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Ephemeral: „Tattoos, die ein Jahr bleiben“ …bleiben doch länger!
Anfang 2021 startete das Unternehmen Ephemeral unter dem Motto „Tattoos that last a year“ – Tattoos, die ein Jahr bleiben. Nun holt sie nach knapp zwei Jahren die Realität ein, denn es meldeten sich einige zu Wort, deren Ein-Jahres-Tattoo auch nach weit über einem Jahr noch gut sichtbar ist.
Ephemeral – Tattoos that last a year?
Ephemeral ist ein Unternehmen, welches 2014 gegründet wurde und 2021 sein erstes Tattoo-Studio in New York eröffnete. Ins Deutsche übersetzt bedeutet „ephemeral“ vergänglich oder kurzlebig – genau das sollen auch ihre Tattoos sein.
So hat Ephemeral laut eigenen Aussagen eine Tattoofarbe entwickelt, welche wie herkömmliche Tattoofarbe tätowiert wird. Doch der große Unterschied zu normalen Farben ist, dass die Ephemeral-Farbe nach einem Jahr wieder verschwunden sein soll.
Während Anfang 2021 das erste Ephemeral Tattoo-Studio eröffnete, wurde man auf der Website des Unternehmens noch mit „Tattoos that last a year“ und „Regret nothing“, also „bereue nichts“, begrüßt. Wenn man auf der Homepage weiterlas, wurde dort ein Zeitraum von 9 – 15 Monaten genannt, in welchem ein Ephemeral-Tattoo wieder verschwinden sollte. Mit diesem Versprechen hat das Unternehmen seitdem mehr als 10.000 Kund*innen gelockt.
Zwei Jahre später
Nun melden sich vermehrt Menschen zu Wort, deren Ephemeral-Tattoo auch nach über 15 Monaten noch sichtbar ist. Dabei soll eine Tätowierung sogar nach 19 Monaten noch circa 75 % der ursprünglichen Sichtbarkeit haben. Ihre Erfahrungen haben einige Betroffene unter anderem dem San Francisco Chronicle und der NY Times geschildert sowie den direkten Austausch auf Reddit gesucht.
Heute findet man auf der Ephemeral-Website einen etwas weniger plakativen Spruch: „Take the Forever out of Tattooing.“ – „Nimm die Ewigkeit aus dem Tätowieren heraus“. Direkt darunter versprechen sie nun „Tattoos, die wenigstens ein Jahr halten. Nicht das ganze Leben lang.“
Zudem gibt es auch neue Informationen zur Haltbarkeit der Tätowierungen. So spricht das Unternehmen nun davon, dass nur „70 % der Kundschaft damit rechnen kann, dass ihr Tattoo in weniger als zwei Jahren verschwindet“. Dass somit auch 3 von 10 Menschen länger als zwei Jahre mit ihrem eigentlichen Ein-Jahres-Tattoo rumlaufen müssen, ist die logische Konsequenz.
Geld-zurück-Garantie? Ja, aber…
Darüber hinaus verspricht Ephemeral denjenigen, deren Tattoo auch nach drei Jahren noch sichtbar ist, eine Rückerstattung ihres Geldes. Zeitgleich betont das Unternehmen jedoch, dass ihre Tattoos „garantiert und zu 100 % wieder verschwinden“. Doch wann genau das der Fall ist, scheint man nicht mehr so ganz sicher beantworten zu wollen.
Bereits im Mai 2021 haben wir Ephemeral eine Presseanfrage zukommen lassen, die jedoch unbeantwortet blieb. Schon damals haben wir nachgefragt, ob es eine 100 %-ige Garantie gäbe, dass ihre Tattoos nach 15 Monaten verschwunden sein werden. Diese Frage scheint nun beantwortet zu sein: Nein, die gibt es nicht – und wer besonders viel Pech hat, bekommt nach 36 Monaten eben sein Geld zurück.
