*r im Supermarkt mindestens einen gleichwertigen Schutz für sich und sein Umfeld bietet.

Dennoch bietet auch Stoff Schutz

Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass die Alltagsmasken aus Stoff gar keinen Effekt haben. Vielmehr ist es so, dass deren Effektivität sehr stark von ihrer Beschaffenheit abhängt. Ja, Stoffmasken können Schutz bieten, aber medizinische Masken sind seit Jahren bewährt und bieten in der Regel einen besseren Schutz.

Die Unterschiede zwischen Alltagsmasken, OP-Masken, FFP-Masken und Gesichtsschildern haben wir euch bereits im Mai 2020 erläutert, als unter bestimmten Vorgaben tätowiert werden durfte. Dort erklären wir auch, welche Art von Maske welchen Schutz bietet und wie sie zu tragen sind.

5. „Coronahilfen kommen nicht an!“

Für viele Tätowierer*innen aktuell das Frust-Thema Nummer eins: die Coronahilfen. Und ja, die Auszahlungen laufen definitiv nicht ganz rund.

Vor einigen Tagen haben wir in unserer Community nachgefragt, wie es mit den Hilfen bisher aussieht. In einer nicht-repräsentativen Umfrage haben wir uns mit einer Frage an Solo-Selbstständige gerichtet. Dieser Bitte sind 868 Personen aus unserer Community nachgekommen. Die Frage lautete, ob sie bereits einen Anteil der November- und/oder Dezemberhilfe erhalten hätten. 504 Personen stimmten mit „Ja“ ab und 364 Personen gaben an, „noch keinen Cent erhalten“ zu haben.

Darüber hinaus erreichten uns einige Kommentare und Nachrichten von Tätowierer*innen, die uns Genaueres dazu mitteilen wollten.

Eine Künstlerin stellte ihren Antrag zum Beispiel selbst, hatte bereits nach kurzer Zeit eine Bestätigung und vier Tage später ihr Geld erhalten. Eine weitere Tätowiererin erzählte, dass Antragstellung und Auszahlung auch für sie und ihr Umfeld kein Problem waren. Weitere ähnliche Berichte von Personen, die mit der Coronahilfe zufrieden waren, erreichten uns.

Steuerberater*in: Gut oder schlecht?

Eine Künstlerin, die den Antrag über eine*n Steuerberater*in gestellt hat, berichtete, dass ihr Antrag „noch zur Prüfung ausstehe“. So erzählt sie, dass sie bis heute auf die restliche Auszahlung der Novemberhilfe warte.

Eine andere Tätowiererin hingegen habe auch mithilfe ihres Steuerberaters beantragt und die Novemberhilfe schnell bekommen.

Auch die übrigen Nachrichten, die wir in Bezug auf Antragstellung via Steuerberater*in bekamen, erzählen ganz Verschiedenes. Dementsprechend lässt sich eine schnelle oder verzögerte Auszahlung nicht allein auf der Inanspruchnahme von Steuerberater*innen begründen.

Mit etwas Glück…

Tatsächlich ergeben die Nachrichten, die wir dazu erhalten haben, generell ein gemischtes Bild. Einige haben Mitte Januar lediglich einen Abschlag der Novemberhilfe erhalten – von der Dezemberhilfe keine Spur. Andere wiederum scheinen bisher noch gar keine Zahlung erhalten zu haben.

Einen direkten Zusammenhang mit Antragstellung über eine*n staatlich geprüfte*n Steuerberater*in oder einem speziellen Bundesland konnten wir in Bezug auf den zügigen Erfolg des Antrags nicht feststellen.

Unserem Eindruck nach kamen die Coronahilfen branchenübergreifend nicht wirklich „einfach und schnell“ an. Auch zahlreiche Medien berichten seit Dezember immer wieder von allgemeinen Problemen und Verzögerungen bei der Auszahlung der Hilfen. Somit ist der Eindruck, dass die Coronahilfen nicht ankommen würden, zumindest auf einen großen Teil der Soloselbstständigen, zutreffend.

Einen wie von einigen wenigen vermuteten direkten Zusammenhang zur Tattoo-Branche („Die wollen uns Tätowierer pleite machen!“) können wir nicht bestätigen. Dagegen sprechen besonders die zahlreichen medialen Artikel, die von diversen Personen aus verschiedenen Berufsfeldern berichten.

Sonst noch Fragen?

Wir hoffen, dass dieser Artikel ein bisschen Klarheit in die eher unübersichtliche Faktenlage bringen konnte. Falls dich ein bestimmtes Corona- und Tattoo-Thema noch besonders interessiert oder verunsichert, melde dich gerne per Mail bei uns! So können wir vielleicht in einem weiteren Artikel noch offene Fragen und Unsicherheiten für dich und andere klären.


Quellen zu Punkt 1 -„Zuhause tätowieren ist okay, oder?“:

  • Art. 4 RI 2006/123/EG. Amtsblatt der Europäischen Union (2006). Richtlinie 2006/123/EG der Europäischen Parlaments und Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt.
  • Bussgeldkatalog.org „Corona-Bußgeldkatalog: Das kosten Verstöße“ [Aufruf: 21.01.2021]
  • Corona-Verordnungen der verschiedenen Bundesländer [Aufruf: 21.01.2021]
  • Rechtsanwalt Christian Solmecke im Interview (2021). „Unser Ding“ vom Saarländischen Rundfunk. [Aufruf: 21.01.2021]
Quellen zu Punkt 2 – „Das Immunsystem Tätowierter ist stärker – das hilft gegen Corona!“:

Quellen zu Punkt 3 – „Brauchen wir jetzt überall FFP2-Masken?“:

 
Quellen zu Punkt 4 – „Also bringen die Alltagsmasken gar nichts?“:

Quellen zu Punkt 5 – „Coronahilfen kommen nicht an!“:

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