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Tipps zum Tätowieren auf dunkleren Hauttönen
Die New Yorker Tätowiererin Quiara Capellan (@Fairytatmother) hat vor Kurzem einen kleinen Guide zusammengestellt. Dort hat sie generelles Wissen und hilfreiche Tipps zum Tätowieren auf dunkleren Hauttönen zusammengetragen.
Quiara hat uns vorab ihr Okay zum Übersetzen des Guides gegeben, sodass ihr hier nun eine deutsche Version findet. Dabei haben wir hier nun keine wortwörtliche Übersetzung, sondern eine möglichst kompakte und auf den deutschsprachigen Raum zugeschnittene Version bereitgestellt. Hinzu kommt, dass wir an manchen Stellen noch Tipps oder Anmerkungen aus Gesprächen mit anderen Tattoo Artists einbringen konnten.
Vorwort
Im Vorwort schreibt Quiara, dass sie lediglich universelles Wissen zusammengetragen hat und nicht alles auf ihrer eigenen Erfahrung beruht. Sie selbst sei keine Expertin, tätowiere auch erst seit ein paar Jahren und möchte noch eine Menge lernen. Dennoch tätowiert sie hauptsächlich Menschen mit dunkleren Hauttönen und hat daher ein gutes Verständnis davon, wie sie es zu tun hat.
Es gibt natürlich nicht den einen perfekten Weg beim Tätowieren. Jede*r Artist hat eigene Methoden, einen eigenen Stil und eine individuelle Herangehensweise. Jetzt muss nur noch das Tätowieren auf dunkler Haut normalisiert werden und ausnahmslos jede*r sollte den richtigen Umgang lernen.
Man sollte sich bewusst sein, dass man beim Tätowieren einem Menschen Schmerzen zufügt und seinen*ihren körperlichen Zustand stark beeinflusst. Dies kann für einige eine sowohl körperliche als auf psychisch belastende Situation sein. Das sollte man als Tattoo Artist verstehen und dafür sorgen, dass man ein sicheres Umfeld für seine Kund*innen schafft. Dazu gehören für Quiara die richtige Kommunikation mit Kund*innen, das Aufbauen von Vertrauen und das Ausrotten von Vorurteilen in der Industrie. Dabei spricht sie spezifisch die Vorurteile gegenüber bestimmten Geschlechtern oder Ethnien an.
Jede Haut ist individuell
Jeder Hautton ist einzigartig und setzt sich aus einem Teint und verschiedenen Untertönen zusammen. Als Tattoo Artist sollte man sich nicht nur ausgiebig über die Haut im biologischen Sinne, sondern auch die verschiedenen Hauttöne informieren. Man sollte seinen Kund*innen erklären können, wie Hautfarben zustande kommen und welche körpereigenen Pigmente in der Haut vorliegen.
Man sollte wissen und erklären können, welche Umstände Einfluss auf das Einlagern von Tattoofarben in der Haut haben können. Dazu gehören beispielsweise der Hauttyp, diverse Hautkrankheiten, Narben oder die Körperstelle, die tätowiert wird. Außerdem sollten Kund*innen stets über das Risiko einer allergischen Reaktion und deren Folgen aufgeklärt werden.
Sonnenschutz und Bräune
Man sollte alle Kund*innen auf die regelmäßige Anwendung von Sonnencreme hinweisen. Besonders da Tätowierungen empfindlicher gegenüber der Sonne reagieren können, ist Sonnenschutz ein wichtiges Thema. Gerade frische Tätowierungen sollten die ersten Wochen überhaupt nicht der Sonne ausgesetzt sein. Auch Menschen mit einem dunkleren Hautton können sich einen Sonnenbrand zuziehen, weshalb sie dieselbe Einweisung erhalten sollten.
Hinzu kommt, dass gebräunte Haut das Aussehen von Tätowierungen verändern kann. So können die Farben beispielsweise dunkler, verfärbt oder blasser erscheinen. Auch die Sonnenstrahlen selbst können direkten Einfluss auf die Pigmente der Tattoofarben nehmen und diese verändern. Diese Informationen solltet ihr auch stets an all eure Kund*innen weitergeben.
Bitte nicht überstrapazieren!
Bei dunkler Haut sollte man besonders darauf achten, diese nicht zu sehr zu beanspruchen, da sie stärker zu Narbenwucherung und Vernarbung neigt. Auch beim Tätowieren selbst schwillt die Haut gegebenenfalls stark an. Wer Angst davor hat, die Haut zu sehr zu strapazieren, sollte eine Stelle nur soweit bearbeiten, wie es sichtbar möglich ist. Fleckige Stellen in farbigen Flächen kann man notfalls immer noch in einer weiteren Sitzung ausbessern.