Ob und wie viele Kund*innen diese Geld-zurück-Garantie in Anspruch nehmen können, erfahren wir frühestens nächstes Jahr. Schließlich wurden die ersten offiziellen Ephemeral-Tattoos erst im März 2021 gestochen.
Auch auf der anderen Seite hat Ephemeral sich korrigiert und verspricht nun eine Haltbarkeit von mindestens 12 Monaten. Somit erhalten diejenigen, deren Tattoo nicht einmal ein Jahr hält, ein kostenloses Tattoo als Ersatz.
Aus ehemals 9 bis 15 Monaten Tattoo-Haltbarkeit sind nun also mindestens 12 bis maximal 36 Monate plus Geld-zurück-Garantie geworden.
Das Unternehmen lenkt etwas ein
Vor kurzem äußerte sich auch einer der Mitbegründer von Ephemeral zu dieser Thematik. So sagte er, dass es schwierig einzuschätzen sei, bei wievielen Menschen das Ephemeral-Tattoo wirklich bereits nach 15 Monaten verschwunden ist. Dies begründet er damit, dass das Unternehmen seine Kundschaft nicht dazu zwingen könne, ihnen Feedback oder Foto-Updates zuzusenden.
Zugleich teilte er mit, dass sich laut einer Umfrage 81 % ihrer Kundschaft ein weiteres Ephemeral-Tattoo stechen lassen würden. Wieviel Zeit zwischen dem Stechen ihres Ephemeral-Tattoos und der Umfrage lag, erwähnt er jedoch nicht. Sollte diese Umfrage, wie üblich, direkt oder kurz nach dem Tätowieren erfolgt sein, spräche das Ergebnis eher für die Zufriedenheit mit dem Service vor Ort. Jedoch wäre hier nicht das eigentliche Verkaufsargument, das Verschwinden des Tattoos im versprochenen Zeitraum, bewertbar.
Ein Blick in die Vergangenheit
Schon in den 1990er Jahren gab es Tattoos, die mit dem Versprechen beworben wurden, dass sie in wenigen Jahren wieder verschwunden wären. Damals nannte sich das Ganze Bio-Tattoo oder Temptoo.
Bei diesen sollte die Technik beim Tätowieren den Unterschied machen: die Farbe sollte nur in die oberste Hautschicht (Epidermis) gestochen werden. Richtige Tätowierungen werden hingegen in die darunterliegende Hautschicht (Dermis) eingebracht. Da sich die Epidermis circa alle 4 Wochen komplett erneuert hat, sollte dann auch das Bio-Tattoo wieder verschwunden sein. Betonung liegt hierbei leider auf „sollte“, denn für viele trat das Verschwinden nie ganz ein.
Das Problem bei Bio-Tattoos ist, dass man sie sehr präzise stechen müsste – und zwar bis auf wenige Tausendstel eines Millimeters genau. Nur so wäre die theoretische Einbringung allein in die Epidermis möglich, doch solch eine Präzision ist kaum realistisch.
Dies bestätigen auch zahlreiche Geschichten wie die von Anke Behrendt, welche 2008 dem Tagesspiegel von ihrem Bio-Tattoo berichtete. Ihr Bio-Tattoo sollte bereits nach 4 Jahren wieder verschwunden sein, doch statt sich aufzulösen wurde ihr Tattoo zu einem unförmigen, grün-grauen Etwas.
Wie sollen die Ephemeral-Tattoos funktionieren?
Nun stellt man sich natürlich die Frage, wie die Ephemeral-Tattoos überhaupt verschwinden sollen. Was ist so besonders an ihnen, dass sie nicht wie herkömmliche Tattoos für immer bleiben?
Anders als es bei Bio-Tattoos der Fall war, werden die Tattoos bei Ephemeral zumindest aus handwerklicher Sicht wie normale Tätowierungen eingearbeitet. Den Unterschied macht hier laut Ephemeral die Tattoofarbe, welche das Unternehmen selbst entwickelt hat. Bisher gibt es übrigens ausschließlich eine Ephemeral-Tattoofarbe in schwarz, welche auch nur in ihren eigenen Studios genutzt wird.
