Sonnencreme „speziell für tätowierte Haut entwickelt“ – Muss das sein?

Dein Support für Feelfarbig 🖤Hi! Schön, dass dir unsere Arbeit gefällt. Unsere Recherchen und Beiträge sind stets unabhängig und für dich kostenlos. Damit das auch so bleiben kann, freuen wir uns über deine Unterstützung. Vielen Dank! ✌️

Man liest es beinahe regelmäßig: Wohl jede*r vierte Deutsche* ist mittlerweile tätowiert. Mit der Masse an tätowierten Menschen rückt das Thema auch immer mehr in die Mitte der Gesellschaft.

So erscheinen Artikel rund um Tattoos heutzutage selbst in Magazinen wie „Cosmopolitan“, „Brigitte“ oder der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Dabei geht es nicht mehr nur um „Promi“-Tattoos, sondern immer häufiger auch um aktuelle Trends oder neue Produkte.

Doch durch die zunehmende Präsenz von Tattoos in der Öffentlichkeit werden Tätowierer*innen und tätowierte Menschen auch immer mehr zu einer attraktiven Zielgruppe für Unternehmen. Je näher die warmen Monate kommen, desto häufiger trifft man auf Werbung für ein Produkt: Sonnencreme – „Speziell für tätowierte Haut entwickelt“. Doch was macht diese Sonnencreme so besonders? Und braucht man das wirklich?

Cool, so viele neue Produkte!

Tatsächlich hat man das Gefühl, dass gerade in den letzten Jahren eine Menge neuer Tattoo-Produkte auf den Markt kamen. Wo man früher ganz selbstverständlich noch zu herkömmlicher Wund- und Heilsalbe griff, gibt es heute eine Vielzahl von Cremes zur Versorgung einer frischen Tätowierung.

Doch da hört es natürlich nicht auf: das Sortiment wächst! Pflegeprodukte in sämtlichen Konsistenzen und Duftrichtungen zur Anwendung vor, während oder nach dem Tätowieren. „Fördert die Heilung“, „Wirkt Juckreiz entgegen“, „Vermindert Rötungen und Schwellungen“, „Hält Farben leuchtend“, „Schützt vor Verblassen“ – all das sind Innovationen der Tattoopflege-Branche.

Mit der Zeit haben sich mehrere Hersteller von Tattoo-Pflegeprodukten etablieren und so ihr Sortiment erweitern können. Doch auch Unternehmen, die sich dem Thema Tätowierungen zuvor nicht gewidmet haben, bringen plötzlich Produkte für tätowierte Haut auf den Markt. Dass da oft nicht mehr als ein neues Design und leere Versprechungen hinter stecken, haben wir euch bereits am Beispiel von „AXE Ink Body Wash“ gezeigt.

Genauer Hinschauen lohnt! Wir haben Sonnencremes verglichen.
Genauer Hinschauen lohnt! Wir haben Sonnencremes verglichen.

„Speziell für tätowierte Haut entwickelt!“

Sonnencreme für tätowierte Haut – was kann die eigentlich? Nun, die Antwort ist ziemlich einfach: Nichts, was „normale“ Sonnencreme nicht auch kann.

Tatsächlich benötigt tätowierte Haut auch gar keinen anderen Sonnenschutz als nicht-tätowierte Haut. Wenn man ein Produkt jedoch teurer verkauft als das reguläre und dann noch „Tattoo“ draufschreibt, bringt das nun mal mehr Umsatz. Denn wer bereit ist viel Geld für ein Tattoo zu zahlen, ist oft auch gewillt, mehr Geld für dessen Schutz auszugeben.

„Tattoo-Sonnencreme“ vs. herkömmliche Drogerie-Sonnencreme

Beweise? Gern! Wir zeigen euch einmal anhand eines Beispiels, inwiefern sich eine „Tattoo-Sonnencreme“ von einer normalen unterscheiden kann. Unten sind die Inhaltsstoffe beider Cremes aufgelistet. Oben seht ihr die Inhaltsstoffe der Sonnencreme für „normale“ Haut aus der Drogerie und unten das „speziell für tätowierte Haut entwickelte“ Produkt.

Das „Tattoo-Produkt“ richtet sich generell an tätowierte Haut und wird nicht etwa speziell für frische Tattoos empfohlen. Laut Herstellern sollen beide Cremes vor jedem Sonnenbad großzügig auf die Haut aufgetragen werden.

Inhaltsstoffe der Sonnencremes im Vergleich
Sonnencremes – Inhaltsstoffe im Vergleich. Oben: Sonnencreme LSF 50 aus der Drogerie – 150ml für 5,95€. Unten: „Tattoo-Sonnencreme“ LSF 50″ – 100ml für 18,95€. Gelb markiert: Inhaltsstoffe, die in dem „Tattoo-Produkt“ enthalten, aber nicht Bestandteil der Drogerie-Creme sind.

