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Viele Tattoo-Termine wurden aufgrund von Corona abgesagt oder verschoben. Da das Tätowieren aktuell wieder in ganz Deutschland unter Auflagen erlaubt ist, gehen die meisten Studios langsam wieder in Betrieb. Einige Kund*innen fragen sich jedoch, ob ein Termin unter den aktuellen Umständen überhaupt angenehm sein kann. Andere wiederum haben Angst, dass eine Sitzung mit Maske gleich doppelt so anstrengend wird. Doch wie sehr beeinflussen die aktuellen Corona-Auflagen den Tattoo-Termin wirklich?
Unsere Autorin Sinah hatte vor knapp einer Woche einen Tattoo-Termin – übrigens ihren ersten seit rund zwei Jahren. Da sie selbst Tätowiererin ist, kennt sie sich mit den neuen Corona-Auflagen aus und hat Verständnis für die “besonderen” Umstände im Tattoo-Studio. Im Folgenden nimmt Sinah euch gedanklich zu ihrem Termin mit, erzählt von ihrer Anreise und wie sie alles empfunden hat. Außerdem erfahrt ihr noch von weiteren Tätowierer*innen und Kund*innen, wie ihre ersten Tattoo-Termine nach der wochenlangen “Auszeit” nun liefen.
08:00 Uhr – Berlin Hbf
Ich schaue auf die Anzeigetafel der Deutschen Bahn: ICE 505 Richtung München über Leipzig um 08:30 Uhr – +++ Zug fällt heute aus +++. In der viel zu langen Schlange zur Bahnhofsinformation trage ich meinen Mundschutz, bis ich alleine vor einer Glasscheibe stehe und diesen leicht anhebe, um eine neue Verbindung zu erfragen.
Easy, eine Stunde später fährt erneut eine Bahn nach Leipzig – aktuell noch nach Plan! Auch Tätowierer Benjamin Karp ist fein damit, dass ich aufgrund des Zugausfalls eine halbe Stunde zu spät kommen werde.
Ohne Mundschutz entschließe ich mich dazu, nochmal frische Luft zu schnappen. Die Zeit vertreibe ich mir mit einem kleinen Frühstücks-Picknick for one an der Spree.
09:29 Uhr – Auf nach Leipzig
Der nächste ICE kommt zum Glück nach Plan. Ich bin froh, einen Platz für mich alleine zu bekommen. Kaum jemand sitzt mit fremdem*r Platzpartner*in im Zug und bisher habe ich auch noch keine Person ohne Maske gesehen. Entspannt genieße ich den Ausblick während der Fahrt und bin froh, dass ich vorher noch gegessen habe. Im Zug wäre es, wie sonst gewohnt, wegen der Corona-Maßnahmen nämlich nicht möglich gewesen.
In Leipzig angekommen, erwische ich ohne lange Wartezeit direkt die nächste Straßenbahn und habe nach kurzem Durchatmen direkt wieder meine Maske auf. Kurz vor halb 12 komme ich am Studio an und setze vorm Eintreten meinen zusätzlich mitgebrachten und frischen Mund-Nasen-Schutz auf.
Endlich angekommen!
Zur Begrüßung gibt es den Ellenbogen und bevor es losgeht, suche ich das Bad auf. So kann ich neben dem gründlichen Händewaschen nochmal ein paar tiefe Atemzüge ohne Maske machen. Grundsätzlich komme ich gut damit klar, eine Maske zu tragen. Außerdem habe ich für mich auch schon herausgefunden, welche ich gemütlich auf längere Zeit tragen kann.
Tatsächlich ist es aber insgesamt etwas verwirrend. Zum ersten Mal bei einem Tätowierer zu sein, den man noch nicht kennt, und quasi auch weder das ganze Gesicht noch nonverbale Kommunikation zu erkennen. Während des Tätowierens funktioniert es aber ganz gut, sich zu unterhalten. Wer jedoch grundsätzlich etwas mehr leidet oder Probleme mit der Atmung hat, kann das ruhig klar äußern. Wenn es gerade nicht einfach für einen ist, sich zu unterhalten, da wird wohl niemand was gegen haben.
Abgesehen davon, dass ich mir einbilde, dass alle Menschen um mich herum unter ihrer Maske lächeln, wenn ich mit ihnen rede, oder zumindest freundlich schauen, vergesse ich die Maske sogar zwischendurch. Etwas ungewöhnlich ist es für mich, durch den Schutz so undeutlich zu sprechen, aber lieber fünfmal wiederholen, als eine vermeintliche Infektion zu riskieren.
Fazit: Mit Mundschutz ist nicht optimal – aber für mich und die meisten von euch wohl kein Problem. Dafür können wir uns nochmal umso mehr auf die Termine “nach Corona” freuen!