Ephemeral erklärt, dass ihre Tattoofarbe vollständig vom Immunsystem des Körpers entfernt werden kann. So soll die Farbe biologisch abbaubar sein und auf natürlichem Wege mit der Zeit vom Immunsystem entfernt werden. Normale Tattoofarben bzw. die dort enthaltenen Pigmente bleiben hingegen ewig in der Haut. Das liegt daran, dass sie von den Zellen unseres Körpers aufgrund ihrer Größe nicht abgebaut werden können. Stattdessen schließen Zellen die Pigmente ein und verankern sie vor Ort.
Die Idee hinter der Ephemeral-Farbe erinnert entfernt an das Prinzip, welches hinter der Entfernung von Tattoos mittels Laser steckt. Dabei erhitzt der Laser die großen Tattoo-Farbpigmente so stark, dass sie quasi platzen und in kleinere Bestandteile zerfallen. Diese kleineren Teile können dann vom Immun- oder Lymphsystem aus dem Gewebe abtransportiert werden. So ähnlich müsste es auch mit den Ephemeral-Farben geschehen – natürlich ohne Laser.
In der Theorie ja, aber in der Praxis…
Theoretisch sollen die Ephemeral-Tattoos natürlich alle wieder innerhalb weniger Monate verschwinden. Nun gibt das Unternehmen jedoch an, dass die Haltbarkeit der Tattoos sehr individuell ist. So sollen Faktoren wie Hauttyp und Art des Tattoos eine große Rolle dabei spielen.
So teilt Ephemeral nun mit, dass beispielsweise Schattierungen den größten Einfluss auf die Haltbarkeit der Ephemeral-Tattoos nehmen sollen. Je stärker ein Tattoo schattiert ist, desto länger braucht es, um zu verschwinden. Auch die Dicke der Linien hat eine Auswirkung darauf: je dünner das Linework, desto schneller verschwindet das Tattoo. Ebenso soll die Platzierung einen Einfluss nehmen. Laut Ephemeral verblassen ihre Tätowierungen beispielsweise am Handgelenk langsamer als auf den Rippen.
Gerade für diejenigen, die sich vom simplen „Tattoo für ein Jahr“-Versprechen locken ließen, sind all diese neuen Erkenntnisse sicher frustrierend.
Ephemeral: Tattoos, die wohl länger schlecht als gut aussehen
Für uns gibt es neben dem Hin und Her bezüglich der tatsächlichen Haltbarkeit der Ephemeral-Tattoos leider noch weitere Nachteile. Der große Vorteil wäre natürlich eine Tätowierung, die nicht für immer bleibt – sofern man sich so etwas wünscht. Und sofern das Tattoo wirklich komplett verschwindet.
Ein Nachteil ist in unseren Augen der Preis, welcher mit herkömmlichen Tattoos vergleichbar sein soll. Prinzipiell erhält man anstelle eines Tattoos, das möglichst lange gut aussehen soll, eines, welches möglichst schnell wieder verblassen muss. Besonders der Prozess des ungleichmäßigen Verblassens und langsamen Verschwindens sieht natürlich sehr unschön aus. Tatsächlich erinnert das Ganze dann an ein Tattoo, dass entweder grottenschlecht gestochen wurde oder aktuell gelasert wird. Wie lange man dann mit dieser Optik herumlaufen muss und wie lange das Tattoo wirklich gut aussieht, steht womöglich nicht im besten Verhältnis zueinander.
Zudem stehen für uns aktuell der große Vertrauensbruch sowie die unehrliche Vermarktung im Raum. Das extreme Marketing mit dem Fokus auf sorgenfreie Ein-Jahres-Tattoos, die man nie bereuen muss, hat einige in die Irre geführt. Sie bereuen ihr Ephemeral-Tattoo heute sehr wohl. Dies erscheint besonders ärgerlich in Anbetracht der Tatsache, dass sich zwei der Gründer noch während der Testung der Farben ein Ephemeral-Tattoo stechen ließen, wobei eines 18 Monate und das andere 2,5 Jahre hielt. So schien zumindest die Möglichkeit einer sehr individuellen Haltbarkeit der Tattoos den Gründern bewusst zu sein.