Man sollte beim Tätowieren gegebenenfalls mit einer etwas niedrigeren Voltzahl bzw. Schlagstärke beginnen und sich langsam hocharbeiten. Dabei bieten Spulenmaschinen generell mehr Einstellungsmöglichkeiten als Rotarymaschinen. Auch für viele vielleicht interessant: Hand Poking sollte vergleichsweise schonender für die Haut sein, sofern natürlich nicht zu tief gestochen wird.
Um Kund*innen eine bessere Vorstellung der möglichen Verheilung des Tattoos zu geben, sollte man sie nach bereits bestehenden Narben fragen. Anhand dieser kann man die Abheilung der Tätowierung gegebenenfalls besser einschätzen. Dabei sollte man natürlich professionell bleiben und nicht direkt persönliche Fragen zur Herkunft der Narben stellen. Dennoch sind jegliche Informationen hilfreich, um den*die Kund*in im Vorfeld bestmöglich und individuell angepasst aufzuklären.
Es sollte generell eine gute Vertrauensbasis zwischen Künstler*in und Kund*in geben. Nur so kann offen über wichtige Fragen und auch über das Schmerzempfinden während der Sitzung gesprochen werden. Kund*innen sollte das Gefühl vermittelt werden, dass sie eine Sitzung nicht um jeden Preis durchziehen müssen.
Nachstechen
In den meisten Studios ist das Nachstechen innerhalb von verschiedenen Zeiträumen kostenlos. Gerade Kund*innen mit dunkleren Hauttönen solltet ihr das Nachstechen ausdrücklich kostenlos anbieten.
Farben testen
Kund*innen, die ein Custom Tattoo von euch bekommen, kann vorab die Möglichkeit eines Farbtests angeboten werden. So können nicht nur sie, sondern auch ihr als Tattoo Artist herausfinden, wie die Farben fürs geplanten Tattoo abgeheilt aussehen. So kann man eine perfekt auf den*die Kund*in zugeschnittene Farbpalette zusammenstellen, die Kund*innen realistische Erwartungen mitgibt.
Auch bei sehr bunten Wannados oder Flash Tattoos solltet ihr einen solchen Farbtest vorab in Betracht ziehen. Die hier entstehenden Zusatzkosten können im Gesamtpreis natürlich bedacht werden! Glücklicherweise können diese Farbtest-Tattoos unterschiedlich gestaltet werden und sehen sogar ziemlich cool aus. Ansonsten können sie je nach geplantem Motiv sicher auch ohne Probleme gut gecovert werden.
Quiara bietet ihre Farbtest-Tattoos normalerweise für 100 $ an und testet dort all ihre Farben. Falls ein*e Kund*in nur bestimmte Farben testen möchte, passt sie den Preis gegebenenfalls an.
Hautfarbe, Teint und Untertöne
Die individuelle Hautfarbe setzt sich aus Teint und Untertönen zusammen. Den eigenen Unterton kann man daran erkennen, wie die Blutadern durch die Haut scheinen. Falls die Adern eher bläulich bis lilafarbend erscheinen, ist der Unterton kühl. Erscheinen sie eher grünlich, hat man einen warmen Unterton. Sollte man weder eindeutig blau noch grün erkennen, so hat man einen neutralen Unterton.
Auch beim Tätowieren mit bunten Farben kann der individuelle Hautton eine Auswirkung haben. Dieser sollte bei der Wahl der Farben also bedacht werden. Dafür ist ein gutes Verständnis von Farbenlehre wichtig. Man sollte wissen, wie das Mischen von Farben funktioniert und welche Farben zusammen wie funktionieren. Grundlagen und Fachwissen zu diesen Themen findet man zuhauf kostenlos im Internet. Ansonsten bietet sich natürlich auch Fachliteratur an, welche es zu Genüge gibt.
Eine interessante Möglichkeit zum Üben auf diversen Hauttönen bietet beispielsweise AllSkin. Dort findet ihr Tattoo-Übungshaut in verschiedenen Hauttönen.
Stencil
Auch Stencil-Transferpapier und Hautmarker gibt es in verschiedenen Farben. Man muss natürlich darauf achten, dass man eine Stencil-Farbe wählt, die man auch sieht. Bei dunklerer Haut soll ein rotes Stencil am besten geeignet sein. In manchen Fällen eignet sich jedoch auch das herkömmliche, violette Stencil – da kommt es einfach aufs Motiv und den Detailgrad an.
Wer mit Farben arbeitet, jedoch keine schwarzen Outlines nutzt, sollte das bei der Wahl seiner Stencilfarbe bedenken. Die Stencilfarbe sollte die Tattoofarbe, mit der man arbeitet, nicht verfälschen. Beispielsweise könnte eine blaues Stencil rote Tattoofarbe lila färben oder gelbe Tattoofarbe grün erscheinen lassen.