Termine unter Corona-Auflagen – Eure Erfahrungen
Nicht nur Sinah hat uns von ihrem Tattoo-Termin berichtet, sondern auch noch ein paar weitere liebe Kund*innen und Tätowierer*innen. Sie erzählen davon, wie sie sich im Studio gefühlt haben und was durch die Corona-Auflagen anders ist als sonst. Außerdem seht ihr noch, wie schnick man trotz Maske bei seiner Tattoo-Sitzung noch aussehen kann!
Tätowiererin Henja (@henjafin)
Für uns hat sich nichts Wesentliches verändert, außer die Nähe zum Kunden, der leere Wartebereich und der Arbeitsplan, nach dem wir uns nun richten müssen. Jeder Tätowierer hat nur bestimmte Tage, an denen er arbeiten darf, damit der Mindestabstand im Studio eingehalten werden kann.
Der Verlust des Kundenkontakts ist es aber das, was mich wirklich stört. Ich habe oft durch die Reaktion des Kunden beim ersten Betrachten der Vorlage erkennen können, ob er*sie sich damit wohlfühlt. Jetzt ist es wesentlich schwieriger, denn viele Kunden trauen sich nicht, etwas zu sagen. Falls sie Kleinigkeiten geändert haben wollen oder das Motiv doch kleiner oder größer möchten, muss man es nun aus ihnen herauskitzeln. Mit Mundschutz ist es schlecht in ihrem Gesicht abzulesen.
Auch die Verabschiedung fällt wesentlich “kühler” aus. Ich bin ein herzlicher Mensch und mag es gern, die Kunden zum Abschied zu drücken. Auch das bleibt aus und hinterlässt irgendwie ein komisches Gefühl.
Kundin Michelle (@melancholyfoliage)
Ich hatte am 18. Mai meinen ersten Tattoo-Termin nach dem Lockdown. Um ehrlich zu sein hab ich mich schon gefragt, wie das alles mit Maske funktionieren soll. Gerade weil man – oder eher ich persönlich – beim Tätowieren den Schmerz ganz gut übers Atmen regulieren kann
Meine Bedenken waren aber vollkommen umsonst! Auch die Atmosphäre war dadurch nicht irgendwie anders. Danke noch mal an Andrik (@a_kopernikus) für den angenehmen Aufenthalt! Im Grunde genommen macht man sich wahrscheinlich viel mehr Gedanken über das, was sein könnte, als das, was letzten Endes wirklich anders ist. Ich war jedenfalls ganz schön positiv überrascht!
Tätowiererin Liz (@maybe.liz)
Ich finde es schwerer die Emotionen der Kunden abzuschätzen. Man erkennt die Leute auch einfach schwerer und es gibt eine gewisse Distanz. Manche haben Probleme sich zu konzentrieren oder es wird ihnen schneller schwummrig. Ich bin gespannt, wie es jetzt im Sommer weitergehen wird… Ich schwitze zumindest jetzt schon unter der Maske.
Tätowiererin Anna (@anna.alabaster)
Vor der Wiedereröffnung hatte ich echt großen Respekt vor der Reaktion meiner Kund*innen. Nach über einer Woche zurück in meinem kleinen Atelier kann ich sagen: Ich bin positiv überrascht, wie vorbildlich jede*r Kunde*in mit den Schutzmaßnahmen umgeht. Sie stellen eine weniger große Einschränkung dar, als befürchtet.
Manche würden zwar gern eine Begleitung beim Termin dabei haben und man merkt, dass Corona hier und da auch finanzielle Einschnitte hinterlassen hat, aber die aus privaten Gründen verschobenen Termine lassen sich gut mit den nachzuholenden kompensieren. Die Freude überwiegt und ich bin sehr dankbar, wieder arbeiten zu dürfen!
Sprecht über eure Bedenken
Wer sich aufgrund der aktuellen Lage Sorgen wegen seines Tattoo-Termins macht, kann seinem Tattoo Artist diese Bedenken bereits im Vorfeld mitteilen. Auch für Tätowierer*innen ist diese Situation speziell, jedoch ändert sich durch die Corona-Auflagen am Tätowieren selbst und den Hygienestandards kaum etwas. Sie werden euch auf Nachfrage sicher gerne erklären, was aktuell zu beachten ist oder euch sogar Ratschläge geben können.
Sollte euch während der Sitzung die Panik ergreifen oder ihr Probleme mit der Atmung bekommen, ist es kein Weltuntergang, das Tätowieren zu unterbrechen. Gebt eurem Artist ein Zeichen und atmet draußen ein paar mal tief durch. Trinkt oder esst bei Bedarf etwas und achtet generell einfach gut auf euer Wohlbefinden.
Außerdem kann es auch hilfreich sein, wenn ihr bereits im Vorfeld gemeinsam ein paar kleine Pausen an der frischen Luft vereinbart. Sprecht einfach offen mit eurem Tattoo Artist, denn so ist es für beide Seiten einfacher, dass sich trotz Corona-Auflagen alle Beteiligten beim Termin wohlfühlen!
Feelfarbig wird immer kostenlos bleiben!