Wie wird es wohl weitergehen?
Wie es weitergehen wird, fragen sich sicher auch die Betroffenen, deren Ephemeral-Tattoos auch nach 15 Monaten noch nicht verschwunden sind. Schließlich haben sie sich damals noch unter dem Versprechen von „Tattoos, die ein Jahr bleiben“ tätowieren lassen. Möglicherweise wurde aber in der Einverständniserklärung vor dem Tätowieren näher auf den Zeitraum und mögliche Abweichungen eingegangen.
Aktuell stehen Gerüchte um eine Klage gegen Ephemeral im Raum. So wollen Betroffene sich zusammentun und gemeinsam an den Konzern herantreten, wie es in den USA oft üblich ist. Wie ernst diese Pläne jedoch sind und was daraus zukünftig noch wird, ist aktuell schwer absehbar.
Ebenso bleibt es spannend, ob wirklich alle Ephemeral-Tattoos nach spätestens 3 Jahren vollständig verschwunden sein werden. Wenn wir uns nochmal an die Bio-Tattoos erinnern, welche nach 4 Jahren verschwunden sein sollten, haben wir zumindest ein mulmiges Gefühl. Auch wenn die Technik hinter Ephemeral in unseren Augen vielversprechender klingt als der Ansatz der Bio-Tattoos, sind wir weiterhin eher skeptisch.
Aktuell scheint es keine Bestrebungen zu geben, das Produkt auch auf den Europäischen Markt auszuweiten. Wir behalten das Ganze aber selbstverständlich weiterhin im Auge und sind gespannt, wie die vermeintlich temporären Tattoos sich in den nächsten Jahren noch entwickeln werden.
Bis dahin bleiben die bereits erprobten Möglichkeiten für temporäre Tattoos wohl Dinge wie Klebetattoos, Airbrush-Tattoos, hautfreundliche Marker, Inkbox oder Tattoo-Ärmel. Diese variieren natürlich stark in ihrer Qualität und kommen weniger an ein „echtes“ Tattoo heran. Auf der anderen Seite bieten sie jedoch einen wirklich nur kurzzeitigen Einblick in das Gefühl des Tätowiertseins.
- Caleb Pershan (2022) „One temporary tattoo startup tells customers to ‘regret nothing.’ Now, some have regrets„. San Francisco Chronicle. Veröffentlicht am 02.11.2022. Letztes Update am 03.11.2022. [Zuletzt abgerufen: 28.02.2023]
- Callie Holtermann (2023) „Ephemeral Tattoos Were ‘Made to Fade.’ Some Have a Ways to Go„. NY Times. Veröffentlicht am 25.02.2023. Letztes Update am 27.02.2023. [Zuletzt abgerufen: 28.02.2023]
- Epehemeral (2021) Website: Homepage. Wayback Machine, web.archive.org/web/20210324070928/https://ephemeral.tattoo [Archivierte Website vom 24.03.2021 / Zuletzt abgerufen: 28.02.2023]
- Ephemeral (2021 – 2023) Instagram-Account des Unternehmens: @ephemeraltattoo. [Zuletzt abgerufen: 28.02.2023]
- Jeff Liu (2023) Ephemeral Website: Guarantee Update. Veröffentlicht am 03.02.2023. [Zuletzt abgerufen: 28.02.2023]
- Reddit-Forum (2023) „Subreddit: r/EphemeralTattoos„. Diverse Forenbeiträge von verschiedenen User*innen. [Zuletzt abgerufen: 28.02.2023]
- Sebastian Leber (2008) „Tattoos: Die falschen Zeichen gesetzt„. Tagesspiegel. Veröffentlicht am 04.02.2008. [Zuletzt abgerufen: 28.02.2023]