Im Bild gelb markiert sind die Inhaltsstoffe, welche in der „Tattoo-Sonnencreme“, nicht aber in der herkömmlichen aus der Drogerie enthalten sind. Diese gehen wir im Folgenden einmal durch:
Titanium dioxid (nano): UV-Filter-Pigment in Sonnenschutzmitteln und diversen Hautpflegeprodukten
Silica (Kieselsäure): Entfernt Verunreinigungen von der Hautoberfläche durch schleifende/polierende Wirkung, reguliert Zähigkeit von Kosmetikprodukten und trübt diese ein, um Lichtdurchlässigkeit zu verringern
Panthenol: Hautpflegend, fördert Wundheilung
Parfum, Citral, Linalool & Citronellol: Verbessern den Geruch eines Produkts
Ethylhexylglycerin: Hautpflegend
Dimethicone: Silikon, hautschützend
Citric Acid (Zitronensäure): Reguliert den pH-Wert eines Produkts
Benzyl Alcohol: Konservierungsmittel

Was braucht meine Haut?

Während die Drogerie-Sonnencreme ohne Konservierungsstoffe und Parfum auskommt, finden wir diese Inhaltsstoffe in dem „Tattoo-Produkt“. Doch das sind wohl nicht die, durch welche die Creme sich besonders für tätowierte Haut eignen soll. Zusätzlich in der „Tattoo-Sonnencreme“ enthalten ist der mineralische UV-Filter „Titanium Dioxid“, welcher als unbedenklich gilt und einen weißen Film auf der Haut bildet. In der „Tattoo-Sonnencreme“ liegt Titandioxid jedoch als Nanopartikel vor, da diese auf der Haut als transparent erscheinen. Einen größeren Anteil macht in beiden Cremes jedoch der chemische UV-Filter Octocrylen aus, welcher im Gegensatz zu den mineralischen UV-Filtern als leicht bedenklich gilt.

So lächelt man nur, bevor man die Preise der
So lächelt man nur, bevor man die Preise der „speziell für tätowierte Haut“ entwickelten Sonnencremes kennt.

Somit stellen wir zwischen den beiden Produkten zwar Unterschiede fest, doch einen generell für tätowierte Haut vorteilhaften Inhaltsstoff können wir nicht entdecken. Besonders erschreckend finden wir übrigens den enormen Preisunterschied. Während das Drogerie-Produkt auf 100 ml 3,97 € kosten würde, betragen die Kosten für das „Tattoo-Produkt“ auf 100 ml 18,95 €. Dass jemand im Glauben seinen Tattoos etwas besonders Gutes zu tun, den fünffachen Preis zahlt, zeigt deutlich, wie gut das Vermarkten des Begriffs „Tattoo“ heute funktioniert.

So lässt sich für Sonnencreme festhalten, dass man mit tätowierter Haut keine Sonderbehandlung braucht. Man sollte am besten zu einem hohen Lichtschutzfaktor greifen und anschließend auf die persönliche Hautverträglichkeit achten. Auf einen Blick in die Inhaltsstoffe solltet ihr wirklich nicht verzichten, denn im Endeffekt kommt es auf nichts Anderes an. Weder das Schlagwort „Tattoo“ noch ein cooles Design können eure Haut vor schädlicher Sonnenstrahlung schützen.

Doch es gibt Ausnahmen…

Als Ausnahmen möchten wir hier noch einmal Sonnencremes anführen, die für frisch tätowierte, jedoch bereits verheilte Haut hergestellt wurden. Diese enthalten in der Regel zusätzlich Panthenol zur Förderung der Wundheilung und gegebenenfalls weitere Stoffe, welche die natürliche Hautbarriere stärken.

Zwar sollte man eine Tätowierung in den ersten Wochen ohnehin nicht der Sonne aussetzen, doch falls es unvermeidbar ist, möchten wir von solch speziellen Tattoo-Sonnencremes nicht abraten. Achtet jedoch darauf, dass eure Tätowierung oberflächlich keine Verletzung der Haut mehr aufweist. Es sollte wirklich eine vollkommen intakte Hautschicht vorliegen, da Sonnencremes ansonsten die Verheilung negativ beeinflussen können.


Hinweis

Wir möchten euch in diesem Beitrag keinen Hersteller empfehlen oder von einem bestimmten abraten. Vielmehr geht es darum mehr Bewusstsein für die Attraktivität tätowierter Personen als Zielgruppe zu schaffen. Lasst euch nicht von Schlagwörtern oder hübschen Designs blenden, sondern legt lieber Wert auf die Zusammensetzung eines Produkts, das ihr auf eure Haut schmiert. Nur weil „Tattoo“ draufsteht, bedeutet es nicht immer, dass auch Inhaltsstoffe enthalten sind, die nicht auch herkömmliche und günstigere Produkte mit sich bringen.
Das könnte dir auch gefallen