Lichtquellen
Licht ist eine wichtige Grundlage, weshalb man ruhig in eine qualitativ hochwertige Lichtquelle investieren sollte. Quiara nutzt beispielsweise ein LED Ringlicht, bei dem man sowohl warmes als auch kühles Licht einstellen kann.
Außerdem kann eine Stirnlampe helfen. Auch wenn Deckenlicht, Stehlampen und Softboxen super sind, kann dennoch mal ein Schatten im Weg sein. Je nach Körperstelle kann eine Stirnlampe dann doch Wunder wirken.
Licht und Fotos
Beim Fotografieren ist die beste Wahl immer natürliches Tageslicht. Leider ist dieses nicht immer verfügbar, weshalb man oft alternativ zu künstlichem Licht greifen muss. In jedem Fall sollte man dafür sorgen, dass man beim Fotografieren ausreichend Licht und einen guten Hintergrund hat. Außerdem sollte man der Haut gegebenenfalls eine kleine Pause zum Abschwellen gönnen, bevor man das Tattoo ablichtet.
Beim Fotografieren von dunkleren Hauttönen solltet ihr kein kühles Licht verwenden. Außerdem sollte man bei der Bildbearbeitung darauf achten, die Hautfarbe nicht zu verfälschen.
Fragt eure Kund*innen auch ruhig nach Fotos eurer verheilten Arbeiten. Denn eine abgeheilte Tätowierung ist sehr viel aussagekräftiger als eine frisch gestochene.
Ästhetik im Instagram-Feed
Einige Artists haben beispielsweise aus ästhetischen Gründen nur schwarz-weiße Fotos im Portfolio. Gerade bei Blackwork sind stark entsättigte Fotos beliebt, da die schwarze Farbe so mehr hervorsticht und Rötungen kaum noch zu sehen sind. Doch auch die Hautfarbe der Kund*innen ist so nicht mehr klar erkennbar. Das sollte man bedenken, wenn man Kund*innen mit diversen Hauttönen eine gute Anlaufstelle bieten möchte. Hinzu kommt, dass es einige Kund*innen verletzen kann, wenn ihre Hautfarbe bei der Bildbearbeitung unkenntlich gemacht wird.
Wer unter keinen Umständen auf das einheitliche Erscheinungsbild seines Instagram-Feeds verzichten möchte, kann zum Beispiel die bearbeitete Version und das Original gemeinsam als Galerie hochladen. So bleibt der Look des Feeds erhalten und Kund*innen haben wenigstens die Chance, eure Kunst auf diversen Hauttönen zu betrachten. Dennoch sollte man bedenken, dass ein einheitlicher Look auch als Wunsch nach einem einheitlichen Kund*innenstamm aufgefasst werden kann.
Gegen Ausgrenzung
Wer ausschließlich oder überwiegend Menschen mit helleren Hauttönen tätowiert und nur Fotos davon hochlädt, spricht Menschen mit dunkleren Hauttönen natürlich nicht direkt an. Das führt bei einigen BPoC zu Unsicherheit und einem Gefühl nicht willkommen zu sein.
Viele Menschen mit dunkleren Hauttönen machen bereits im Vorgespräch schlechte Erfahrungen mit Tätowierer*innen, wenn diese ihnen sagen, Tattoos „funktionieren auf ihrer Haut nicht“ oder würden „nicht schön aussehen“. Daher ist es wichtig Menschen mit dunkleren Hauttönen aktiv einzuschließen, gezielt anzusprechen und gewissenhaft zu beraten.
Beispielsweise könnt ihr einen Beitrag darüber posten oder in eurem Social-Media-Profil darauf hinweisen, dass bei euch Menschen aller Hautfarben willkommen sind und ihr sie gerne tätowiert. Außerdem könnt ihr noch explizit kostenlos die oben beschriebenen Farbtests für Menschen mit dunkleren Hauttönen anbieten. Dabei könnt ihr auch verschiedene kleine Farbtest-Designs entwerfen, um das Ganze etwas ansprechender zu gestalten.
So ein Test kann der erste, kleine Schritt sein, um Unsicherheit, Ausgrenzung und Vorurteilen entgegenzuwirken. Statt zu sagen, dass etwas nicht möglich sei, kann man so die genauen Möglichkeiten gemeinsam testen und darauf aufbauend ein perfekt zugeschnittenes Tattoo-Motiv planen.
Weitere Tipps und mehr von und zu BPoC in der Tattoo-Industrie findet ihr zum Beispiel bei @darkskintattootips oder @shades_tattoo_initiative.